Kapitel 38

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Kapitel 38 :

Eine Woche war nun seit dem Unfall vergangen. Sie war immer noch bewusstlos, aber sie stand nicht unter Lebensgefahr. Als ich von dem Unfall erfahren hatte fuhr ich sofort ins Krankenhaus. Und dann begann die lange Zeit des Wartens.
Man hatte Cemre in ein künstliches Koma versetzt, damit ihr Körper sich von den Verletzungen erholen konnte, ohne dass sie unnötige Schmerzen litt.
Meine Gedanken waren in einer Endlosschleife gefangen. Immer und immer wieder sah ich die schrecklichen Bilder vor mir, wie die Ärzte sie in den Operationssaal trugen. Blutverschmiert holten sie sie aus der Rettung. Ich fühlte nur noch Angst. Angst und Schuldgefühle. Ich hätte sie abholen müssen, dann wäre sowas nicht passiert. Alle Gedanken hatte ich ausgeblendet, nur noch Cemre war in meinem Kopf. Sie hatte zu viel Blut verloren und wäre fast zu spät gekommen. Wir hatten Glück, sagten die Ärzte. Was würde ich machen wenn ich sie verlieren würde? Allein der Gedanke daran, bringt mich innerlich um.

Ich war gerade in ihrem Zimmer und hatte mein Kinn auf den Rand ihres Kopfkissens gelegt. Seit Stunden saß ich so da und beobachtete sie. Vor einigen Stunden hatten die Ärzte die Medikamente abgesetzt, die für das künstliche Koma verantwortlich waren. Sie müsste jeden Moment aufwachen.
Es war sehr schmerzhaft sie so daliegen zu sehen. Sie lag so zerbrechlich da wie eine Porzellanpuppe. Wunderschön, aber zerbrechlich. Mit jeder Minute die verstrich wurde die Angst schlimmer.

Mert: Cemre, du musst aufwachen. Komm zu mir zurück. (flüsterte ich)

Behutsam hob ich meine Hand und strich leicht über ihre Wange. Langsam flatterten ihre Augenlider. Pure Erleichterung und Freude erfüllte mein Inneres.

Mert: Cemre. (flüsterte ich)

Sie schien mich noch nicht hören zu können. Einige Minuten später schlug sie ihre Augen ganz auf und blinzelte in das helle Neonlicht, das von der Decke auf sie herab strahlte. Sie sah so schrecklich blass aus in dem Licht. Ich spürte einen stechenden Schmerz im Herzen, sie so zu sehen war unerträglich für mich. Noch ganz benommen hob sie ihre Hand und wollte den Beatmungsschlauch runter reißen.

Mert : Nein, auf keinen Fall. (ermahnte ich sie)

Sanft griff ich nach ihrer Hand und hielt sie fest. Sie drehte ihren Kopf ein wenig zur Seite und schaute mich an. Ein Lächeln erhellte ihr Gesicht.

Cemre: Mert ? (fragte sie leise)
Mert: Ich bin hier, mein Engel. (flüsterte ich)

Ich gab ihr kleine Küsse auf die Hand und zuletzt einen auf ihre Stirn.

Cemre: Was ist passiert?

Ihre Augen wirkten noch leicht benommen. Diese einfache Frage sorgte wieder dafür, dass man Herz zu brennen begann. Die Flutwelle der Erinnerungen überrollte mich.

Mert: Du wärst fast zu spät gekommen. Es hätte zu spät sein können. (flüsterte ich gequält)

Sie streckte ihre Hand nach mir und zog mich an meinem Nacken runter zu sich, sodass sie mir einen Kuss auf die Wange geben konnte.

Cemre: Es tut mir so leid. (sagte sie leise)
Mert: Was tut dir leid? (fragte ich verwirrt)

Sie senkte ihren Kopf und spielte mit ihren Fingern. Mit meinem Daumen hob ich ihr Kinn und schaute in ihre Augen.

Cemre: Nur wegen mir geht's dir so schlecht. Es war so dumm von mir, ich hätte mich an die Regeln halten sollen. (flüsterte sie)
Mert: Das hättest du wirklich machen soll, aber es gibt eine andere Sache für die du dich entschuldigen musst.

Sie schaute mich sowohl traurig als auch verwirrt an.

Mert: Dafür das du mich fast für immer verlassen hättest. (sagte ich leise)

Ihre Augen füllten sie mit Tränen, die ich sofort wegwischte als sie runter flossen. Sie schlang ihre Arme um meinen Nacken und fing an zu weinen. Mehrmals strich ich über ihre Haare und gab ihr kleine Küsse darauf. Sofort fühlte ich mich wieder schlecht. Ich durfte ihr keine Vorwürfe machen, sie litt auch so schon große Schmerzen.

Mert: Ssht, meleğim ağlama. Nolursun ağlama. (Mein Engel,wein nicht. Bitte weine nicht.)

Langsam löste sie sich von mir und wir schauten uns tief in die Augen. Ich streichelte beruhigend mit einem Daumen über ihre Wange, als ich ihr Gesicht immer näher an meins heranzog. Die Sehnsucht, das Verlangen das sich in der letzten Woche angesammelt hatte war so groß, dass es keinen Platz mehr in meinem Herzen hatte. Als ich nur noch kurz davor war ihre Lippen zu treffen hauchte ich ein ‚Ich liebe dich.'

War mein Verstand noch da? Ich suchte in jeder Ecke meines Kopfes, doch ich fand es nirgendwo. In meinen Gedanken war kein Platz mehr für Verstand. Warm und sanft lagen ihre Lippen auf meinen. Die Schmetterlingsschwärme versuchten aus meinem Bauch zu fliehen, Hitze schoss durch allen Stellen meiner Haut gleichzeitig, in jeden noch so kleinen Winkel meines Körpers und verbrannte jeden Zweifel und jede Vernunft.
In der Sekunde in der sie schwer ausatmete hauchte ich unzählig kleine Küsse auf ihre Unterlippe. Kleine Blitze lieferten sich ein Wettrennen auf meiner Haut.

Wir lösten uns erst als eine Krankenschwester reinkam. Als sie uns so sah lächelte sie uns entschuldigend an woraufhin Cemre beschämt auf ihre Hände schaute. Ihre Wangen bekamen eine satte rote Farbe, die man sonst nie sah aufgrund ihrer gebräunten Haut, doch da sie jetzt blasser war konnte man es deutlich erkennen. Ein Grinsen bildete sich auf meinem Gesicht. Ich liebte jede Seite an ihr. Ihre sture Seite, ihre liebevolle Seite, ihre zickige Seite und genau wie jetzt ihre zurückhaltende Seite. Alles an ihr gab mir meine Lebenskraft. Sie gab mir meine Lebenskraft.

Eine weitere Woche verstrich. Sie wurde bereits entlassen. Ihren Vater wollte sie nicht informieren, da sie nicht wollte, dass er sich Sorgen macht. Sie lag gerade im Bett und ich stand in der Küche und versuchte ihr eine Suppe zu kochen. Kochen war eindeutig nicht meine Stärke.

Mert: Okey, diesesmal hab ich es geschafft. (redete ich mir ein)

Doch als ich einen Löffel davon probierte, spuckte ich es sofort wieder aus. Eine Überdosis an Salz wollte ich ihr eigentlich nicht überreichen. Ich trank einige Schlucke um den grässlichen Geschmack loszuwerden. Als ich all meine Hoffnung verloren hatte, wärmte ich einfach eine Dosensuppe in der Mikrowelle.
Alles was sie brauchte hatte ich auf ein Tablett gelegt. Eine Schüssel Suppe, Wasser Brot und eine weiße Tulpe. Sie mochte Rosen nie, aber Tulpen waren ihre Lieblingsblumen. Ich hatte extra eine Weiße ausgesucht. Weiß ist die Farbe der Schönheit und Reinheit. Genau wie Cemre, sie ist wunderschön und so rein. So rein das ich mich manchmal dreckig neben ihr fühlte.
Vorsichtig ging ich die Treppen hoch in ihr Zimmer. Sie lag in ihrem Bett und starrte die Decke an. Als sie mich bemerkte fing sie an zu grinsen und steckte mich damit an. Ich setzte mich neben sie und legte das Tablett auf meinen Schoß.

Mert: Was lachst du, du Hexe?
Cemre: Der Mann in der Küche, so gefällst du mir. (sagte sie lachend)
Mert: Cadı. (Hexe) (grinste ich)

Als Antwort streckte sie mir die Zunge raus.

Mert: Mund auf, das Flugzeug kommt. (lachte ich)

Sie machte ihren Mund auf und schnitt dabei eine witzige Grimasse, woraufhin ich lachen musste. Grinsend fing ich an sie zu füttern. Jeden Tag wurde mir immer mehr klar, dass es in meiner Welt nichts wichtiger gab als Cemre. Auf alles könnte ich verzichten, nur nicht auf sie. Sie war meine ganz persönliche Droge.

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Wie es das Schicksal willWo Geschichten leben. Entdecke jetzt