Die Pocken - Teil 53

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Inzwischen waren in Xochimilco neue Nachrichten aus Tenochtitlán eingetroffen. Dort hatte es mitten in der Stadt eine gewaltige Schlacht gegeben. Die Azteken hatten die Spanier geschlagen und nur wenige waren entkommen. Diesen kleinen Haufen hatte man in Otumba besiegt. Die Spanier waren vernichtet. Für Blaue Eidechse war das niederschmetternd.

Er hatte so viele Hoffnungen in die Spanier gesetzt. In Cholula hatte er sie sogar vor einem Hinterhalt gewarnt und jetzt schien es, als wäre alles umsonst gewesen. Die Azteken waren noch immer die Herren des Landes und es würde sich nichts ändern. 

Die Bauern würden weiter für sie arbeiten müssen und sie würden einfach in ihr Dorf kommen und sich alles nehmen, was immer ihnen gefiel. Egal ob Nahrung, Sklaven oder Opfer für die Götter. Es war zum Verzweifeln! Seine Hoffnungen auf die Spanier waren in tausend Stücke zersprungen. 

Doch ganz andere Nachrichten kamen ein paar Tage später aus Tlaxcala. Kakaobohne verkündete die Neuigkeiten am Abend zu Hause mit einem breiten Lächeln im Gesicht. 

„Die Spanier haben in Tenochtitlán zwar eine Niederlage erlitten, aber sie haben die Azteken in Otumba geschlagen und sogar zwei Heerführer getötet. Es heißt auch, die Spanier seien wohlbehalten in Tlaxcala angekommen und sie würden auf Rache sinnen." Er konnte die Freude in seinem Herzen kaum verbergen, denn seine Augen leuchteten vor Freude.

Blaue Eidechse grinste seinen Vater an. „Von wem hast du das gehört?" Diese guten Nachrichten fühlten sich für ihn an, wie ein herrlich berauschender Schluck Pulque.

Kakaobohne beugte sich etwas näher zu seinem Sohn und senkte die Lautstärke seiner Stimme. „Der Schnelle Hase hat es mir erzählt. Er steht wohl schon seit mehreren runden Monden mit einer hochrangigen Person auf der Seite der Spanier in einem heimlichen, schriftlichen Kontakt. Den Namen dieser Person wollte er mir nicht nennen, denn er meinte, es wäre sehr gefährlich. Aber ich konnte in seinem Gesicht lesen, dass er die Wahrheit sprach. Er hat mir auch erzählt, die Spanier dächten gar nicht daran, auf ihre schwimmenden Türme zu steigen und das Land wieder zu verlassen. Vor ein paar Tagen haben sie Tepeaca angegriffen und erobert."

„Liegt Tepeaca nicht im Süden von Tlaxcala?", fragte Blaue Eidechse und sein Vater nickte. „Bisher war die Stadt von den Azteken besetzt. Jetzt bringen die Bauern der Region keine Abgaben mehr nach Tenochtitlán. Sie entrichten überhaupt keine Abgaben mehr, denn die Spanier und auch die Tlaxcalteken fordern nichts von ihnen." Kakaobohne grinste seinen Sohn an und Blaue Eidechse war begeistert. Beide wussten genau was das zu bedeuten hatte.

„Noch heute bringe ich die Nachricht nach Amecameca! Schon bald wird sich etwas ändern. Denn warum sollte jetzt noch jemand für die Azteken ins Feld ziehen? Welchen Sinn macht es, für die eigenen Unterdrücker zu kämpfen?", fragte er seinen Vater. Doch der dämpfte seine Erwartungen. 

„Viele Adlige, in den von den Azteken besetzten Städten, halten weiter zu Tenochtitlán. Sie sind vom Schutz der Azteken abhängig. Genau wie hier in Xochimilco gibt es überall im Land verwandtschaftliche Beziehungen zu den Adligen in der Hauptstadt und zudem können sich die meisten Menschen sicher nicht vorstellen, dass die Spanier sich von ihrer schweren Niederlage je wieder vollständig erholen werden. Es wird wohl noch dauern, bis sich die Menschen in großer Zahl auf die Seite der Spanier schlagen."

Blaue Eidechse nickte und grinste. „Mag sein. Aber ich werde dafür sorgen, dass es ein wenig schneller geht."

*

So verbreitete sich die gute Nachricht zwar in Windeseile über das ganze Land, aber es passierte in den ersten Monden nach der großen Schlacht in Tenochtitlán nicht wirklich viel. Ein paar Bauern liefen davon und schlossen sich den Spaniern an, aber der größte Teil hörte auf den eigenen Adel und machte genauso weiter wie bisher.

Der letzte JaguarkriegerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt