Im Schlachthaus - Teil 43

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In dieser Nacht wurde Martín bereits sehr früh von den Geräuschen aus dem Tiergarten des Kaisers der Azteken geweckt. Bei diesem Gebrüll der großen Katzen und der vielen anderen Tiere war es unmöglich wieder einzuschlafen.

So stand er auf und schlich sich hinaus in die Stadt, die ihn so sehr faszinierte. Die Sonne war noch nicht aufgegangen, es wurde gerade hell aber es lag keine einzige Blume mehr auf den Straßen. Wie hatten die Azteken das gemacht? Hatten die etwa in der Nacht die Straßen der gesamten Stadt gefegt? Martín konnte sich das nicht erklären. Die Straßen waren so sauber, dass man von den glatten Steinplatten essen konnte. 

Ohne die vielen Menschen konnte er sich Zeit nehmen und vor besonders prächtigen Häusern verweilen und die bunten Bilder und Statuen von Göttern und Dämonen bewundern. Kein Haus sah aus wie das andere. Alle trugen unterschiedliche Farben und Motive. Oft hingen Früchte oder Blumen draußen zum Trocknen und hin und wieder bedienten sich Vögel daran. 

Langsam erwachte das Leben in den Straßen, Handwerker stellten ihre Waren hinaus und schon wieder sprach man ihn an und wollte ihm etwas verkaufen. Was für eine geschäftstüchtige Stadt! Doch heute wollte er sich nicht schon wieder beschenken lassen und kehrte lieber um. Kaum war er von seinem kleinen Rundgang durch die Stadt zurück, ließ Cortés ihn rufen.

Er wollte Moctezuma besuchen und schickte Martín in dessen Palast, um seinen Besuch anzukündigen. Der Palast des Kaisers der Azteken lag nur wenige Schritte von ihrem eigenen Palast entfernt. Kurz sprach Martín mit einem Offizier der Leibgarde des Kaisers und der ließ ihn für einen Moment in der großen Halle warten.

Dort schaute er sich um und staunte über die alltäglichen Abläufe hier. Etwa 120 Männer der Leibgarde standen in genau gleichen Abständen an den Wänden des großen Saals, starr wie Statuen. Alle waren mit vielen Federn geschmückt und hielten eine Lanze in der rechten Hand.

Ein paar hübsche junge Frauen tauschten die Blumen vom gestrigen Tag gegen frische Blumen. Männer reinigten unauffällig den Palast, obwohl es hier überhaupt keinen Schmutz gab.

An der Tafel des Kaisers wurde gerade aufgetragen, als Martín die Nachricht vom baldigen Besuch von Cortés brachte. Sofort liefen die Diener schneller und deckten die ohnehin schon prächtige Tafel noch prächtiger. Bittsteller wurden heute nicht in den Palast hinein gelassen. Sie mussten draußen bleiben.

Als Cortés nur wenig später mit seinem kleinen Gefolge kam, saß Moctezuma bereits zwei Stufen erhöht auf seinem Thron. Einen ganz ähnlichen Stuhl hatte er an seine Seite stellen lassen und bat Cortés, dort Platz zu nehmen.

Malinche stand zwischen ihnen und übersetzte, während Martín zusammen mit den anderen spanischen Offizieren am Boden an der Tafel Platz nahm. Er hörte nur mit einem Ohr hin, was die beiden miteinander besprachen und genoss lieber die unglaubliche Vielfalt der Gerichte.

Es machte ihm Spaß, einen der Diener zu jedem Gericht zu befragen und sich erklären zu lassen, was ihnen da serviert wurde. Eigentlich war er schon satt, als ihm ein neues Schälchen vorgesetzt wurde. Aber dieses nur leicht angeröstete und herrlich gewürzte Fleisch war einfach nur köstlich und so schaufelte er die kleinen Stücke in seinen Mund. Als er den Diener fragte, was das für Fleisch wäre, antwortete der stolz, dass es Knabenfleisch sei.

„Es ist das Lieblingsgericht des Großen Sprechers. Er isst es nicht oft, aber wenn er es zu sich nimmt, dann genießt er es sehr."

In diesem Moment hätte Martín am liebsten gekotzt. Entsetzt schob er die leere Schüssel von sich und warnte die anderen spanischen Offiziere vor diesem Gericht. Sofort entstand ein Aufruhr und als Pedro de Alvarado seine Schale voller Wut und Ekel an die Wand warf und das Fleisch ausspuckte, zeigten 120 Lanzen auf ihn und die anderen spanischen Offiziere.

Der letzte JaguarkriegerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt