Aaron erstarrte regelrecht. Keinen Wimpernschlag später packte er David jedoch an der Kehle. „Also hat Imperator Aegir dich geschickt." „Ja Hoheit." brachte David hervor und holte mühsam Luft.
„Müsstest du dem Imperator nicht treu ergeben sein, wenn er dich auf so eine Mission schickt?" Aaron drückte die Kehle des anderen Vampirs noch fester zu. „In welche Falle willst du mich gerade locken?
Welche Lügengeschichten willst du mir auftischen? Ich dachte mir gleich, dass du ZU kooperativ bist." Aaron's Augen blitzten David wütend entgegen. „Diese ganzen Geschichten, die du erzählst...Wenn ich eines nicht leiden kann, sind es Lügen. Du tätest besser daran die Wahrheit zu erzählen."
Abrupt ließ er David los, der erst einmal heftig husten musste. „Ich habe die Wahrheit gesagt, Hoheit. Ich hasse den Imperator und wünsche mir nichts sehnlicher als seinen Tod."
Kalt blickte Aaron auf den Spion. Deutlich sah er das Feuer der Leidenschaft, des Hasses, in seinen Augen brennen. Gut möglich, dass er doch die Wahrheit sprach. Sein Blick wanderte fragend zu Dimitri. Dieser nickte ihm leicht zu, war also wohl der gleichen Meinung.
Dennoch knurrte Aaron leicht und wandte sich an Gregori. „Mach ihn los und gib ihm Blut. Wenn nötig, misch Noxanum hinein." Aaron atmete durch und musterte Jonas „Du begleitest ihn und wirst ihn unterstützen. In spätestens einer Stunde will ich den Mann nebenan im Verhörraum sehen. Tut, was immer nötig ist, damit er vernehmungsfähig ist. Ihr anderen kommt mit mir mit."
Noch bevor Jonas etwas erwidern konnte, war der König bereits verschwunden. Kurz darauf verschwand auch der Rest der Garde.
Gregori trat neben Jonas und blickte auf David, der reglos und mit gesenktem Kopf in seinen Ketten am Pfahl stand.
„Ich denke nicht, dass er uns Probleme bereiten wird. Du kannst ihn losmachen."
Jonas nickte und lockerte die Kette, bis Davids Arme auf Brusthöhe waren. Dann löste er zunächst das Seil, dann die Silberfesseln von seinen Handgelenken.
Bereits der kurze Kontakt mit dem Silber war zwar unangenehm, konnte ihm aber nichts anhaben. Für den geschwächten David machte es jedoch einen großen Unterschied. Jetzt, wo er nicht mehr zusätzlich durch die Silberketten geschwächt wurde, konnte seine Wunde anfangen zu heilen. Erstaunt registrierte Jonas, dass die Rötung an Davids Handgelenken kaum besser wurde.
Dennoch seufzte David erleichtert auf. Langsam und bedacht hob er unter Gregoris wachsamem Blick die Hände und fuhr sich über den schmerzenden Kopf. Als er dabei an seine Wange stieß, zuckte er sichtlich zusammen.
„Setz dich" forderte Gregori und wies auf einen einfachen Hocker.
Gregori trat an ein Regal und füllte einen einfachen Zinnbecher mit Blut. "Brauchst du etwas gegen die Schmerzen?" David zögerte, schüttelte aber dann den Kopf. Er konnte ein Stöhnen nicht unterdrücken, als bei dieser Bewegung eine neue Schmerzwelle durch seinen Kopf schoss. „Es...geht schon..." erwiderte er dennoch. „Ich will keine Umstände machen." Gierig lag sein Blick auf dem Zinnbecher und seine Nasenflügel blähten sich, als er den Geruch des Blutes einsog.
Gregori blickte ihn sichtlich verstimmt an. „Du kannst kaum den Kopf bewegen. Außerdem will unser König dich vernehmungsfähig haben. Es braucht dich also nicht zu kümmern, ob es Umstände macht."
David senkte ergeben den Kopf. „Dann lautet meine Antwort ja." erwiderte er leise.
Gregori entkorkte eine Flasche, goss einen Schluck der grünen Flüssigkeit in den Becher und reichte ihn David.
Gierig nahm dieser den Becher entgegen und leerte ihn in einem Zug. Er verzog leicht das Gesicht, als sich der bittere Geschmack des Schmerzmittels in seinem Mund ausbreitete.
Einige Zeit später entspannten sich Davids Gesichtszüge. Selbst die Schwellung seiner Wange lies merklich nach.
„Ich denke, wir sind soweit." Gregori nickte Jonas zu. „Sag dem König Bescheid, dann komm wieder hier her."Flankiert von Gregori und Jonas betrat David kurz darauf den Verhörraum. Inzwischen war die Nacht hereingebrochen. Der Raum war in das flackernde Licht einiger Fackeln getaucht.
Nur kurz wanderte Davids Blick durch den kargen Raum, bevor er auf Aaron liegen blieb.
Sichtlich erleichtert atmete David aus. Dieser Raum war lange nicht so furchteinflößend wie der Folterkeller, in dem er bis eben gewesen war.
Lediglich ein Regal mit Fesseln und Ketten säumte die Wand. Ansonsten war der Raum bis auf den Stuhl des Königs an der Stirnseite und einen einfachen Hocker in der Mitte des Raumes leer.
König Aaron saß, gesäumt von seiner Garde, auf einem geschnitzten Lehnstuhl und blickte seinem Gefangenen entgegen.
Langsam ging dieser auf Aaron zu, sank vor ihm auf die Knie und senkte den Kopf. Seine beiden Wachen blieben rechts und links von der Türe stehen.
Eine Weile blickte Aaron schweigend auf den Mann hinab, bis dieser unter seinem Blick unruhig wurde. Zufrieden lehnte Aaron sich zurück. „Du darfst aufstehen."
Leicht nervös stand David schließlich vor seinem Richter. Die Panik, die er noch im anderen Raum ausgestrahlt hatte, war weitestgehend aus seinem Blick verschwunden.
Überrascht registrierte Aaron, dass sie einer Schwermut, fast schon Traurigkeit, gewichen war.
„Also gut. Warum dienst du dem Imperator, wenn du ihn hasst?" richtete Aaron schließlich das Wort an ihn.
„Weil mir keine andere Wahl bleibt, Hoheit." erklärte David. Aaron hob nur fragend die Augenbraue.
„Vor zwei Jahren ließ er mein Dorf überfallen. Die meisten von uns waren bereits geflohen, aber mein Bruder hatte sich den Fuß verstaucht und konnte nicht weiter laufen. Er wollte meinen Bruder mit sich nehmen. Er ist alles, was ich noch habe, Hoheit." fuhr er fort. Davids Stimme zitterte merklich bei der Erinnerung.
„Ich habe mit aller Kraft um ihn gekämpft, war ihm aber natürlich unterlegen. Erst, als er mich gebissen und von mir getrunken hat, habe ich erkannt, was er ist. Aber es war zu spät. Er trank immer weiter und ich wurde immer schwächer. Dann hat er mich gezwungen, sein Blut zu trinken. Irgendwann bin ich in seinem Schloss aufgewacht und habe erkannt, dass er mich verwandelt hat.
Ich war sein Gefangener und konnte mich nicht mit meinem neuen Schicksal abfinden." Deutlich konnte Aaron die Verbitterung in Davids Stimme hören.
„Wochenlang hat er mich gefoltert, um mich zu brechen."
Zögernd schob David seine Ärmel nach hinten, die mit zum Teil verfärbten Narben übersäht waren. „Er hat mir Schnitte zugefügt und Silberpulver hineingestreut. Er hat mich hungern lassen. Aber ich war nicht bereit, nachzugeben.
Irgendwann hat er mich dann in den Kerker geführt. Hinter einer der Zellentüren konnte ich meinen Bruder sehen. Er lag lediglich auf einem Haufen Stroh und war mit Bissen übersäht. Er war damals gerade mal acht Jahre alt. Die ganze Zeit habe ich mich an die Hoffnung geklammert, Aegirs Bruder könnte nach all den Jahren doch noch zurückkehren und den Thron übernehmen. Aber er kam natürlich nie. Ich weiß nicht einmal, ob er nicht nur eine Legende ist."
David atmete tief durch und hob den Blick, den er unbewusst gesenkt hatte. „Aegir stellte mich vor die Wahl. Mein Gehorsam für das Wohlergehen meines Bruders. Seit zwei Jahren diene ich jetzt dem Imperator. Mein Bruder ist nach wie vor sein Gefangener und im Kerker, aber immerhin geht es ihm soweit gut."
Aaron wies auf den Hocker. „Setz dich."
Auch wenn er sich nichts anmerken ließ, war er schockiert über das Verhalten Aegirs. Und er war nicht der einzige in diesem Raum, dem es so ging, denn keiner zweifelte an Davids Worten.
„Was plant der Imperator."
David blickte zu Aaron auf. „Er will Eure Sklavin." erwiderte er dann leicht nervös.
Im nächsten Moment zuckte er zusammen, als Aarons eine Armlehne unter dessen Griff zerbarst. Aarons Augen funkelten rot vor Wut. „Sag das nochmal!"
David begann zu zittern. „Er will Eure Sklavin, Hoheit. Wir sollten die Lage auskundschaften. Bitte, Hoheit, ich..."
„Schweig!" donnerte die Stimme des Königs so kraftvoll durch den Raum, dass sich selbst die Garde anspannte.
Ruckartig wandte sich Aaron zur Seite. „Arvid. Kjell. Ihr geht augenblicklich in meine Gemächer. Ihr lasst Finya keinen Augenblick unbewacht. Sie wird die Räume bis auf weiteres nicht mehr verlassen. Keine Terrasse, kein Garten. Nichts dergleichen."
Arvid und Kjell verneigten sich leicht. Aaron atmete tief durch. „Ich habe sie angewiesen, im Wohnzimmer zu warten. Sagt ihr, sie soll schlafen gehen. Ich rede morgen mit ihr." fügte er dann etwas ruhiger hinzu.
Dann wandte er den Blick wieder kalt zu seinem Gefangenen. „Wie genau will er an sie herankommen?"
„Das hat er mir nicht gesagt, Hoheit. Er vertraut mir nicht. Allerdings scheint er einen Verräter unter Euren Leuten zu haben."
Erneut erfüllte ein Krachen den Raum, als die zweite Armlehne splitterte.
„Erkläre dich." sprach Aaron mühsam beherrscht.
David schluckte. „Es ging los vor einigen Monaten. Aegir sprach immer wieder davon, dass ein gewisser Haruto ihm eine Sklavin schuldig geblieben war. Bald darauf bekam eine der Wachen Besuch von einem entfernten Cousin, der wohl bei Euch arbeitet. Dieser Mann erzählte von Eurer neuen Sklavin. Der Imperator hat sich daraufhin lange mit ihm unterhalten und scheinbar irgendeine Übereinkunft mit ihm getroffen. Ich habe den Mann selbst nie gesehen, habe nur einmal seine Stimme gehört, als er irgend etwas von Eurer Sklavin und Eurem Garten erzählt hat."
Aaron's Augen blitzten erneut auf. „Und was genau war der Auftrag von dir und den beiden Anderen?"
„Wir sollten das Außengelände auskundschaften. Der Imperator wollte wissen, wo Wachen postiert sind, wie viele es sind, wann Ablösung und Kontrollgänge sind und dergleichen mehr."
Aaron nickte leicht. „Fürs Erste habe ich ausreichend Informationen." erklärte er schließlich, bevor er sich an seine Garde wandte. „Dimitri, bring ihn in eines der vergessenen Verließe. Ihr hier seid die einzigen, die den Gefangenen versorgen werdet. Vorerst darf nichts von seiner Anwesenheit bekannt werden. Du, Eric, instruierst die Torwachen, dass sie Stillschweigen bewahren sollen. Ihr anderen setzt Euch an die Dienstpläne.
Prüft, wer im entsprechenden Zeitraum abwesend war. Jonas, Ihr bleibt noch hier."
Zögernd und unsicher sah David zu Dimitri auf, der inzwischen neben ihm stand, beeilte sich dann aber, aufzustehen. Zu gut war ihm noch die erste Begegnung mit diesem Mann in Erinnerung.
Überraschend sanft griff Dimitri nach Davids Arm. „Komm..."
Am Gang öffnete er den Zugang zu einer verborgenen Treppe und führte David in noch tiefer liegende Gewölbe. Schließlich öffnete er eine Türe. „Da hinein..." forderte er ihn auf. Zögernd trat David einen Schritt in die Zelle hinein, drehte sich dann um. „Wie geht es jetzt weiter?"
Dimitri zuckte die Schultern. „Bis auf weiteres bleibst du hier. Dreimal täglich wird jemand nach dir schauen, öfters, falls du dich entscheiden solltest, Ärger zu machen. Sollte der König noch weitere Informationen brauchen wird er dich holen lassen.
David nickte und rieb sich den Kopf. Nach wie vor wirkte er sehr erschöpft. Dimitri blickte ihn nachdenklich an. „Was ist los? Nach dem Blut sollte es dir eigentlich besser gehen..."
David lächelte schief. „Ich glaube, es sind die Silberreste unter meiner Haut, die mich langsamer heilen lassen... Der Imperator hat es immer genossen, mich derart zu bestrafen."
Dimitri schüttelte nur leicht den Kopf. „Ich bringe dir noch etwas Blut."
Kurz darauf war David allein in der Dunkelheit. Die Zelle schien nicht einmal ein Fenster zu haben und David hatte Mühe, mehr als nur Umrisse zu erkennen. Innerlich verfluchte er den Imperator ein weiteres Mal. Jeder andere Vampir würde trotz der Dunkelheit mehr erkennen.Aaron wartete, bis er mit Jonas alleine im Raum war.
„Ihr habt mir heute einen großen Dienst erwiesen. Ihr dürft einen Wunsch äußern. Wenn er angemessen ist, werde ich ihn Euch gewähren."
Sichtlich überrascht blickte Jonas zu Aaron, schien zu überlegen. Dann sank er vor seinem König auf das Knie. „Ich würde gerne wenigstens einmal trainieren dürfen, Hoheit."
Erstaunt sah Aaron auf den knienden Mann. Vieles hatte er erwartet, jedoch nicht diesen Wunsch. „Euer Wunsch ist sehr bescheiden. Ich werde ihn Euch gewähren. Morgen früh vor Sonnenaufgang trainiert meine Garde im Innenhof. Ihr dürft Euch ihnen anschließen."
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Finya 2
VampireBitte zuerst Teil 1 lesen! Finya hat ihren Platz als Sklavin an König Aaron's Seite letztendlich akzeptiert. Dennoch sieht sie sich immer wieder neuen Herausforderungen gegenüber. Wird sie Aaron weiterhin vertrauen oder wird sie doch scheitern?