Über den Ozean - Teil 15

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An Bord wartete Pedro schon auf seinen unerfahrenen Freund. Er zeigte ihm, wie er seine Rüstung ganz allein sehr schnell anlegen konnte und ließ ihn das Anlegen des Plattenpanzers wieder und wieder üben. Erst als Martín sich mit der Rüstung sicher bewegen konnte, gab Pedro ihm den ersten Fechtunterricht seines Lebens.

Als das Schiff nach einer Woche endlich ablegte, sehnte er sich bereits nach ein wenig Ruhe. Denn sobald Pedro müde wurde oder keine Lust mehr hatte, sprang einer seiner Brüder ein und übernahm den Fechtunterricht. 

Selbst auf dem Acker der Mönche hatte er nicht so sehr geschwitzt wie bei diesem unbarmherzigen Waffentraining. Denn der Degen war nur eine von vielen Waffen, an denen die Brüder ihn ausbildeten.

Inzwischen konnte er recht gut mit der leichten Klinge des Degens umgehen, Schläge mit dem Schild parieren und auch mit dem Langschwert austeilen. Mit der Hellebarde übte er ebenso wie mit der Lanze, auch wenn die Seeleute hin und wieder fluchten, weil die langen Waffen ihnen gefährlich nah kamen. 

Tag ein, Tag aus war es an Bord der gleiche Trott. Jeden Tag ging die Sonne auf, sie fuhren immer in die gleiche Richtung und doch erschien es Martín, dass sie überhaupt nicht vom Fleck gekommen waren. Bewegten sie sich überhaupt? Doch dann fiel ihm sein Wanderstock ein. Schnell lief er in die Kajüte, holte den Stock und warf ihn am Bug des Schiffes über Bord.

Mit einem Lächeln im Gesicht lief er neben dem Stock her, bis an das hintere Ende des Schiffes, wo sich die Aufbauten und die Brücke befanden. Er war sogar recht schnell neben dem Stock hergelaufen, aber am Ende war das Schiff dann doch schneller und schließlich verlor er den Stock aus den Augen. Sie bewegten sich also doch und irgendwann würden sie in Indien ankommen. Gerade wollte er sich seinem Traum von Abenteuern und nackten Mädchen hingeben, als Hernando ihm in die Seite stieß.

„Wir haben nicht mehr viel Zeit und du hast noch eine Menge zu lernen."

Mit einem Seufzer nickte der ehemalige Mönch und zog seinen Degen. Doch als er schon glaubte, endlich einmal gegen einen der Brüder bestehen zu können, bekam der Hilfe von seinem ältesten Bruder Pedro. Gemeinsam zwangen sie ihn in die Defensive und als auch noch Jorge eingriff, war es um Martín geschehen. Er musste einen Treffer nach dem anderen einstecken.
„Drei gegen einen ist nicht fair!", beschwerte er sich, aber die Brüder hielten sich wieder einmal die Bäuche vor Lachen. Das machten sie immer, wenn er etwas sehr Dummes sagte.

„Denkst du wirklich, dass es auf dem Schlachtfeld fair zu geht?", fragte Pedro und schlug ihm mit der flachen Seite seiner Klinge freundschaftlich auf den Hintern. Seine Pluderhose war ihre bevorzugte Trefferfläche, denn sie war nicht vollständig von der Rüstung verdeckt. Beinschienen wurden nur von Reitern getragen. Wer sich kein Pferd leisten konnte, dessen Beine waren ungeschützt. 

Deshalb war es so manches Mal nur sehr knapp für ihn und sein Gehänge gewesen. Die Hose sah inzwischen schlimm aus. Sie war zerfetzt und bedeckte seine edelsten Teile nur noch notdürftig. Schließlich war er gezwungen, eine seiner Nähnadeln zu benutzen. Mit viel Mühe flickte er die Hose, aber so bald sie auf Kuba waren brauchte er ganz sicher eine neue.

„Am besten machst du dir eine richtige, lange Hose aus Leder, genau wie wir", meinte Gonzalo und hob seine Rüstung hinten ein wenig an, sodass ihr Freund die Hose aus dickem Rindsleder besser sehen konnte.

„Wieso?", fragte Pedro und zeigte stolz seine eigene, bunte Pluderhose. „Martíns Hose ist doch todschick! Ein wenig zerschlissen, aber todschick!" 

Gonzalo zog verächtlich die Mundwinkel nach unten.

„Schick ist sie vielleicht, aber vollkommen unbrauchbar, wenn man mehrere Tage in der Wildnis unterwegs ist. Da ist so ein Ding aus festem Rindsleder viel praktischer. Außerdem schützt sie viel besser vor Dornen, Ameisen, Schlangen und Skorpionen."

Der letzte JaguarkriegerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt