Seit ein paar Tagen waren Vargas und die 550 Männer, Frauen und Kinder aus dem Tross von Narváez die Gefangenen der Azteken. Jeden Tag trieben die Krieger die Kubaner und ihre spanischen Begleiter an und jeden Tag legten sie in einem neuen Gewaltmarsch eine große Strecke zurück.
Doch heute konnte sich Sebastian, ein schwarzer Sklave aus Afrika, nicht mehr erheben. Er fühlte sich krank, fiebrig und sehr schwach. An Bord des Schiffes hatte er ganz allein den an den Pocken erkrankten Sohn eines spanischen Adligen gepflegt.
Niemand durfte in die Kabine hinein und niemand hinaus und tatsächlich hatte sein Patient sich wieder erholt. Zum Dank hatte der Vater des jungen Mannes Sebastian eine sehr schöne Decke geschenkt, aber jetzt vermutete er, dass er sich selbst bei dem Jungen mit den Pocken angesteckt hatte.
Mit schrecklichem Durst lag er in seine neue Decke gewickelt da, zitterte am ganzen Körper und war nicht in der Lage aufzustehen. Wenn er aber nicht aufstand, dann würden die Azteken ihn töten. Auf ihrem Weg hatte er zweimal gesehen, dass sie niemanden lebend zurückließen.
Sie hackten die Leute einfach mit ihren Holzschwertern in Stücke. Die Angst hatte ihn gepackt und so zwang er sich in die Bauchlage. Er wollte sich erheben, aber es war vollkommen zwecklos. Seine rasenden Kopfschmerzen und das Fieber waren so stark, dass er nicht auf die Beine kam. Zudem musste er sich jetzt auch noch übergeben, obwohl er gar nichts im Magen hatte.
Einer der Azteken sah, wie dreckig es ihm ging und kam mit einem Grinsen im Gesicht näher. Interessiert schaute er dem schwarzen Mann eine Weile zu, wie er sich im Fieber wand und wie er zitterte. Doch dann war es Zeit für den Aufbruch und dieser komische schwarze Kerl konnte nicht weiter.
Eigentlich hätte er ihn jetzt mit seinem Obsidianschwert erschlagen müssen. Aber aus irgendeinem Grund wollte er das nicht. Sein Obsidianschwert war ganz neu und dieser Mann sah so anders aus. Er war so schwarz und er hatte überall diese ekeligen Blasen im Gesicht und auf den Armen.
Irgendetwas hinderte ihn daran, sein neues Obsidianschwert mit dem Blut dieses Mannes zu beschmutzen. So wie der aussah, würde er diesen Tag ohnehin nicht überleben. Er musste ihn also gar nicht umbringen. Aber der Schwarze hatte eine sehr schöne Decke mit einem herrlichen Muster.
Eine solche Decke hatte der Krieger noch nie gesehen. Er trat einen Schritt näher und sah sich die Decke genauer an. Die war wirklich sehr schön! Ein habgieriges Funkeln trat in seine Augen. Mit einem Ruck riss er dem Todkranken die Decke weg und folgte dem Tross der Gefangenen und seinen Kameraden. In Tenochtitlán kannte er ein Mädchen und die wollte er mit diesem schönen Geschenk beeindrucken. So etwas Herrliches hatte auch sie ganz bestimmt noch nicht gesehen.
Nachdem die Azteken ihn zurückgelassen hatten, schleppte Sebastian sich auf allen vieren weiter. Aber er hatte keine Ahnung, wohin er sich wenden sollte und als er kraftlos einen kleinen Hügel hinunterrollte, blieb er abseits des Weges im hohen Gras liegen. Er konnte einfach nicht mehr weiter kriechen.
Das Pochen in seinem Kopf war unerträglich. Doch noch viel schlimmer waren die Schmerzen an seinem Körper. Überall hatten sich jetzt diese Blasen auf seiner Haut gebildet und die brannten wie Feuer. Dicht an dicht bedeckten sie seine Haut. Egal ob an Brust oder Rücken, sie waren überall. Er konnte nicht liegen, aber auch nicht sitzen oder gar stehen. Jede Bewegung tat ihm weh und selbst wenn er sich nicht bewegte, brachten ihn die Schmerzen fast um.
Sogar im Schlaf quälte ihn der Schmerz und holte ihn alle paar Sekunden zurück in die Wirklichkeit. Den ganzen Tag und die folgende Nacht befand er sich irgendwo zwischen Wachen und fiebrigen Träumen. Am folgenden Tag lag er immer noch so da, doch bereits am Vormittag wurde es unerträglich heiß und langsam quälte ihn der Durst.
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Der letzte Jaguarkrieger
Historical FictionBevor die Spanier Mittelamerika betraten, waren die Azteken die beherrschende Macht auf dem Kontinent. Niemand konnte ihnen das Wasser reichen. Doch ihre Macht beruhte auf Gewalt und Terror. Die unterworfenen und geknechteten Völker warteten sehnsüc...