Chapter 29

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Einige Zeit nach Levi's Geburtstag hatte er sein erstes Tennisturnier. Er war wahnsinnig nervös und hatte wochenlang trainiert. Es zahlte sich aus, denn er gewann haushoch. Johannes hatte am Rande des Platzes gestanden und hatte sich fast noch mehr gefreut als ich.

Im Kindergarten war er mit dem Tag seines Geburtstages in die Schulanfängergruppe aufgestiegen. Ich konnte ihm an seiner Nasenspitze ansehen wie stolz er war, als er das erste Mal durch die grüne Holztür in den Gruppenraum der Schulanfänger lief. Und ich war mindestens genauso stolz. Immerhin hatte ich es fast komplett alleine geschafft einen wunderbaren kleinen Jungen groß zu ziehen.

Auf dem Weg in die Schule dachte ich über das vergangene Jahr nach. Es war sehr viel passiert. Ich hatte seit Johannes sogar begonnen morgens die Zeitung zu lesen. Nichts was relevant war, doch jedes Mal empörte ich mich über diese Bananenrepublik in der ich lebte. „Sag mal bist du glücklich in Deutschland?", hatte mich Johannes nach meinem letzten Wutausbruch gefragt. Ich hatte nur mit den Schultern gezuckt. Eigentlich hatte ich schon lange auswandern wollen. Zurück nach Spanien. Ich mochte Deutschland nie so wirklich. Die Mentalität der Deutschen war nie etwas gewesen mit dem ich mich identifizieren konnte. Aber ich hatte ein Leben hier und das konnte ich nicht einfach so weg werfen.

„Ich hab keine richtige Antwort bekommen", begann Johannes das Thema am Abend erneut. „Ich kann nicht behaupten, dass ich so richtig glücklich bin. Aber ich hab hier mein Leben. Ich hab hier dich, die Arbeit, die Schule, meine Freunde und außerdem hat Levi hier auch sein Leben", erwiderte ich. Johannes wandte sich wieder dem Fernseher zu. Ich konnte sehen, dass ihn meine Aussage beschäftigte, denn er kaute auf seiner Unterlippe herum und hatte die Stirn gerunzelt.

Ich freute mich schon auf meine Arbeit in der Kita, die in der vierten Schulwoche startete. Die lange Pause war zwar schön gewesen, aber ich hatte meine kleinen Monster vermisst. Doch der Start war ein wenig holprig. In der zweiten Woche bekam ich kurz nach meiner Mittagspause einen Anruf aus Levis Kita.

"Hallo Frau Díaz, ihrem Sohn Levi geht es nicht so gut", begann seine Gruppenerzieherin das Gespräch. "Was ist los?", harkte ich nervös nach. Ich spürte das innere Unwohlsein das sich in mir breit machte. Was Levis Gesundheit betraf konnte ich nicht ruhig bleiben. Nicht nachdem ich schon mal einen der wichtigsten Menschen in meinem Leben verloren hatte. "Ich hab noch nicht ganz rausbekommen was los ist, aber er hatte auf jeden Fall einen Albtraum und lässt sich jetzt kaum noch beruhigen. Er weint jetzt seit einer halben Stunde und bekommt kaum noch Luft. Wir haben ihm auch schon sein Asthma Spray gegeben, aber das hilft kaum etwas", sagte sie. In mir zog sich alles zusammen. Ich dachte an seinen ersten Anfall. "Kann ich ihn sprechen?", fragte ich. Die Erzieherin reichte mich weiter.

"Levi mein Schatz, was ist los?", fragte ich. "Ich hab von Papa geträumt. Der gleiche Traum wie letztes Mal. Aber dieses Mal hat sich sein Gesicht andauernd verwandelt. Dann war da immer auch noch Johannes", erwiederte er keuchend. Ich konnte hören wie schwer ihm das Reden fiel. Er schnappte nach Luft während er laut weinte. "Ach Mensch Levi. Ist das Asthma auch wieder so schlimm?", fragte ich. "Ja", antwortete er. "Atmen, Levi, atmen. Soll ich dich abholen?", fragte ich. "Ja, bitte", schluchzte Levi in den Hörer. Sein Atem pfiff schrill. "Ich kann dich holen, aber ich bin selbst in der Kita. Ich brauch mindestens eine Stunde", erwiderte ich. "Kannst du trotzdem kommen? Du musst mich in den Arm nehmen", antwortete er. "Aber natürlich. Du ich hab noch eine andere Idee. Johannes ist daheim. Er könnte dich schon bald holen und ich komm dann direkt nach Hause. Sollen wir das vielleicht so machen?", schlug ich vor. "Ja", sagte Levi kurz. "Okay mein Schatz, dann ruf ich jetzt Johannes an und dann komm ich so schnell ich kann", versprach ich meinem Sohn. "Mama? Lebt Johannes noch?", fragte Levi. Mir gefror das Blut in den Adern. Die Frage schockierte mich. "Aber ja, Levi. Ich liebe dich über alles. Kopf hoch, ja? Ich komme", versuchte ich beruhigend auf ihn einzureden.

Zuhause angekommen erblickte ich Johannes mit Levi im Arm. Sein kleines Gesicht war schneeweiß und ganz offensichtlich war er vor lauter Erschöpfung eingeschlafen. Ich hatte Schwierigkeiten nicht selbst zu weinen. In meinem Kopf herrschte Leere und gleichzeitig überwältigte mich ein Schwall Gedanken. Ich hatte Angst, dass es meine Schuld war, dass Levi solche Träume hatte. Vielleicht war ich zu offen mit Ilays Tod umgegangen. Und ich hatte großen Respekt davor, dass ich Levi vor solchen Träumen nicht beschützen konnte. Seine kleinen Schultern trugen so eine große Last und das machte mir in meinem tiefsten Innern Sorgen. Ich nahm meinen kleinen Sohn in die Arme und setzte mich auf einen der weißen Esszimmerstühle. Levi schlief ruhig weiter. Sein Körper war erhitzt und er roch nach seinem Apfelshampoo.

Gegen Abend weckte ich ihn auf. Er hatte den Schlaf zwar nötig gehabt, doch ich hatte keine Lust, dass er in der Nacht nicht mehr schlafen würde.

"Meinst du ich sollte mal mit ihm zu einem Psychologen?", fragte ich Johannes mit nachdenklicher Stimme. Diese Frage war auch der Grund weshalb ich mich in meinem Bett hin und her wälzte und keinen Schlaf fand. Johannes drehte sich vom Rücken auf die Seite und sah mich mit grübelndem Blick an. Er sah müde aus und ich wusste auch, dass ich ihn wach hielt, dennoch war mir klar, dass er mir das nicht übel nahm. "Weißt du, ich bin der Meinung, dass das nicht nötig ist. Aber ich kenne dich. Du hast deinen eigenen Kopf. Und du machst dir jetzt ewig Gedanken drüber. Deshalb geh mit ihm dahin. Wenn du magst kann ich auch mitkommen. Wenn es dir danach besser geht ist das vielleicht keine schlechte Idee", sagte er. Ich holte tief Luft und rutschte näher zu ihm. Er schloss seine Arme um mich und auch wenn ich nicht gerade beruhigt war, konnte ich endlich einschlafen.

Two Miles apartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt