Mit vor Aufregung klopfendem Herzen und seinem Empfehlungsschreiben in der Hand stand Martín vor dem Palast des Gouverneurs von Kuba. Obwohl man dieses Haus erst vor wenigen Jahren errichtet hatte, schien jede Ritze und jeder Stein eine Geschichte von Macht und Intrigen zu erzählen. Vorsichtig durchschritt er den Garten voller exotischer Blumen und atmete noch einmal tief durch.
Für einen Mann von Adel war es Pflicht, sich beim Gouverneur vorzustellen. Zum einen gehörte es zum guten Ton und zum anderen konnte es ja sein, dass er ihm ein Kommando anvertraute. Doch leicht fiel ihm dieser Besuch nicht. Was würde geschehen, wenn er Gouverneur Velásquez nicht täuschen konnte? Was würde passieren, wenn der ihn etwas aus seiner Vergangenheit fragte, was er nicht wissen konnte?
Vor Aufregung schwitzend klopfte er an die schwere Holztür und wartete. Ein Diener ließ ihn herein und ein noch sehr junges, schwarzes Sklavenmädchen zeigte ihm den Weg in das Arbeitszimmer des Gouverneurs.
Mit einem kritischen Blick musterte Velásquez den jungen Mann mit seinen sehr kurzen Haaren. Doch als er das Empfehlungsschreiben an Bischof Fonseca öffnete, änderte sich alles. Sofort fasste er Vertrauen zu ihm, denn er glaubte einem Mann des Bischofs gegenüberzusitzen. Mit eigener Hand und einem Lächeln im Gesicht, schenkte er seinem Gast ein Glas Wein ein.
„Ihr kommt wie gerufen, denn ich brauche dringend einen neuen Friedensrichter! Ihr seid zwar noch sehr jung, aber mit eurer Bildung dürfte es euch nicht schwerfallen, dieses anspruchsvolle Amt auszufüllen."
Martín war erleichtert weil seine Tarnung so gut ankam, aber er war auch skeptisch. Erst einmal sagte er jedoch nichts zu dem Ansinnen des Gouverneurs und hielt den Mund, weil er vermutete, dass der noch mehr auf dem Herzen hatte. Stattdessen lächelte er nur und hörte Velásquez aufmerksam zu.
„Mein bisheriger Friedensrichter Hernán Cortés sitzt nämlich gerade selbst im Gefängnis. Ich habe ihn einsperren lassen, weil er einer Dame aus meiner Familie die Ehe versprach, sie aber dann nicht heiraten wollte."
Mit seinem Glas in der Hand ging der Gouverneur zu seinem Sessel und ließ sich mit schmerzverzerrtem Gesicht ganz langsam darauf nieder. Es war ihm anzusehen, dass seine Gelenke ihm zu schaffen machten und sein fülliger Bauch war ganz sicher ein Teil seines Problems. Trotzdem beugte er sich so weit nach vorn, wie es ihm mit seinem dicken Bauch möglich war und schaute seinen Gast an.
„Ihr könnt euch nicht vorstellen, was für ein windiger Bursche dieser Cortés ist!", klagte er ihm sein Leid. „Er ist sogar schon aus dem Gefängnis ausgebrochen! Zum Glück konnten meine Männer ihn wieder einfangen. Aber ich bin mit meinem Latein am Ende. Was soll ich nur mit ihm machen? Ich will ihn ja gar nicht einsperren! Noch vor einem Jahr war er mein persönlicher Sekretär. Aber er zwingt mich doch geradezu in diese Lage! Das kann ich ihm doch nicht durchgehen lassen! Oder seht ihr das anders?"
Der ehemalige Mönch war nicht gerade begeistert, dass er jetzt Friedensrichter auf Kuba werden sollte. Das hatte so gar nichts mit nackten Mädchen und Abenteuern mit den Alvarado Brüdern auf den Inseln im blauen Meer zu tun. Zudem wollte er sich auch nicht ständig in unmittelbarer Nähe von Velásquez aufhalten und immer wieder gezwungen sein, mit ihm Wein zu trinken. Dieser dicke, alte Mann stieß ihn ab und er konnte ihn nicht leiden. Doch das durfte er ihm natürlich nicht zeigen.
„Wenn ihr erlaubt, Gouverneur, dann werde ich mich in das Gefängnis begeben und mit eurem Friedensrichter reden. Mir scheint es, als habe er sich nur in eine Idee verrannt, aus der er nicht mehr heraus findet. Jetzt hindert ihn vermutlich nur sein Stolz nachzugeben."
„Ihr wollt ihm helfen und auf eure neue Stellung als Friedensrichter verzichten?" Gouverneur Velázquez war überrascht, doch der junge Mann schüttelte den Kopf.
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Der letzte Jaguarkrieger
Historical FictionBevor die Spanier Mittelamerika betraten, waren die Azteken die beherrschende Macht auf dem Kontinent. Niemand konnte ihnen das Wasser reichen. Doch ihre Macht beruhte auf Gewalt und Terror. Die unterworfenen und geknechteten Völker warteten sehnsüc...