Die Schauspieler - Teil 28

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Eigentlich wollte Cortés die Bildnisse selbst zerschlagen, aber dann reichte er den schweren Hammer mit einem Lächeln an Martín weiter. Der hatte oben auf der Pyramide kräftig mit angepackt. Jetzt stand er unten und hatte seinen Fuß auf eines dieser steinernen Bildnisse gesetzt. Mit einem kleinen, überlegenen Lächeln schaute in die entsetzten Gesichter der Totonaken, die den Frevel der Spanier nicht fassen konnten. 

In diesem Augenblick durchfuhr es Martín wie ein Blitz. In diesem Moment der Klarheit verstand er den Wahnsinn, der die Totonaken und die Spanier gleichermaßen gepackt hatte. Sie waren alle Gefangene ihrer jeweiligen Religion und nichts davon entsprach der Realität.
Es gab keine Götter, weder die Götter der Totonaken, noch den Gott der Christen!

Auch der Gott, von dem sein Vater und der Rabbi ihm erzählt hatten, war nichts als eine Lüge. Als Kinder hatten ihre eigenen Eltern sie alle mit der Religion infiziert und sich dabei auch noch eingeredet, dass sie ihren Kindern etwas Gutes tun würden. Sie alle, Totonaken wie Spanier, waren mit dieser Lüge ihrer Eltern aufgewachsen und konnten sich nicht daraus befreien. Sie alle waren Gefangene ihrer eigenen Vorstellungskraft.

Zumindest aus dieser einen Lüge wollte er ihnen jetzt heraus helfen. Er spuckte in die Hände, holte aus und schlug mit aller Kraft zu. Die Totonaken heulten und schrien, sie wälzten sich vor Angst im Staub und erwarteten das Schlimmste. Von einem Spanier zum nächsten wurde der Hammer weiter gereicht, wenn einer der Männer müde war. Doch als nach einer Stunde alle Bildnisse zerschlagen waren, passierte rein gar nichts. 

Die Erde öffnete sich nicht, um die Frevler zu verschlingen. Ganz im Gegenteil, ein leichter Regen setzte ein und verwandelte den Staub der Straße in einen feuchten Matsch. Die Welt war nicht untergegangen. Noch immer bewegte der Wind die Wolken und gleich darauf zeigte sich die Sonne erneut.

Obwohl sie ihnen vorgeführt hatten, dass es keine Götter gab, die Macht über sie besaßen, sammelten die Totonaken alle Teile ihrer zerschlagenen Bildnisse auf und brachten sie in Sicherheit. Sie hatten rein gar nichts begriffen! Martín war tief enttäuscht und ärgerte sich über die Dummheit der Leute.

Doch noch mehr ärgerte er sich in diesem Moment über Cortés. Der hatte ihnen doch gerade eben gezeigt, dass es keine Götter gab und dass sie sich vollkommen umsonst fürchteten. Doch jetzt trug er ein Bildnis von Maria auf die Pyramide und stellte es dort oben zusammen mit einem großen Holzkreuz in dem kleinen Gebäude auf. Er hatte nur die alte Religion gegen eine neue getauscht.

Mit harten Worten machte Cortés den Totonaken klar, dass von heute an Schluss sei, mit den Opferungen. Sie sollten sich alle taufen lassen und den wahren Glauben annehmen.
In diesem Moment bedauerte Martín die Totonaken. Sie waren vom Regen in die Traufe geraten. Es gab kein Entkommen für sie.

Mit hängenden Schultern und gesenkten Köpfen standen sie vor Cortés und hörten sich seine kleine Strafpredigt an, die Martín zu seinem eigenen Verdruss auch noch übersetzen musste. Doch viel Zeit verschwendete Cortés nicht darauf und verließ den Platz, während Martín noch dort blieb, um den Leuten ihre vielen Fragen zu beantworten. Keiner von ihnen wusste, wie es nun weiter gehen sollte und es war Martín, der Ungläubige, der ihnen erzählte, wie sie von nun an den neuen Gott anbeten sollten. 

Nach einer Weile schaute er in die Menge und dort, mitten unter den Totonaken stand ein Spanier, den er sehr gut kannte. Er war wie vom Donner gerührt. Konnte das wahr sein? Das war doch Bosco, sein alter Freund. Er hatte sich sehr verändert. Seine langen schwarzen Locken sahen jetzt aus wie eine Löwenmähne und er trug jetzt einen dichten schwarzen Bart. 

Selbst mit seiner Rüstung war zu sehen, dass seine Schultern breiter geworden waren und er hatte ein paar Pfund zugelegt, aber es war ganz eindeutig Bosco. Schon öfter hatte er diesen Mann in seiner Rüstung bei den Pferden gesehen, aber da trug er jedes Mal einen Helm und er hatte ihm stets den Rücken zugedreht. Aber heute war ein wirklich heißer Tag und er hatte seinen Helm abgenommen und zeigte ihm sein Gesicht. 

Der letzte JaguarkriegerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt