Ankunft in Tenochtitlán - Teil 40

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Die ganze Stadt Iztapalapa gehörte dem Getrockneten Kot und neben seinem eigenen Palast besaß er noch einen weiteren für Gäste, denn er protzte gern mit dem, was er hatte. Alle Spanier mitsamt ihren Kanonen und Pferden fanden darin Platz. Nur die 2000 Tlaxcalteken mussten vor der Stadt lagern. Diese wilden Krieger wollte Getrockneter Kot dann doch nicht in seiner Stadt haben.

Er ließ Wachen vor der Stadt aufmarschieren und trennte die Spanier so gut es ging von den Tlaxcalteken. Aber die Nacht blieb vollkommen ruhig. Cacama, der Fürst von Texcoco und Getrockneter Kot leerten zusammen mit Cortés zwei Flaschen Wein. Sie waren sehr angetan von diesem Getränk und der einnehmenden Persönlichkeit von Cortés.

Natürlich versuchten sie ihn auszuhorchen und mehr über seine Pläne zu erfahren. Aber das war gar nicht so einfach, denn zwischen ihnen stand Malinche und diese Frau hatte einen messerscharfen Verstand.

Selbst wenn Cortés einmal etwas Unbedachtes sagte, gab sie den beiden Fürsten ihre ganz eigene Übersetzung seiner Worte und entschärfte einfach den Inhalt des Gesagten. Martín war für den Wein verantwortlich und verstand so gut wie jedes Wort. Auch er hätte an diesem Abend dolmetschen können. Doch Malinche verstand sehr viel besser die Denkweise der Indianer und er bewunderte ihre Klugheit.

Es war unglaublich, wie geschickt sie gefährliche Klippen umschiffte und wie sie den Fragen der Fürsten ihre eigenen Ansichten hinzufügte und Cortés erklärte, mit welcher Absicht die Fragen gestellt wurden. Sie hielt ihre Hand über ihn und wachte über ihn, als wäre sie seine Mutter.

So erfuhren die Fürsten so gut wie gar nichts über ihn. Er wusste aber nach kurzer Zeit, dass Cacama und Getrockneter Kot sich nicht ausstehen konnten und dass beide nach der Federkrone des Kaisers der Azteken schielten. Getrockneter Kot hatte vermutlich die größeren Chancen und lauerte nur darauf, Moctezuma zu beerben.

All das hätte Cortés von Martín nicht erfahren, wenn er heute übersetzt hätte. Er wunderte sich, woher sie all diese Informationen nahm. Sie war ja keine gebürtige Aztekin, sie sprach nur Nahuatl. Doch seit sie in diesem Land waren, hatte sie sich ein großes Netz mit vielen Spionen aufgebaut.

Darunter waren nicht nur Totonaken und Tlaxcalteken, sondern auch viele Menschen aus den unterdrückten Städten schickten ihr Botschaften. Sogar viele von den Azteken unterworfene Fürsten standen in einer ständigen Korrespondenz mit ihr. Dafür hatte sie sich sogar zwei tlaxcaltekische Schreiber zugelegt, die nichts anderes zu tun hatten, als ihre Post zu bewältigen. 

Sie war die Spinne im Netz, die über alles und jeden Bescheid wusste. Sie zog die Fäden und alle tanzten nach ihrer Pfeife. Hinter Cortés war sie zur mächtigsten Person aufgestiegen und selbst Pedro de Alvarado konnte ihr nicht mehr das Wasser reichen, auch wenn er selbst das natürlich ganz anders sah.

*

Wenn der Getrocknete Kot vorgehabt hätte die Fremden anzugreifen, dann hätten weder die Spanier noch die Tlaxcalteken diese Nacht überlebt. Dessen war er sich vollkommen sicher. Aber Moctezuma hatte verboten sie anzugreifen und das war ihm nur recht. Sein Tag würde schon bald kommen. Deshalb wollte er nicht vorschnell handeln und sich so seine Chancen auf den Thron selbst verbauen.

Zudem, was hätte er denn gewonnen, wenn er die Spanier gegen den Befehl des Großen Sprechers angegriffen hätte? Moctezuma hätte ihn hinterher gerügt und vielleicht sogar bestraft, aber er wäre auch danach auf seinem Thron geblieben.

Ließ er die Spanier aber unbehelligt nach Tenochtitlán ziehen, dann würden sie diesen unfähigen Dummkopf von seinem Thron stoßen, so wie die Wahrsagerin es ihm prophezeit hatte. Dann musste das Volk nach ihm rufen.

Aus diesem Grund hatte er sich auch nicht gerührt, als die Spanier Cholula züchtigten. Hätte er sie dort bekämpft, dann hätte er zusehen müssen, wie Moctezuma für immer auf dem Thron sitzen blieb. Nur wenn die Spanier Tenochtitlán betraten, konnten sie Moctezuma vom Thron stoßen. Nur dann würde ihm das Reich wie eine reife Frucht in die Hand fallen.

Der letzte JaguarkriegerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt