In Texcoco, der zweitgrößten Stadt des Dreibundes, hatte Cacama endgültig genug von der Feigheit seines Vetters Moctezuma. Der hatte das Reich der Mexica ganz offensichtlich den Spaniern übergeben. Dieser Herr von Malinche regierte es, während der Große Sprecher sich wie ein Kind auf dem See vergnügte und sich daran erfreute, so schnell wie ein Vogel über den See zu fliegen.
Auf gar keinen Fall wollte Cacama weiterhin dulden, dass dieser Herr von Malinche den Großen Sprecher als seine Geisel hielt und das Land regierte. Dieser dahergelaufene Kerl gehörte nicht zur Familie, auch wenn er jetzt die Tochter Moctezumas geheiratet hatte! Er war ein Fremder und konnte unmöglich herrschen! Doch anscheinend tat er genau das. Er regierte die Mexica!
Wenn Cacama nur daran dachte, packte ihn die Wut! Diesen Herren von Malinche musste er vernichten und Moctezuma er von seinem Thron stoßen. Dann wollte er selbst herrschen. Doch wie sollte ihm das gelingen? Wie kam er nah genug an ihn heran?
Einst hatten sie einander geholfen. Als Moctezuma noch nicht der Herrscher der Mexica war, hatte er sich bei seinem Vater für Cacama eingesetzt und der hatte ihn auf den Thron von Texcoco gehoben. Als Moctezumas Vater gestorben war, hatte Cacama sich erkenntlich gezeigt und Moctezumas Anspruch auf den Thron von Tenochtitlán unterstützt.
Jetzt schwang Cacama große Reden und stachelte die Azteken auf, sich gegen ihren Großen Sprecher zu erheben und so dauerte es nicht lange, bis diese Reden in das Ohr Moctezumas drangen.
Der wusste ganz genau, dass nur wenige Männer den Schneid hatten, sich Cacama entgegenzustellen und ihn zu verhaften. Eigentlich waren es nur zwei und so hatte er die Wahl zwischen dem Herabstürzenden Adler und dem Getrockneten Kot. Nur diese beiden standen loyal zu ihm und ihnen traute er zu, dass sie an dieser Aufgabe nicht scheiterten. Weil er sich aber nicht sicher war, wem er die Aufgabe übertragen sollte, ließ er sie beide rufen.
Seit Moctezuma zusammen mit den Spaniern im Palast seines Vaters lebte, hatte er seinen Rat nicht mehr einberufen. Deshalb war der Herabstürzende Adler ein wenig besorgt, als er zum großen Sprecher gerufen wurde. Wirklich sicher konnte man sich nie sein, dass man den Palast auch lebend wieder verließ. Zudem hatte sich mit den Spaniern jetzt alles geändert. Also was wollte Moctezuma von ihm?
Angespannt, aber mit festem Schritt und mit hocherhobenem Haupt näherte sich der Herabstürzende Adler dem Palast der Spanier. Er wusste ja, dass hier die Tlaxcalteken für die Sicherheit sorgten. Doch sein Herz schlug deutlich schneller, als er der Wache am Eingang gegenüber stand.
Bisher hatte noch nie jemand Hand an ihn gelegt, wenn er sich sonst zu Moctezuma begab, doch jetzt fassten diese Tlaxcalteken ihn an und nahmen ihm seine Waffen ab. Was dachten diese Kerle sich dabei? In seiner eigenen Stadt musste er sich den tlaxcaltekischen Wachen beugen! Irgendwann würde er es diesen Dreckskerlen heimzahlen! Schon bald waren sie keine Gäste mehr, sondern wieder Feinde. Dann sollten sie ihm diese Demütigung büßen!
Mit vollkommen unbewegter Miene, so als wären die Tlaxcalteken gar nicht da, nahm er es hin, dass einer der Männer ihm den Dolch aus Obsidian abnahm. Doch innerlich brodelte die Wut in ihm. Früher oder später würde er sich diese Kerle gut durchgebraten und gewürzt, schmecken lassen!Mit ganz viel Zorn im Herzen folgte er den Tlaxcalteken in den Thronsaal. Erstaunt schaute er sich um. Wo war die Leibgarde des Großen Sprechers? An den Wänden standen in kleinen Gruppen die Krieger der Tlaxcalteken, mit ihren Waffen in den Händen und die feixten, als er sich Moctezuma näherte. Nur wenige Schritte entfernt stand Tonatiuh, der Mann mit den hellen Haaren. Er hielt ein Auge auf alles und hatte an diesem Tag anscheinend das Kommando über die Sicherheit im Thronsaal.
Vom Herren von Malinche war nichts zu sehen. Nur noch ein paar weitere Spanier lungerten im Saal herum und unterhielten sich respektlos, mit lauter Stimme, obwohl der Große Sprecher anwesend war. Nur mit größter Mühe gelang es dem Herabstürzenden Adler, sich zu beherrschen. Fast wäre er vor Wut geplatzt. Wie konnte Moctezuma sich so unwürdig verhalten und all das erdulden? Warum sprach er kein Machtwort?
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Der letzte Jaguarkrieger
Historical FictionBevor die Spanier Mittelamerika betraten, waren die Azteken die beherrschende Macht auf dem Kontinent. Niemand konnte ihnen das Wasser reichen. Doch ihre Macht beruhte auf Gewalt und Terror. Die unterworfenen und geknechteten Völker warteten sehnsüc...