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Entspannt lehnte sich Aaron zurück, als Jonas den Raum verlassen hatte. Sanft legte er seine Hand auf Finyas Kopf und strich darüber.
Finya schloss ebenso entspannt die Augen. Als Aaron seine Hand über ihre Wange streichen ließ, erschauderte sie leicht und lehnte sich der Berührung entgegen. Aaron lachte leise und ging einen Schritt weiter, indem er mit dem Daumen über Finyas Lippe strich. Überrascht, aber zufrieden hielt er inne, als Finya seinen Finger sacht küsste. „Meine kleine Sklavin..." sprach er fast schon verträumt. „Ich bereue es keinen Tag, dich zu mir geholt zu haben."
Dann löste er seine Hand beinahe abrupt von Finyas Wange. „Komm. Wir gehen in den Garten. Jaro sitzt im Kerker. Damit sollte die Gefahr innerhalb der Burg gebannt sein.
Gemeinsam machten sie sich auf den Weg.
„Hat Jaro eigentlich inzwischen geredet, Herr?"
Aaron schüttelte den Kopf. „Er schweigt beharrlich. Wenn er nicht bald spricht, muss ich zu...anderen... Methoden greifen.
„Und wenn er wirklich nicht mehr weiß?"
Gemeinsam traten sie in den Garten und Aaron zog Finya auf eine Bank, die im Sonnenschein lag.
Trocken lachte er auf. „Vielleicht weiß er keine Details...Aber er sollte wohl wissen, warum er mich verraten hat, was er für den Verrat bekommen hat und was er noch tun soll."
„Das stimmt..." Finya blickte nachdenklich auf den Teich vor sich, auf dem einige bunte Blätter trieben. Der Herbst war ins Land gezogen und bereits jetzt spürte sie, dass es kühler geworden war.
„Und wenn Ihr ihn überrascht, ihn aus dem Konzept bringt? Vielleicht verrät er sich ja dann..."
„Und was könnte ihn derart überraschen?" Neugierig legte Aaron den Kopf schräg.
Finya blickte still auf den Teich, hob dann den Kopf und sah Aaron direkt an. „Ich."
Aaron richtete sich ruckartig auf. Vorbei war seine entspannte Haltung. „Wir bitte?"
„Ich." wiederholte Finya ruhig. „Meine Anwesenheit könnte ihn aus dem Konzept bringen.
Aaron stand ruckartig auf und begann aufgebracht, vor der Bank hin und her zu tigern. „Ich habe dich sehr wohl verstanden, Finya." richtete er das Wort scharf an seine Sklavin. „Aber ich werde dich bestimmt nicht zu ihm lassen."
Finya blickte ihn ruhig an. „Was soll schon geschehen? Er ist im Kerker. Er ist unbewaffnet..."
„Er ist immer noch ein Vampir."
Noch immer ging Aaron unruhig auf und ab, als ihn eine Stimme unterbrach. „Finya hat recht."
Eric war in den Garten getreten und sah seinen König ruhig an. „Und wenn sie tausendmal Recht hat. Ich werde sie nicht dieser Gefahr aussetzen."
Ruhig trat Eric einen Schritt auf ihn zu. „Ihr kann gar nichts passieren. Wir werden alle auf sie aufpassen. Und wenn wir Jonas als Ogun dazu nehmen..."
„Ein Ogun, der bis heute nicht wusste, dass er einer ist. Ein Ogun, der absolut unerfahren ist und seinen eigenen Fähigkeiten nicht traut." fuhr Aaron den Stellvertreter seiner Garde an, doch Eric blieb ruhig. „Ich bin mir sicher, dass er bei Finya instinktiv handeln würde. Er sieht sich nach wie vor tief in ihrer Schuld."
„Nein. Ich werde dem nicht zustimmen." erwiderte der König scharf, doch langsam schien sein Widerstand zu bröckeln.
„Lasst es uns doch einfach ausprobieren..." schlug Finya vor. „Lasst uns schauen, wo er ist. Und dann greift mich einer aus der Garde vermeintlich an."
Eric lachte laut auf. „Eine wirklich gute Idee, Finya." Aaron's Blick verfinsterte sich weiter. „Er ist übrigens gerade im Innenhof. Dimitri hat ihm einige Übungen gegeben, die er alleine machen kann."
Aaron brummte unzufrieden. „Ihr beide werdet mir keine Ruhe lassen, bis ich zustimme..."
„Nein." Eric schüttelte grinsend den Kopf.
Aaron seufzte. Dann lasst es uns hinter uns bringen. Aber danach will ich nichts mehr davon hören. Und du wirst es sein, der Finya angreift."
Sichtlich gereizt verließ Aaron den Garten.
Kurz später standen sie zu dritt vor dem Innenhof.
Aaron wollte gerade den Hof betreten, als Eric ihn zurück hielt.
„Finya muss alleine gehen."
Aaron ballte die Fäuste. Sein Kiefer begann zu mahlen, doch dann nickte er.
Finya strich ihm sacht über den Arm und Aaron entspannte sich etwas.
Jonas stand vor einem hölzernen Gestell. Immer wieder trat oder schlug er gegen einzelne Streben, wodurch das Gestell jedes Mal in Drehung versetzt wurde.
Finya trat in den Innenhof.  Kaum merklich verzögerte sich Jonas nächster Schlag, dann hatte er wieder seinen Rhythmus gefunden.
Als Finya sich ihm bis auf wenige Meter genähert hatte, blickte er auf und verneigte sich leicht vor ihr.
In der Eingangshalle nickte Eric seinem König zu. „Siehst du, wie schnell er Finya bemerkt hat?" flüsterte er leise. Gespannt beobachtete Aaron den Innenhof, während Eric sich bereit machte.
„Braucht Ihr etwas von mir?" wandte sich Jonas höflich an Finya.
Noch bevor Finya zu einer Antwort ansetzen konnte, riss er sie zurück und schob sich mit rot blitzenden  Augen vor sie, denn im gleichen Moment stürmte ein Schatten auf Finya zu und Jonas griff an.
Instinktiv ging er auf den vermeintlichen Angreifer los und rang ihn zu Boden.
Die Hand an der Kehle seines Gegners stockte er. Abrupt ließ er den Mann unter sich los und wich zurück, als er Eric erkannte. „Es...tut mir Leid. Ich bitte um Verzeihung." stammelte er, doch Eric lachte nur schallend. Perplex reichte Jonas dem Gardehauptmann die Hand. Dieser zog sich hoch und klopfte Jonas, noch immer grinsend und gut gelaunt auf die Schulter. „Mir scheint, wir müssen unsere Trainingsmethoden ändern. So schnell hast du mich die ganze Woche nicht zu Boden geschickt."
Inzwischen hatte auch Aaron den Innenhof betreten, war direkt auf Finya zugegangen und hatte sie besitzergreifend an sich gezogen.
Jonas verneigte sich respektvoll, wirkte aber sichtlich verwirrt.
„Es war nur ein weiterer Test. Und du hast ihn mit Bravour bestanden."
Erneut klopfte Eric ihm anerkennend auf die Schulter. Unsicher blickte Jonas zu Aaron, der zwar nicht wütend, aber auch nicht gerade glücklich aussah.
Aaron seufzte. „Die beiden wollten mir etwas beweisen. Ich bin mit Eurer Reaktion zwar mehr als zufrieden, aber die beiden werden jetzt erst Recht keine Ruhe geben bis ich ihnen nachgebe. Also kommt am besten gleich mit. Eric, hol die Anderen und komm mit ihnen in den Besprechungsraum."

Einige Zeit später bezogen die Gardemitglieder nach und nach Stellung im Gang vor Jaros Zelle.
Aaron hatte darauf bestanden, dass seine gesamte Garde für Finyas Sicherheit sorgte. Als einer der Letzten postierte sich zusätzlich Jonas schräg gegenüber der Zellentür und verbarg sich in den Schatten. Konzentriert beobachtete er, wie Finya sich der Türe näherte und davor stehen blieb. Er konnte hören, wie sich der Vampir in der Zelle aufrichtete und schloss kurz die Augen, schärfte so seine Sinne.
Langsam öffnete Finya die Klappe vor dem kleinen Fenster der Zellentüre, hielt aber einen gewissen Abstand ein, wie sie es Aaron versprochen hatte.
„Ah....das Schoßhündchen des König." ertönte eine raue Stimme aus dem Inneren der Zelle.
„Hat er dich doch mal wieder von der Leine gelassen?"
Finya atmete tief ein. „Hat das kleine Hündchen etwa Angst?" fuhr Jaro spöttisch fort.
„Mein Herr weiß nicht, dass ich hier bin." setzte sie dann an.
Kurz herrschte Stille. „Da ist aber jemand eine ungezogene, kleine Sklavin." sprach Jaro tadelnd weiter.
„Ich wusste von Anfang an, dass er dich nicht ordentlich erzieht. Der König ist ein Schwächling, der seine Sklaven lieber verwöhnt, anstatt sie sich gefügig zu machen." redete sich Jaro in Rage. „Vertrauen..." er spuckte das Wort beinahe an. „Eine Sklavin braucht kein Vertrauen haben. Sie hat zu gehorchen oder muss mit den Konsequenzen leben. Schläge sind das Einzige, was ein Sklave versteht."
Inzwischen stand Jaro dicht vor der Türe, die Hände an die Gitterstäbe des Fensters gelegt.
„Aber deine Faulenzerei hat ja glücklicherweise bald ein Ende.
Das Treffen mit Imperator Aegir war das beste, was mir passieren konnte, denn er hat mir die Augen geöffnet. Ich hätte die tausend Münzen Gold nicht einmal gebraucht.
In einem Monat wirst lernen, was es heißt, eine Sklavin zu sein." Jaro begann, gehässig zu lachen. „Genieße deine verbleibende  Zeit, denn  nach dem nächsten Vollmond, wenn der Mond wieder abnimmt wirst du dich vor Imperator Aegir zu Boden werfen und mich wird er reich belohnen."
„Er wird nie in die Burg hinein kommen." widersprach Finya. „Ach du dummes, naives Ding. Ganz hinten im Garten habe ich längst einen verborgenen Zugang errichtet. Doch der wird nicht nötig sein, denn der Imperator wird deinen Herren zu einem Ehrenduell herausfordern."
Jaro stockte, als er merkte, dass er zu viel verraten hatte und brüllte wütend auf.
Dann ging auf einmal alles ganz schnell. Finya wurde von ihren Füßen gerissen und befand sich nur einen Wimpernschlag später hinter Jonas am Ende des Ganges. Im gleichen Moment splitterte die silberverstärkte Zellentüre und die Garde stellte sich, Schulter an Schulter, vor der Türe auf und machte ein Durchkommen so unmöglich.
Gregori und Kjell, die beiden Aukons drängten Jaro zurück in seine Zelle, überwältigten und fesselten ihn trotz hoher Gegenwehr.

Aaron ging den Gang entlang, blickte aber zunächst zu Finya. Jonas nickte ihm zu. „Es geht ihr gut, Hoheit."
Gregori und Kjell hatten Jaro unterdessen in eine kniende Position gezogen und hielten ihn trotz weiterhin starker Gegenwehr sicher fest.
Langsam trat der König vor die Türe. Seine Augen leuchteten rot vor Wut. Nur mit Mühe hatte Dimitri ihn zuvor am Gang zurückhalten können. Nur mit Mühe hatte er ihn davon abhalten können, zu Finya zu stürmen.
„Der Schwächling ist gekommen um sein Schoßhündchen zu holen." Aaron's Stimme war schneidend kalt, als er genau die Worte verwendete, die Jaro zuvor ausgesprochen hatte.
Aus Jaros Augen blitzte ihm blanker Hass entgegen.
„Jonas, bring Finya in meine Gemächer und bleib bei ihr." Jonas verneigte sich leicht und führte Finya aus dem Kerker heraus.
„Ich habe genug gehört, um auf Imperator Aegir vorbereitet zu sein. Deine eigene Überheblichkeit hat dich zu Fall gebracht." Voller Verachtung blickte er auf den knienden Mann herab, der nach wie vor keinerlei Reue zeigte.
„Es war übrigens die Idee einer einfachen Sklavin, die Idee MEINER Sklavin, dich so zu überführen."
Jaro spie vor Aaron aus. Im gleichen Moment flog bereits sein Kopf zur Seite, als Gregori ihm eine Kopfnuss verpasste.
„Du hast mein Vertrauen missbraucht. Du hast mich hintergangen und verraten. Es gibt nur eine Strafe dafür. Überlege dir gut, ob du zuvor noch dein Gewissen erleichtern willst."
Aaron wandte den Blick zu Gregori und Kjell.
„Bringt ihn in die Kammer und fesselt ihn mit blankem Silber."
Jaros Augen weiteten sich vor Entsetzen. Die Kammer. Ein kleiner Raum, Wände, Boden und Decke mit blankem Silber getäfelt. Dazu silberne Ketten und Fesseln, die sich schmerzhaft in seine Haut schneiden würden.
Nun war es nicht mehr der Hass, der Jaro antrieb, sich zu wehren, sondern die blanke Panik. Doch gegen die beiden Aukons hatte er keine Chance.
„In drei Tagen sprechen wir uns wieder. Sofern du solange überlebst. Dann entscheide ich über die Art deines Todes."
Ohne seine ehemalige Wache noch eines Blickes zu würdigen, machte Aaron auf dem Absatz kehrt und verließ die Kerkergewölbe.

Finya 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt