64

175 12 0
                                    

Aaron wandte sich an Finya. Er wirkte nun doch etwas angespannt. „Egal was gleich passiert, Finya, du bleibst neben mir knien und tust exakt was ich sage und wenn ich es sage." Finya neigte den Kopf und sank neben ihrem Herren auf die Knie.
Kurz darauf öffnete sich bereits die Türe. Maximilian betrat mit einer weiteren Wache das Büro. Zwischen sich führten sie Jonas, den sie in sicherem Griff am Arm fest hielten. Der Gefangene war nicht gefesselt und begleitete seine Wachen ohne Gegenwehr. Allerdings schien er ziemlich angespannt. Einige Meter vor Aaron's Schreibtisch blieben die Wachen stehen. Jonas hatte den Kopf gesenkt und zitterte leicht vor Anspannung. Dann ließ er sich jedoch vor seinem König auf die Knie sinken. „Hoheit..." grüßte er seinen König respektvoll.
Eine ganze Weile beobachtete Aaron den Gefangen. Er sah deutlich, wie dessen Anspannung immer wieder in Wellen anstieg.
„Du hast also in der Tat Wort gehalten." durchbrach er schließlich die Stille. „Ich gab Euch mein Wort, Hoheit." erwiderte Jonas respektvoll. Noch immer hielt er den Kopf gesenkt. Aaron nickte den beiden Wachen zu. „Lasst uns alleine." Jonas begann noch stärker zu zittern. Seine Hände ballten sich immer wieder krampfhaft zu Fäusten.
„Sieh mich an." forderte Aaron seinen Gefangenen schließlich auf.
Langsam hob Jonas den Kopf. Seine Augen waren noch dunkelroter, als bei der letzten Begegnung, beinahe schwarz. Als er Finya neben Aaron knien sah, wurden seine Augen sogar noch dunkler und er knurrte leise. Im nächsten Augenblick schloss er die Augen und keuchte leise auf. Schwer atmend blieb er reglos am Boden knien. Lediglich seine Hände krampften sich immer wieder zusammen und seine Finger bohrten sich in seine Oberschenkel.
„Greif meine Sklavin an und du bist tot, bevor du überhaupt aufgestanden bist." Aaron's Stimme war drohend. Mühsam nickte Jonas und hielt weiterhin die Augen geschlossen. „Sieh mich an." forderte Aaron erneut. Gequält öffnete Jonas die Augen. Und wieder konnte er ein Knurren nicht unterdrücken, als er Finya neben seinem König sah. „Du wirst meiner Sklavin nichts tun." Erneut war Aaron's Stimme drohend.
„Hoheit...bitte..." begann Jonas flehend. „Ich habe solchen Durst. Bitte gebt mir Blut."
Ein zufriedenes Lächeln setzte sich auf Aaron's Gesicht, zu kurz, als dass Jonas es bemerkt hätte. Dann wurde seine Stimme erneut schneidend. „Warum sollte ich dir Blut geben? Sagte ich nicht, dass du den Tod verdient hast?"
Jonas stöhnte gequält auf. „Und wenn ich mich recht erinnere, hast du dich mir unterworfen, dich bereit erklärt, jedes Urteil anzunehmen."
Erneut stöhnte Jonas gequält. „Das habe ich, Hoheit, und das werde ich."
Aaron begann, bösartig zu lächeln. „Wir wollen doch einmal sehen, wie lange du deinen Hunger beherrschen kannst. Und sobald du deinen inneren Kampf verlierst und Finya angreifst, verlierst du auch dein Leben."
Jonas biss die Zähne aufeinander. „Ich werde Eure Sklavin nicht angreifen. Und wenn es das letzte ist, was ich tue." Jonas Stimme war mehr als nur verkrampft und er atmete immer schwerer. Aaron lehnte sich zurück und schlug die Beine übereinander. „Sterben musst du und sterben wirst du. Mach es uns beiden leicht und gib deinem Hunger nach. Dafür gewähre ich dir einen schnellen Tod." Erneut knurrte Jonas und schüttelte vehement den Kopf. Aaron seufzte beinahe übertrieben. „Ich habe Zeit." „Ich werde sie nicht angreifen" brachte Jonas erneut zwischen zusammen gebissenen Zähnen hervor.
Die Minuten verstrichen und wurden zu Stunden. Nach zwei Stunden richtete Aaron sich schließlich auf und wandte sich an Finya. Jonas keuchte und wimmerte inzwischen.
„Finya. Geh in die Küche und hol mir eine Karaffe Blut." Finya erhob sich. Wenig später kehrte sie mit der Karaffe zurück. Beim Geruch des frischen Blutes verzogen sich Jonas Gesichtszüge krampfhaft. Aaron hatte inzwischen einen Kelch geholt und füllte diesen mit dem Blut. Von weit oben ließ er den roten Saft in den Kelch laufen und sorgte so dafür, dass sich der Geruch noch stärker im Raum verbreitete. Finya hatte sich unterdessen wieder an Aaron's Seite neben den Schreibtisch gekniet. Gierig lag Jonas Blick nun auf dem Kelch. Aaron schwenkte diesen und ließ den Inhalt kreisen.
Inzwischen lag sein Blick längst anerkennend auf dem jungen Vampir, was diesem jedoch nicht auffiel. Trotz seiner Jugend legte der Vampir eine außerordentliche Selbstbeherrschung an den Tag. Er hatte zwar gesagt, er würde ihn töten, doch im Grunde hatte er ihn damit lediglich auf die Probe stellen wollen.  „Steh auf." forderte er ihn unvermittelt auf. Mühsam kontrolliert erhob sich Jonas. Sein Blick wirkte von Minute zu Minute gequälter. „Komm näher." forderte Aaron ihn weiter auf. Den Blick starr auf den Kelch gerichtet ging Jonas auf den König zu und blieb erst direkt vor dem Schreibtisch stehen. Mit aller Gewalt bemühte er sich, Finyas Anwesenheit zu ignorieren.
Er verkrampfte erneut, als er mühsam den Blick von dem Kelch löste, um seinen Herrscher anzusehen.
Wortlos schob Aaron ihm den Kelch zu. „Trink." ungläubig stierte Jonas auf den Kelch, bevor er ihn mit beiden Händen umgriff und gierig in einem Zug leerte. Kommentarlos füllte Aaron den Becher ein zweites Mal und auch diesen trank Jonas gierig aus. Erst als er auch den dritten Becher geleert hatte, entspannte Jonas sich etwas. Mit noch immer roten Augen sank er vor Aaron auf die Knie. "Ich danke Euch, Hoheit." Jonas Stimme klang nach wie vor geschwächt. Aaron füllte den Kelch ein weiteres Mal. "Trink" forderte er ihn
erneut auf. Langsam nahm das Rot in Jonas Augen ab, doch erst, als Jonas Augen schließlich ihre natürliche blaue Farbe angenommen hatten und er nicht mehr verkrampfte,  schien Aaron zufrieden. Er wies auf den Stuhl ihm gegenüber. „Setz dich." Nur zögernd nahm Jonas Platz. „Wie lange hattest du nicht getrunken?" Jonas überlegte. „Etwa drei Wochen, Hoheit." Aaron schnalzte anerkennend mit der Zunge. „Du hast Dich wahrlich gut unter Kontrolle..."
Jonas senkte den Kopf. „Was geschieht jetzt mit mit, Hoheit?" fragte er unsicher.
„Du bleibst am Leben." erwiderte Aaron trocken. Jonas sank respektvoll auf sein Knie. „Ich danke Euch, Hoheit." „Allerdings wirst du im Kerker bleiben, bis ich endgültig über Dein Schicksal entschieden habe." Jonas senkte ergeben den Kopf.
Erneut wies Aaron auf den Stuhl und wartete, bis Jonas wieder saß.
„Warum bist du auf meine. Burg gekommen um Dich einsperren zu lassen?"
„Ich hatte Euch mein Wort gegeben." erwiderte Jonas schlicht. Aaron wirkte amüsiert. „Das hätte in dieser Situation wohl jeder, um seinen Kopf zu retten."
Jonas sah seinen König aufrichtig an. „Ich stehe zu meinem Wort, Hoheit." erwiderte er ernst. „Ich kann mich nur nochmals für meine Tat entschuldigen, Hoheit. Ich war einem Irrtum unterlegen und hätte die Lage besser prüfen müssen."
Jonas Blick wanderte weiter zu Finya. Er zögerte kurz und sah wieder zu Aaron. Zögerlich und langsam stand er auf. „Mit Eurer Erlaubnis...?" er machte einen kleinen Schritt auf Finya zu. Augenblicklich schien die Temperatur im Raum um mehrere Grad zu sinken. Von allen Seiten schien auf einmal eine seltsame Anspannung auf Jonas einzudringen. „...Vorsicht..." Aaron's Stimme war drohend. Er beobachtete jede kleinste Bewegung, die Jonas machte, aufs Genaueste. Jonas schluckte und hob leicht die Hände, hoffte, dass Aaron dieses Zeichen richtig deuten würde.
Langsam und behutsam ging er ein Stück auf Finya zu, blieb jedoch etwa zwei Meter entfernt von ihr stehen. Neugierig und zugleich etwas angespannt beobachtete Finya den fremden Vampir.
Jonas verneigte sich vor der knienden Sklavin. Überrascht hob Aaron eine Augenbraue, als Jonas dann sogar auf sein Knie ging, und dadurch mit Finya auf Augenhöhe war.
Auch Finya wirkte sichtlich irritiert und fühlte sich doch etwas unwohl.
„Auch bei Euch möchte ich mich entschuldigen." wandte Jonas sich schließlich an Finya. „Ihr seid Eurem Herren treu ergeben. Das hätte ich merken müssen, als ich versucht habe, Euch wegzutragen. Es tut mir aufrichtig leid." erklärte er ernsthaft. Finya lächelte verlegen und sah kurz fragend zu Aaron. Als dieser leicht nickte, wandte sie sich wieder Jonas zu. „Ich nehme Eure Entschuldigung an."
Kurz lächelte Jonas, bevor er wieder zu Aaron sah und dann langsam aufstand. Seine Bewegungen waren ruhig und besonnen, als er langsam zurück zu seinem Platz kehrte. Offensichtlich wollte er nicht riskieren, durch eine unbedachte Bewegung die angespannte Situation zu eskalieren. Denn genau diese Anspannung lag nach wie vor in der Luft. Sie ließ erst nach, als Jonas wieder einen sichtlichen Abstand zwischen sich und Finya gebracht hatte. 
An seinem Platz angekommen verneigte Jonas sich erneut leicht vor Aaron. „Danke, Hoheit, dass Ihr das zugelassen habt."
Aaron nickte nur. „Ich werde Dich jetzt zurück in den Kerker bringen lassen." erklärte er. Jonas schluckte merklich. Sein Blick wanderte zu der nun fast leeren Karaffe. „Du wirst ab jetzt ausreichend Blut bekommen."
Jonas verneigte sich. „Ich danke Euch, Hoheit. Ihr seid zu gütig." erwiderte er aufrichtig.
Aaron's Blick wanderte in Richtung Türe.
„Gregori. Bring Jonas zurück in den Kerker. Gib Anweisung, dass er angemessen versorgt werden soll." Gregori löste sich aus einem der Schatten und trat neben Jonas. Er wartete, bis dieser sich ihm zuwandte und griff ihn leicht, eher symbolisch, am Oberarm. Jonas verneigte sich respektvoll vor seinem Herrscher und ging dann ruhig neben Gregori her.

Finya 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt