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Aaron war auf dem Weg in den Keller seiner Burg. Vor einem nur selten genutzten Raum blieb er stehen. Dimitri wartete bereits auf ihn. Mit finsterer Mine blickte Aaron durch das kleine Fenster in der Türe. „Ist alles bereit, Dimitri?"
Dieser neigte nur bestätigend den Kopf.
Im Inneren der Folterkammer  - denn vor keinem anderen Raum war Aaron zum Stehen gekommen- legte Gregori gerade die letzten Werkzeuge zurecht, ohne sich dabei um den wütend schimpfenden Mann zu kümmern, der in der Mitte des Raumes an einen Pfahl gebunden war. „Wo habt ihr ihn gefunden?" hakte Aaron nach und beobachtete den Mann weiterhin durch das kleine Fenster. Der Mann schien nicht zu wissen, wo und in welcher Lage er sich befand, denn er zeterte immer weiter und verlangte, freigelassen zu werden. Gregori ließ sich von dem Gezeter jedoch nicht aus der Ruhe bringen und ignorierte den Mann schlicht. Dieser würde noch früh genug seine Situation begreifen. Keiner aus der Garde empfand auch nur die geringste Sympathie für den Mann und jeder von ihnen hätte ihm am liebsten sofort eigenständig das Genick gebrochen, doch die Befehle des Königs lauteten anders. Andererseits waren sie sich auch einig, dass ein schneller Tod viel zu sanft für diesen Mann wäre. War er es doch gewesen, der Finya großes Leid zugefügt hatte. Und was Finya anging, hatte jeder der Männer aus der Garde des Königs eine ganz besondere Meinung. Obwohl sie nur ein Mensch, nur eine Sklavin war, wurde sie von ihnen respektiert. Jeder von ihnen würde ohne zu zögern für sie einstehen, denn sie war etwas Besonderes. Und das nicht nur für ihren König, der seit Finya viel ausgeglichener war. Sie scheuten sich nicht einmal, Finya gegenüber ihrem Herren in Schutz zu nehmen, wenn er in ihren Augen zu streng mit der jungen, unerfahrenen Sklavin war. Da sie sich jedoch davor hüteten, dies vor Finya zu tun, konnte diese nur ahnen, wie tief der Respekt der Garde ihr gegenüber war.
„Wir haben ihn in einem Wirtshaus nahe der Grenze gefunden. Sturzbetrunken. Doch inzwischen sollte er wieder nüchtern sein." Dimitri griff nach der Türe und öffnete sie.    
Der Raum war schwach beleuchtet, gerade stark genug, dass der Gefesselte alles erkennen konnte. Als Aaron vor ihm stehen blieb, richtete der Mann sich auf und blitzte den König wütend an. „Lass mich gehen. Ich habe nichts getan."
In nächsten Moment flog sein Kopf zur Seite, als Aaron ihm ins Gesicht schlug. „Versuch es noch einmal." Die Stimme des Königs klang bedrohlich sanft, doch der Mann schien das nicht zu merken. „Ich habe mächtige Freunde. Also lass mich frei." forderte er erneut.
Im nächsten Augenblick flog sein Kopf zur anderen Seite und er spuckte Blut. „Hol mir Finya her, Kjell" sprach Aaron in den Raum hinein. Auch ohne hinzusehen wusste er, dass seine gesamte Garde, versteckt in den Schatten und Nischen, in diesem Raum war.  Innerlich schmunzelte er. Keiner von ihnen würde sich das hier entgehen lassen. Jeder von ihnen wollte diesen Mann leiden sehen.
Kjell löste sich aus den Schatten und verließ den Raum.
Zielstrebig lief er in den Garten, wo er das Mädchen vermutete, und rief nach ihr. Seit sie offiziell in den persönlichen Diensten des Königs stand, hatte sie nur noch wenig andere Aufgaben und somit mehr freie Zeit, als andere Sklaven. Kurz darauf tauchte Finya hinter einem Gebüsch auf und verneigte sich vor Kjell. "Der König verlangt nach deiner Anwesenheit." erklärte er. Finya nickte. „Dann mache ich mich sogleich auf den Weg." Kurz prüfte sie den Stand der Sonne, nickte dann leicht. Ihr Herr müsste sich gerade in seiner Bibliothek aufhalten. Sie wollte gerade losgehen, als Kjell sie  aufhielt. „Ich bringe dich zu ihm. Komm mit."
Verwundert folgte Finya dem stets fröhlichen Kjell. Als es jedoch die Treppen in Richtung Keller hinabging, wurde sie sichtlich langsamer. Sie hasste Keller. Tief durchatmend ging sie weiter, bis sie Dimitri vor einer Türe stehen sah. Dieser zog Finya sacht am Arm zu sich. „Vertraue deinem Herren und sprich nur, wenn er dich dazu auffordert."
Verwirrt nickte Finya. Kaum, dass Dimitri jedoch die Türe öffnete, wich sie einen Schritt zurück. In der Mitte des Raumes stand ihr personifizierter Albtraum. Zitternd wich sie einen weiteren Schritt zurück, bis Dimitris Hand in ihrem Rücken sie stoppte. „Geh zu deinem Herren" forderte er sie sanft, aber bestimmt auf. Finya atmete tief durch und betrat dann den dämmrigen Raum, der so viele negative Erinnerungen in ihr wach rief. Ein letztes Mal atmete sie tief durch und sank dann neben ihrem Herren auf die Knie. „Ach da ist ja mein kleines Mädchen. Hast du also endlich gelernt, wo dein Platz ist?" Der gefesselte Mann blickte auf sie hinab und lachte hämisch. Er schien den Ernst der Lage noch immer nicht verstanden zu haben.
Besitzergreifend legte Aaron seine Hand auf Finyas Schulter. „Steh auf" forderte er sie auf.
„Finya" sprach er sie dann an. „Kennst du diesen Mann?"
„Ja, Herr. Das ist Haruto, mein Stiefvater."
Aaron nickte zufrieden. Noch immer lag seine Hand fest auf Finyas Schulter. Aaron sah, wie Wut in seiner jungen Sklavin aufkeimte und sie den Mann hasserfüllt ansah.
„Welche Position hatte er in deinem Dorf inne?" fragte Aaron weiter. „Er war der Dorfvorsteher, Herr." Erneut nickte Aaron.
„Also hat er die Belange des Dorfes nach außen vertreten und ist für alles verantwortlich, was in deinem Dorf geschehen ist?"
„Ja, Herr." Finyas Stimme war nun ruhig, ihr Blick lag auf ihrem Herren.
„Du sagst, er ist dein Stiefvater...hat er dich als solcher gut behandelt?"
Bevor Finya antworten konnte, straffte sich der Körper des Gefesselten „Du sagst kein Wort mehr, Göre."wütend begann er, nach Finya zu treten.
Aaron hob nur leicht den Kopf. Im gleichen Augenblick, in dem er Finya ein Stück zur Seite schob, zischte bereits der wohldosierte Peitschenhieb Gregoris auf den Rücken des Mannes. Das Hemd des Mannes zerriss und obwohl der Hieb nicht mehr, als einen feinen, roten Striemen hinterließ, brüllte dieser laut auf.
Finya blickte verächtlich zu Haruto. Dieser Mann hatte ihr nicht nur einmal den Rücken blutig geschlagen, doch bei solchen Schlägen hatte sie nie derart erbärmlich geschrien. Er hatte ihr in der Dunkelheit des Kellers alles genommen. Das Einzige, das sie sich hatte bewahren können, war ihr Stolz gewesen. Und sie war nicht bereit gewesen, diesen aufzugeben und ihm die Genugtuung zu geben, ihr Leid laut herauszuschreien. Nur manchmal, wenn er es zu sehr übertrieben hatte, hatten ihre Schreie den Kellerraum erfüllt.  Sie hatte seine Peitsche gefürchtet. Die Peitsche, die Gregori gerade verwendet hatte, wirkte wie ein Spielzeug im Vergleich zu der ihres Stiefvaters. Allein das Öffnen der Kellertür hatte sie jedes Mal aufs Neue in Panik versetzt - ebenso wie die Dunkelheit, wenn er sie wieder alleine ließ und sie alles wieder und wieder in ihren Gedanken durchleben musste.
Aaron wartete, bis die Schreie auf diesen lächerlichen Schlag nachgelassen hatten - und der Schlag WAR lächerlich gewesen, begann bereits jetzt wieder zu verblassen.
„Also nochmal. Hat dich dein Stiefvater gut behandelt?" Finya schüttelte verneinend den Kopf. „Nein, Herr." Sie ahnte, worauf das hier hinauslaufen sollte. „Er hat mich regelmäßig geschlagen und schlimmeres."
Zufrieden nickte Aaron. Erst jetzt löste er seine Hand von Finyas Schulter und trat näher auf Haruto zu."Ist es nicht so, dass du vorher schon Dorfvorsteher in anderen Dörfern warst. Und immer wurden diese Dörfer dann überfallen?"
Haruto sah ihm direkt in die Augen, spuckte ihm vor die Füße. „Imperator Aegir wird mich befreien und mich für meine Dienste belohnen."
Aarons Blick wurde kalt. Sein Blick wanderte zu Gregori. „Fang an."
Er selbst griff Finya an der Schulter und führte sie aus dem Raum. Noch bevor er den Raum verlassen hatte, hörte man ein Zischen und Harutos Schreie setzten erneut ein.
Aaron wirkte zufrieden. Es würde eine lange Nacht werden - zumindest für Haruto. Gregori verstand sein Handwerk. Er wusste, welche Peitsche und welchen Stock er wie einsetzen musste, um größtmögliche Schmerzen zu verursachen und gleichzeitig die Verletzungen so gering zu halten, dass sein Opfer möglichst lange durchhalten konnte.
Finya drehte sich nicht um. Die Schreie ihres ehemaligen Peinigers hallten laut durch die Gemäuer. Als die Kerkertüre hinter ihr ins Schloss fiel, begann sie zu schwanken. Aaron stützte sie. „Du hast dich gut gehalten. Komm."

Finya 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt