58.

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Aaron führte Finya direkt in sein Arbeitszimmer und wies ihr, Platz zu nehmen.
Vor ihm auf dem Tisch lag der Brief, den er im Büro erhalten hatte. Er drehte ihn Finya zu, so dass diese das Wappen sehen konnte.
Finya beugte sich vor, zog, nach einem kurzen, fragenden Blick, den Umschlag näher an sich heran und musterte das Siegel kritisch. Irgendwo hatte sie es bereits einmal gesehen. Schließlich hob sie den Blick und sah ihren Herren direkt an. „Ist das Imperator Aegirs Wappen."
König Aaron nickte zufrieden. „Richtig." Finya schob ihm den Brief wieder zu.
„Er ‚lädt' mich erneut auf sein Schloss ein um mit mir eine Art Friedensvertrag auszuhandeln. Es gefällt mir allerdings nicht, dass er deine Anwesenheit für unabdingbar hält." Vor Wut begann Aaron zu Knurren, als er an den Inhalt des Briefes dachte. „Also werde ich Euch wieder begleiten." stellte Finya fest. „So gerne ich dich an meiner Seite habe...wenn es nach mir ginge, würde ich dich zu Hause lassen."
Finya nickte langsam. „Wann werden wir aufbrechen?" Aaron lächelte. „Deine Zuversicht gefällt mir, meine kleine Sklavin. Ich kann es noch einige Tage hinauszögern, doch spätestens in einer Woche müssen wir aufbrechen." Finya blickte ihn offen an. „Je schneller wir abreisen, desto schneller könnt Ihr es hinter Euch bringen, Hoheit." Erneut lächelte Aaron. Im gefiel es, wie ungezwungen Finya sich ihm gegenüber gab. Und im Grunde hatte sie Recht. „Dann reisen wir in drei Tagen ab. Ich möchte, dass du dich in dieser Zeit verstärkt um Rebecca kümmerst und sie auf deine Abwesenheit vorbereitest. Ich weiß nicht, wann wir zurück sein werden."
„Das werde ich, Hoheit." Aaron nickte  nur. „Gut. Dann lass uns jetzt zu Abend essen. Ich denke, es sollte inzwischen angerichtet sein.
Im Wohnzimmer angekommen, wollte Finya wie üblich neben dem Stuhl ihres Herren in die Knie gehen, wurde aber von Aaron aufgehalten. „Ich sagte: Lass UNS zu Abend essen. Heute möchte ich mit dir gemeinsam speisen." erklärte er amüsiert und nahm selber Platz. Finya blickte sich kurz um und räumte dann die Teller vom Servierwagen an den Tisch, bevor sie selber auf der Stuhlkante  Platz nahm, sich dabei jedoch sichtlich unwohl fühlte.
„Sieh es als Lehrstunde, Finya. Ich habe vor, dich in Zukunft auch zu politischen Empfängen mitzunehmen, bei denen du nicht als meine Sklavin, sondern als meine Begleitung fungieren wirst." Finya schluckte. „Ich weiß nicht, ob ich das kann, Herr." erwiderte sie leise. Aaron konnte sich ein amüsiertes Lachen nicht verkneifen. „Vor gar nicht all zu langer Zeit standest du vor Dimitri und hast ihm das Gleiche gesagt. Nur, dass es damals darum ging, mir als Sklavin zu dienen."
Finya lächelte verlegen. Sie wartete, bis ihr Herr zu Essen begann, bevor sie ebenfalls etwas aß.
Später am Abend saßen Aaron und Finya gemeinsam vor dem Kamin. Unvermittelt wandte sich Aaron an seine Sklavin. „Könntest du mein Schlafzimmer für die Nacht richten? Die Sklavin, die das sonst übernimmt, fällt leider bis auf weiteres aus."
„Natürlich, Herr. Soll ich es die nächsten Tage auch übernehmen?"
Aaron blickte sie nachdenklich an. „Warum eigentlich nicht. Du bist mir näher, als es je eine Sklavin gewesen ist. Es ist nur logisch, wenn du dich um mein Schlafzimmer kümmerst. Aber lass dir morgen von Dimitri zeigen, wie es leichter geht." Finya nickte lächelnd und betrat das Schlafzimmer ihres Herren. Der Tag war gut  gewesen - trotz des schmerzhaften Bisses. Es war sogar der beste Tag seit Jahren gewesen. Ihr Herr hatte ihr wirklich viel gegeben an diesem Tag. Sie gab ihm gerne und freiwillig etwas zurück.
Finya trat auf das große Bett zu und schlug die Decke zurück. Dann schloss sie die Fenster, zog die Vorhänge zu und verließ den Raum. „Ich bin fertig, Herr."

Am nächsten Morgen wachte Finya schon früh auf. Die Türe zum Arbeitszimmer war geschlossen. Anscheinend war König Aaron bereits am Arbeiten.
Finya fühlte sich so erholt, wie schon lange nicht mehr. Sie war glücklich und zufrieden wie schon lange nicht mehr. Kurz wanderte ihr Blick zur Terrasse, wo das Frühstück bereit stand, doch zuerst wollte sie ihre neue Aufgabe erledigen. Finya wollte gerade das Schlafzimmer ihres Herren betreten, als Dimitri den Raum betrat.
Finya lächelte ihn freundlich an. „Guten Morgen, Dimitri. Gut, dass Ihr kommt." grüßte sie ihn gut gelaunt. „Guten Morgen, Finya." erwiderte er den Gruß. „Wie kann ich dir helfen?"
„Der König...." Finya stockte und senkte kurz verlegen den Blick. „Mein Herr möchte, dass ich in Zukunft sein Schlafzimmer richte. Er meinte, ich soll Euch fragen, damit Ihr mir zeigt, wie es leichter geht..." erklärte sie dann.
Dimitri schmunzelte. Sehr wohl war ihm ihr kurzes Stocken aufgefallen. Auf einmal richtete er den Blick auf etwas hinter Finya. „Guten Morgen, Hoheit." grüßte er dann den König.
Sofort drehte sich Finya um und sank auf die Knie. „Guten Morgen, Herr." grüßte sie ihn dann leicht zerknirscht. Wie lange stand ihr Herr dort schon? Hatte er mitbekommen, dass sie ihn Dimitri gegenüber nicht korrekt angesprochen hatte?
Aaron trat auf seine Sklavin zu und strich ihr sanft durchs Haar. „Steh auf, Finya." forderte er sie dann auf. „Ich hatte dir doch gesagt, du musst das hier in diesen Räumen nicht mehr tun..." „...aber doch nur, wenn wir unter uns sind, Herr?" erwiderte Finya immer noch leicht zerknirscht, ohne jedoch aufzustehen.
„Das sind wir doch, meine kleine Sklavin" Aaron's Stimme war beinahe liebevoll. Dimitri schmunzelte, als Finya irritiert den Kopf hob, ihr Blick kurz zu ihm zuckte. „Finya" erklärte Aaron.  „Meine Garde steht mir so nahe wie sonst keiner. Außer dir natürlich." Finyas Augen wurden groß. Hatte er sie gerade tatsächlich auf eine Stufe mit seiner Garde gestellt? „Wenn einer von ihnen anwesend ist, ist es genauso, als ob wir unter uns wären. Und jetzt steh auf." beendete er seine Erklärung. Finya erhob sich und verneigte sich respektvoll vor Aaron.
„Dann komm, Finya." ergriff Dimitri das Wort und ging mit ihr in das Schlafzimmer.
Mit geübten Griffen zog Dimitri die Vorhänge auf und öffnete die Fenster. Dann trat er ans Bett und zeigte ihr, wie sie die Kissen aufschütteln musste.
„Dimitri?" setzte Finya an und schüttelte das zweite Kissen auf. „Ja, Finya?"
„Woher könnt Ihr das alles? Also ich meine....Ihr seid eine Wache. Das gehört doch nicht wirklich zu Euren Aufgaben....?"
Dimitri schmunzelte, während er das nächste Kissen aufschüttelte und Finya zunickte, ebenfalls weiter zu machen. „Wache und im Grunde Mädchen für alles." erklärte er, fuhr dann aber fort, als er Finyas fragenden Blick sah. „Meine Hauptaufgabe ist es, unseren König zu schützen. Aber ich habe noch andere Aufgaben. Wie du wahrscheinlich an dir selbst gemerkt hast, untersteht mir ein Teil der Sklaven. Allerdings nur bestimmte Sklaven." Finya nickte. „König Aaron lässt nur Sklaven sein Schlafzimmer betreten, denen er vertraut. Bisher war das Mia, die sein Vertrauen jedoch verspielt hat. Bevor er Mia hatte, habe ich daher meist diese Aufgabe übernommen. Oder auch, wenn wir auf Reisen sind." erneut nickte Finya, doch ihr Blick war fragend. „Nun frag schon...." forderte Dimitri sie schmunzelnd auf und zeigte ihr, wie sie das Leintuch glatt streichen und feststecken musste. „Was ist mit Mia?" Dimitri lachte. „Ich hatte zwar eher mit einer anderen Frage gerechnet, aber gut....Mia hat versucht zu fliehen. Ich denke, du weißt, wo sie jetzt ist." Finya nickte. „Im Kerker." Dieses Mal war es Dimitri, der nickte. „Und was wird mit ihr geschehen?" „Das wird Aaron entscheiden, wenn wir zurück sind."
Inzwischen hatte Dimitri begonnen, die Decke aufzuschütteln. „Einmal in der Woche musst du die Decke zum Lüften auf den Balkon hängen. Dabei kann ich dir helfen, wenn du dir dabei zu schwer tust." Finya nickte dankend. „Stört es Euch nicht, die Aufgaben von Sklaven zu erledigen?"
Dimitri grinste. „Das ist die Frage, mit der ich eigentlich gerechnet hatte. Stört es dich neben Deinem Herren zu knien, ihm zu dienen oder ihm gar dein Blut zu geben?" Nachdenklich blickte Finya ihn an. „Am Anfang hat es das. Sehr sogar. Aber jetzt....ich diene ihm gerne."
Dimitri nickte zufrieden. „Und mir geht es ebenso. Ich diene ihm gerne und aus Überzeugung. Daher ist es egal, welcher Art die Aufgaben sind, die ich übernehme." Er beobachtete Finya, wie sie die Decke glatt strich, korrigierte ihr Tun, damit sie erkannte, wie sie sich die Aufgabe erleichtern konnte. Zufrieden registrierte er, wie Verständnis über seine Worte in Finyas Augen trat.
„Wir sind hier fertig." erklärte er schließlich.

Aaron saß in seinem Sessel. Dimitri verabschiedete sich mit einem Nicken. Kurz darauf war Finya wieder allein mit ihrem Herren. „Hast du dich gut mit Dimitri unterhalten?" wandte dieser sich an Finya. Finya blickte ihn fragend an. „Euer Gespräch, meine kleine Sklavin...." Aaron schmunzelte. Sein Schmunzeln vertiefte sich noch, als er sah, wie seine Sklavin verlegen wurde. „Ihr...habt das gehört?" Aaron nickte nur. „Jedes Wort. Vampire haben gute Ohren." Finya schluckte leicht. „Als du im Kerker warst...." sofort verkrampfte sich Finya bei der Erinnerung. „Wenn ich darauf geachtet habe, konnte ich dein Weinen bis hier oben hören." Finyas Augen weiteten sich. Dieses Mal jedoch vor Erstaunen. „Ich höre alles in dieser Burg, wenn ich will. Aber genauso habe ich gelernt, meine Ohren zu verschließen und für den Moment unwichtiges auszublenden." Finya nickte.
„Und jetzt lass uns frühstücken." forderte Aaron sie auf und ließ sie voran auf den Balkon gehen.

Finya 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt