Zwei Tage vor Weihnachten hatte meine Mutter Geburtstag. Johannes hatte ich davon nichts erzählt. Allgemein waren meine Eltern bisher nicht zur Sprache gekommen. Eigentlich hatte ich nicht vorgehabt zu ihr zu fahren. Ich wollte ihr einfach eine kurze Nachricht schreiben und ihr Blumen schicken, doch Johannes sah zufällig auf meinen Bildschirm, als darauf die Benachrichtigung von meinem Kalender erschien.
Er runzelte die Stirn und sah mich fragend an. "Sag mal, willst du nicht zu deiner Mutter fahren? Wegen mir?", fragte er dann. Ich holte tief Luft. Die Situation mit meinen Eltern war speziell und ich hatte sie bisher noch nicht Johannes erklärt. Es hatte noch keinen richtigen Moment dafür gegeben. Allerdings konnte es auch nicht viel besser werden.
"Die Situation mit meinen Eltern ist kompliziert. Als Ilay gestorben ist waren sie für mich da, aber ich hab ihnen dann irgendwann von der Schwangerschaft erzählt. Sie haben nicht wirklich toll regiert. Selbst als sie es verdaut haben, haben sie versucht mich dazu zu bringen Levi abzutreiben. Meine Mutter war der Meinung, dass ich mir meine Zukunft verbauen würde, wenn ich jetzt ein Baby von jemandem der tot war bekäme. Und mein Vater meinte nur es wäre meine Entscheidung, aber ich solle mich nicht beschweren wenn es mir irgendwann zu viel werden würde. Allerdings ist mein Vater einfach nur wahnsinnig unemphatisch. Während der Schwangerschaft haben sie sich dann kaum noch bei mir gemeldet und nicht mal gefragt wie es mir ging. Als Levi dann auf die Welt kam standen sie dann auf einmal wieder vor mir. Seither ist es irgendwie kompliziert. Wir sehen uns manchmal zu besonderen Anlässen und manchmal geht Levi zu ihnen, aber so grundsätzlich hab ich mit meinen Eltern abgeschlossen. Und ich wette mit dir, dass wenn ich Ihnen von dir erzähle, dann wird es nicht gerade besser", erklärte ich Johannes.
Der holte tief Luft und fragte dann: "Wer war dann für dich da als du schwanger warst? Musstest du Levi allein zur Welt bringen? Ich dachte immer deine Mutter wäre dabei gewesen. Und was ist eigentlich mit den Eltern von Ilay?".
Ein geradezu deprimierter Lacher entwich mir und ich sagte: "Hauptsächlich Elena. Sie ist drei Monate nach mir mit Matteo schwanger geworden, also haben wir uns zusammen vorbereitet. Wir waren Babysachen shoppen, in einem Geburtsvorbereitungskurs und was sonst noch alles. Und meine Abuela, die Mutter meiner Mutter war da. Sie war bei der Geburt dabei und hat mich die ersten paar Wochen mit Levi unterstützt. Die Eltern von Ilay sind eigentlich echt okay. Sie waren für mich immer eine zweite Familie, aber Ilays Tod hat ihnen ziemlich zugesetzt. Seine Mutter hat Depressionen bekommen und sein Vater ist auch nicht mehr der Alte. Ilay war ihr einziges Kind. Seine Mutter hatte drei Fehlgeburten und Ilay war ein medizinisches Wunder. Naja und jetzt wird Levi ihm immer ähnlicher, das macht das ganze nicht gerade einfacher. Ich weiß, dass seine Großeltern ihn über alles lieben, aber es ist schwer für sie mit ihm umzugehen, also lass ich Levi nicht gerne alleine zu ihnen".Johannes sah geschockt aus. Dann stand er auf und zog mich hoch um mich fest in seine Arme zu nehmen. Minutenlang standen wir eng umschlungen auf dem flauschigen, beigen Wohnzimmerteppich.
"Du bist eine großartige Frau. Du bist wahnsinnig stark und du hast alles Glück dieser Welt verdient", sagte er dann und küsste mich.Am Nachmittag sprang ich über meinen eigenen Schatten und fuhr dann doch kurz zu meiner Mutter. Johannes und ich hatten schon Ferien, während Levi noch seinen letzten Kindergartentag hatte. Ich wollte den Besuch kurz halten und dann Levi abholen gehen. Auf der Fahrt beschloss ich, meinen Eltern von meiner Beziehung zu erzählen. Vielleicht würden sie dann ganz enttäuscht von mir sein, doch es gab ein bisschen Hoffnung.
Es dauerte bis ich mich dazu überwunden hatte auf den Knopf über dem Messingfarbenen Schild mit der Aufschrift "Díaz" zu drücken. Ich hörte die schweren Schritte auf der Innenseite und wusste sofort, dass es mein Vater war. Als er mich sah, sah er sehr überrascht aus doch dann schenkte er mir ein halbherziges Lächeln und bat mich herein.
"Alles Gute zum Geburtstag, Mama", sagte ich. "Danke. Wo ist Levi?", fragte sie. "Er hat noch Kita", antwortete ich. "Wieso bist du nicht mit ihm zusammen gekommen? Trägst du uns das immer noch hinterher das wir dir zum Abtreiben geraten haben?", fragte sie weiter.
Ich seufzte. Es würde sich nie ändern. "Nein, aber er hat nachher noch Training", sagte ich genervt. "Training? Was für Training? Erzählst du uns jetzt gar nichts mehr?", sagte sie vorwurfsvoll. Ich atmete hörbar aus und versuchte so geduldig wie möglich zu antworten: "Mama, er geht ins Tennis. Wie Ilay früher. Aber ihr fragt ja auch nicht. Seit seinem Geburtstag habt ihr ihn nicht mehr gesehen. Bestenfalls ruft ihr ein mal im Monat an". Mein Vater verbarg sein Gesicht in seinen Händen. "Was gibt's sonst noch neues?", fragte er dann und kreuzte seine Hände unter seinem Kinn. Es könnte mein Todesstoß sein, doch ich antwortete: "Ich bin in einer neuen Beziehung". Meine Eltern sahen mich erstaunt an. "Wer ist es? Woher kennst du ihn? Hattest du eigentlich überhaupt vor ihn uns vorzustellen?", sprudelte es aus meiner Mutte hervor.
Erschöpft lächelte ich. Eigentlich war mir ihre Meinung egal. "Er heißt Johannes. Ich hab ihn in der Berufsschule kennengelernt. Er ist mein Sport- und Mathelehrer. Er wohnt auch hier und ist Trainer in Levis Tennisverein. Deshalb hab ich ihn auf dieser sehr persönlichen Ebene kennengelernt. Und ja, irgendwann wollte ich es euch sagen, nur wusste ich wie ihr reagieren würdet und darauf hatte ich ehrlich gesagt keine Lust", erklärte ich. Meine Mutter sah geschockt aus. Mein Vater dagegen fing an zu lachen. "Wie jetzt? Du bist mit deinem- mit deinem Lehrer zusammen?", fragte meine Mutter dann. Ich nickte. "Weißt du, du bist schon lange erwachsen und kannst tun und lassen was du willst, aber ich kann nicht behaupten das ich das gutheiße. Im Gegenteil. Ich bin ganz schön enttäuscht von dir. Ich hab mehr erwartet. Wir haben dich anders erzogen", sagte mein Vater als er sich wieder beruhigt hatte.Ich rieb mein Gesicht in meinen Händen und stand dann schwungvoll auf. Mit einem Lachen im Gesicht ging ich zu Tür. Ich drehte mich noch einmal um und sagte: "Wisst ihr, ich frag mich wie es sein muss von seinen Eltern unterstützt zu werden. Aber wieso bin ich eigentlich darüber erstaunt? Ich hab es doch vorher schon gewusst. Wenn ihr euch wieder beruhigt habt und ihn doch noch kennenlernen wollt, dann könnt ihr euch ja melden. Tschüss!".
![](https://img.wattpad.com/cover/310248065-288-k495252.jpg)
DU LIEST GERADE
Two Miles apart
RomanceTwo Miles apart, eine Geschichte über eine junge Frau inmitten ihrer zwanziger, deren Leben sich um 180° dreht, als sie sich Hals über Kopf in einen Mann verliebt. Die Hürden die ihre Beziehung bereitstellt, scheinen durch das Schüler-Lehrer Verhält...