Nach vielen Tagen im Schlamm hatten die Jungs zum ersten Mal Holzschwerter in den Händen und freuten sich über diese Abwechslung. In die Kanten dieser Schwerter waren noch keine scharfen Klingen aus Obsidian eingeklebt, denn mit diesen Übungsschwertern sollten sie sich ja nicht verletzen. Diese Holzschwerter waren viel schwerer und unhandlicher als Coyote geglaubt hatte.
Sie sahen aus wie Paddel, waren aber noch schwerer, weil sie aus Hartholz gefertigt waren. Trotzdem zeigte Korallenschlange ihnen, wie leicht man damit einen Gegner kampfunfähig machen konnte. Er zeigte ihnen Sprünge und Schläge, mit denen sie hinter den Schild ihres Gegners kommen konnten und wie sie die ungedeckten Beine ihrer Feinde attackieren sollten.
Mit dem Schild hingegen sollten sie sich schützen und auch das zeigte Korallenschlange ihnen. Er war leichtfüßig auf den Beinen, doch meistens fing er die Schläge gar nicht mit dem Schild ab, sondern wich ihnen nur aus. Für diese Art des Kampfes benötigte jeder Krieger sehr viel Platz und Coyote fragte sich, wie das wohl in einer Schlacht aussehen würde, wenn alles drunter und drüber ging. Behinderten sie sich dann vielleicht sogar gegenseitig?
In den Augen seiner Kameraden gab es eine Hierarchie der Waffen und da stand das Obsidianschwert unangefochten an der Spitze. Jeder wollte lernen, damit zu kämpfen. Denn ganz anders als mit der Lanze bekämpfte man seinen Gegner mit dem Schwert nicht aus der Entfernung, sondern aus nächster Nähe. Man rückte ganz nah an den Feind heran, während man ihn mit der Lanze auf Abstand hielt. Das war bei weitem nicht so ehrenvoll wie mit dem Schwert.
Noch weniger Ehre konnte man mit dem Speer erringen. Zudem konnte es leicht passieren, dass der Gegner damit tödlich getroffen wurde. Das war das Schlimmste, was einem Krieger passieren konnte. Das wollte sich niemand vorstellen, denn wenn der Gegner starb, dann konnte er nicht geopfert werden. Man konnte sich dann zwar mit Federn schmücken, stieg aber nicht im Rang auf. Weiterhin trug man weiße Baumwolle und musste auf den nächsten Blumenkrieg warten.
Ebenso unbeliebt waren auch Pfeil und Bogen. Natürlich ließ Korallenschlange sie auch damit lange Zeit üben, aber nur die wenigsten konnten wirklich gut mit Pfeil und Bogen umgehen. Manche Jungs waren schon als Kinder mit ihren Vätern auf der Jagd gewesen. Doch die meisten, der in der Stadt aufgewachsenen Jungs hatten noch nie einen Bogen in der Hand gehabt.
Ihre Pfeile flogen zwar in die richtige Richtung, aber ein kleines oder gar ein bewegliches Ziel konnten sie nicht treffen. Wenn sie schon einen Gegner aus der Entfernung bekämpfen sollten, dann nahmen sie lieber den Speer mit dem Atlatl. Der Gebrauch dieser Waffe war sehr viel einfacher zu erlernen, als der von Pfeil und Bogen.
Der Gebrauch der Schleuder wurde ihnen im Calpulli nur kurz gezeigt. Das war die Waffe der Bauern. Auch wenn die Schleuder nicht geächtet war, so wurde sie doch von den Adlern und Jaguaren nicht gern gesehen. Das hinderte Coyote aber nicht, mit seiner Schleuder weiter zu üben und dabei überraschte ihn eines Tages Korallenschlange ganz allein auf dem Übungsplatz.
„Du hast damit wohl eine Menge Vögel und Hirsche vom Mais fern gehalten", meinte er und lächelte Coyote entspannt an.
„Nicht nur Vögel und Hirsche, sondern auch viele Schwarzbären und Pekaris!", antwortete er. Mit einem breiten Grinsen legte er einen neuen Stein in das Leder, drehte es nur einmal über dem Kopf und schoss sofort auf den Balken mit dem ausgefransten Schilfbündel, welches sie als Ziel benutzten.
„Unser Bach hat immer wieder schöne runde Steine aus den Bergen gebracht. Da musste ich nie lange suchen und konnte den ganzen Tag üben", meinte Coyote und lächelte bei dem Gedanken an seine Kindheit im Dorf.
Korallenschlange nickte und dachte an seine eigene Kindheit. Auch er konnte hervorragend mit der Schleuder umgehen, denn auch er hatte die wilden Tiere damit vom Mais fern gehalten. Verschwörerisch schaute er sich kurz um und vergewisserte sich, dass sie noch immer allein auf dem Platz waren.
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Der letzte Jaguarkrieger
Historical FictionBevor die Spanier Mittelamerika betraten, waren die Azteken die beherrschende Macht auf dem Kontinent. Niemand konnte ihnen das Wasser reichen. Doch ihre Macht beruhte auf Gewalt und Terror. Die unterworfenen und geknechteten Völker warteten sehnsüc...