„Was hat sie denn gesagt?", wollte Bosco von Martín wissen.
„Sie findet dich sehr stattlich und sie würde dich gern jeden Tag baden."
„Was meint sie denn damit? Bin ich ihr zu dreckig?" Bosco schob sich hinter Martín durch die lautstarke Menschenmenge über den Markt und drehte sich noch einmal zu der Händlerin mit dem hübschen Lächeln um, aber sie war bereits nicht mehr zu sehen. Die vielen Kunden versperrten ihm die Sicht.
„Sie wollte dir damit sagen, dass sie dich begehrt und dass sie nicht abgeneigt wäre, dich zu heiraten", sagte Martín mit einem Lächeln und strich sich die wieder nachgewachsenen, viel zu langen braunen Haarsträhnen aus den Augen.
Wie vom Donner gerührt blieb Bosco stehen und grinste breit. Er konnte kaum glauben, was er da hörte. Sollte es wirklich Frauen geben, die ihn begehrten?
„Das hat sie gesagt?", fragte er, während sein Grinsen immer breiter wurde. Er musste brüllen, denn Martín war schon ein paar Schritte weiter gegangen und der Lärm auf diesem Markt war unbeschreiblich. Noch einmal drehte er sich um und versuchte einen Blick auf die junge Frau zu werfen, aber es waren einfach zu viele Kunden auf diesem Markt, er konnte sie nicht mehr sehen.
Mit einer sehr viel breiteren Brust und einem stolzen Lächeln lief Bosco weiter und versuchte seinen Freund einzuholen. Dieser riesige Markt im Norden von Tenochtitlán war ganz eindeutig der größte der ganzen Welt.
Selbst in Sevilla war der Markt sehr viel kleiner. Nur stank es hier nicht so schrecklich, wie auf dem Markt in Sevilla. Stattdessen roch es überall anders und jeder neue Geruch war schöner als der vorherige. Egal ob Blumen, Pilze, Früchte oder Gewürze, einfach alles roch hier wunderbar. Die Vielfalt der Waren übertraf jede Vorstellungskraft. Viele Früchte kannten sie bereits aus anderen Städten, aber hier wurde ihnen klar, dass sie wirklich im Zentrum des Aztekenreiches standen.
Dies war der Punkt, an dem alle Warenströme zusammen liefen. Es gab so viel Unbekanntes zu entdecken. Martín war begeistert von diesem Ort. Er verstand so gut wie jedes Wort und wenn er mit einem Händler sprach, erregten sie eine Menge Aufsehen und das nicht nur, wegen seiner Sprachkenntnisse.
Sie trugen beide ihre Brustpanzer und Bosco hatte sich so sehr an seinen einfachen Soldatenhelm gewöhnt, dass er ihn auch auf dem Markt trug. Aber Martín hatte seine Armschienen, die Handschuhe aus Metall und den Helm mit dem klappbaren Visier ganz bewusst in seinem Quartier, im Palast liegen gelassen. Er wollte den Menschen sein Gesicht zeigen. Sein Lächeln und seine offene Art kamen offensichtlich sehr gut an.
Die Leute waren unglaublich freundlich zu ihnen. Überall wurden sie angesprochen und überall versuchten die Händler ihnen ihre Waren aufzudrängen. Sie gaben ihnen kleine Stücke ihrer herrlich süßen Früchte zum Probieren, drückten ihnen die heißen, unglaublich scharf gewürzten Maisfladen in die Hand und sie verwickelten sie immer wieder in Gespräche.
Trafen sie auf junge Mädchen, schauten die ihnen sehr interessiert hinterher. Die jungen Männer schauten ein wenig neidisch auf ihre Brustpanzer und ihre Schwerter, die an ihrer Seite hingen. Solche Waffen hatten sie noch nie gesehen. Trotz der Blicke der jungen Krieger hatten die beiden nie das Gefühl, dass sie auf diesem Markt in Gefahr wären. Denn selbst die jungen Männer begegneten ihnen mit einem Lächeln und machten ihnen zuvorkommend Platz.
Staunend entdeckten sie überall Dinge, die sie aus der Heimat nicht kannten. Hier gab es sogar frische Fische aus dem Meer. Die lagen in großen, mit Schilf ausgepolsterten Kisten und einer großen Menge Eis aus den Bergen, damit sie lange frisch blieben. So etwas würde ihnen in der Heimat niemand glauben!
Sie hatten auf ihrer Reise ja schon viel gesehen, denn sie waren jetzt ja schon seit mehreren Monaten in diesem Land. Aber dieser Markt übertraf alles. Diese Vielfalt war einfach nur atemberaubend. Je näher sie dem nördlichen Ende des Marktes kamen, umso weniger Lebensmittel und umso mehr Luxuswaren sahen sie.
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Der letzte Jaguarkrieger
Fiction HistoriqueBevor die Spanier Mittelamerika betraten, waren die Azteken die beherrschende Macht auf dem Kontinent. Niemand konnte ihnen das Wasser reichen. Doch ihre Macht beruhte auf Gewalt und Terror. Die unterworfenen und geknechteten Völker warteten sehnsüc...