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Aaron schmunzelte. „In deiner Sprache heißt es ‚Auge'." erklärte er.
„Manche Vampire haben gewisse...Talente. Fähigkeiten, die stärker ausgeprägt sind als bei Anderen. Dimitri und Eric sind Kununs. Das kann man am ehesten mit ‚Weisheit' übersetzen, was sie zu guten Anführern macht. Gregori und Kjell sind Aukóns. Sie sind deutlich stärker als Andere.
Ivar und Arvid sind als Harors besonders schnell und Andrej ist ein Nojol, ein Schatten. Er hat ein besonderes Talent dafür, sich versteckt zu halten, sich anzuschleichen."
Finya hatte aufmerksam zugehört. „Und was kann ein....Ugon?"
„Ein Ogun." verbesserte Aaron lächelnd. „Ein Ogun hat besonders scharfe Sinne und kann zum Beispiel Gefahren früher als Andere wahrnehmen."
Nachdenklich blickte Aaron vor sich hin. Ein Ogun fehlte noch in seinen Reihen.
„Soll ich ihn weiter prüfen?"
Aaron wirkte nachdenklich. Wenn Jonas wirklich ein Ogun war, könnte er durchaus eine Bereicherung sein. „Oguns sind selten...Wie sieht es um seine sonstigen Fähigkeiten aus?"
„Das kann ich noch nicht beurteilen. Lass ihn noch ein paar Mal am Training teilnehmen. Dann kann ich dir sagen, wie er sich entwickelt." Aaron brummte leicht unzufrieden. „Eine Woche. Danach möchte ich deine Entscheidung."
Dimitri nickte nur. „Das sollte reichen."
„Ich werde selber zu ihm gehen. Wo ist er gerade?" „er hat die Nachmittagsschicht am Tor."
Aaron nickte und erhob sich. Als Finya es ihm gleich tun wollte, schüttelte er jedoch den Kopf. „Du wartest hier, Finya." Kurz wanderte sein Blick zu Dimitri. „Dimitri wird bei dir bleiben und dir...Gesellschaft...leisten." Finya nickte ergeben. „Ja, Herr,"
Kaum, dass Aaron den Raum verlassen hatte, sackte Finya geknickt in sich zusammen. Nachdenklich strich sie über die Tätowierung an ihrem Arm.
„Bereust du es?" riss die Dimitris Stimme aus den Gedanken. „Nein..." Finya schüttelte betrübt den Kopf. „Was ist es dann?" hakte Dimitri sanft nach.
„Ich...fühle mich wie...eine...Gefangene. Ich darf keinen Schritt mehr alleine machen..."
Dimitri lachte leise. „Du bist Aaron's Sklavin, Finya. Er hat dir nur bisher mehr Freiheiten als üblich zugestanden," erwiderte er dann jedoch freundlich.
„Das weiß ich doch, Dimitri." Unglücklich hob Finya den Kopf und sah Dimitri an. „Es ist nur...es fühlt sich so an, als ob mein Herr mir nicht mehr vertrauen würde."
Erstaunt hob Dimitri die Augenbraue. Da lag also der Kern des Problems.
„Finya..." erwiderte Dimitri ernst. „Ich denke, Aaron hat dir sein Handeln erklärt."
Finya nickte nur. „Du bist deinem Herren sehr wichtig, Finya. Er möchte nicht, dass dir etwas geschieht."
„Aber warum darf ich nicht wenigstens mit einer Wache in den Garten oder zumindest auf die Terrasse?"
Fast schon anklagend sah Finya das Oberhaupt der Wache an.
Dimitris Blick wurde deutlich ernster. Für einen Moment schien er abzuwägen, wie viel er Finya sagen sollte. Schließlich straffte er die Schultern. „Es deutet einiges darauf hin, dass hier in der Burg ein Verräter lebt." Entsetzt sah Finya ihn an und schluckte schwer.
Dimitri nickte ernst. „Ich sehe, du verstehst das Verhalten Deines Herren jetzt."
Finya nickte langsam. „Ja, Dimitri."
Dimitri lächelte ihr aufmunternd zu. „Ich denke, dass du wieder mehr Freiheiten bekommst, sobald wir den Verräter gefasst haben."
„Danke, Dimitri." Finya lächelte schwach. „Danke für deine Offenheit."

Kurz nachdem Aaron die Bibliothek verlassen hatte, stand er bereits in der Eingangshalle seiner Burg. Während die beiden regulären Torwachen sich entspannt unterhielten und nur gelegentlich ihren Blick über die Umgebung wandern ließen, stand Jonas etwas abseits von ihnen und musterte aufmerksam die Umgebung.
Ein leichtes Zucken verriet Aaron, dass Jonas ihn bemerkt hatte noch bevor er am Tor angekommen war und Jonas sich zu ihm umdrehte. Eine kurze Geste hieß ihn jedoch zu schweigen und so verneigte sich Jonas lediglich leise. Aaron räusperte sich. Sofort fuhren die beiden Wachen herum. Als sie den König sahen, verneigten sie sich sofort respektvoll, traten dann aber verlegen von einem Fuß auf den Anderen. Einer der beiden blickte immer wieder vorwurfsvoll zu Jonas.
„Er kann nichts für dein Fehlverhalten, Tarik." tadelte er die Wache. „Zumal ich ihn angewiesen habe, euch nicht auf meine Anwesenheit aufmerksam zu machen."
„Verzeiht, Hoheit." erwiderte dieser sofort zerknirscht, verneigte sich vor seinem König und blickte entschuldigend zu Jonas.
Aaron nickte zufrieden. „Ich erwarte, dass Euer Fokus ab jetzt auf Eurer Arbeit liegt." wandte er sich an die beiden Wachen, bevor er Jonas zu sich winkte.
„Kommt mit, Jonas. Ich habe mit Euch zu reden."
Aaron öffnete die Türe zu einem leerstehenden Büro und ließ Jonas eintreten. „Setzt Euch." forderte er ihn auf und nahm selbst hinter dem Schreibtisch Platz. Aufmerksam, doch ohne Angst blickte Jonas zu seinem König.
„Wie hat Euch das Training heute Morgen gefallen?"
Zufrieden registrierte Aaron, wie Jonas Augen freudig aufblitzten. „Sehr gut, Hoheit. Es war anstrengend und fordernd, hat aber großen Spaß gemacht."
Aaron musterte sein Gegenüber. Jonas wirkte sichtlich entspannt und gelöst. „Ich möchte, dass Ihr vorerst für eine Woche weiter am Training teilnehmt." erklärte er dann. „Danach sehen wir weiter."
Jonas konnte sich ein freudiges Grinsen nicht verkneifen. „Vielen Dank, Hoheit." erwiderte er dann strahlend. Sichtlich amüsiert blickte Aaron zu Jonas. „Freut Euch nicht zu früh. Dimitri wird Euch noch mehr fordern als heute."
„Das nehme ich gerne in Kauf."
Entspannt lehnte Aaron sich zurück. „Dimitri hat mir berichtet, dass Ihr unpünktlich wart." Jonas senkte leicht den Kopf. „Ja, Hoheit." gab er dann offen zu.
„Was war der Grund für Eure Verspätung?"
„Meine Zelle war noch abgesperrt. Ich konnte nicht hinaus."
Aaron lächelte freundlich. „Es ehrt Euch, dass Ihr niemanden direkt beschuldigt. Dennoch kann ich nicht tolerieren, dass so etwas nochmal geschieht..." Mit ernstem Blick sah er zu Jonas. Dieser erwiderte seinen Blick jedoch ruhig und furchtlos. „...ich habe daher entschieden, dass Ihr fortan nicht mehr eingeschlossen werdet." erklärte er schließlich. „Ihr werdet weiterhin jede freie Minute in Eurer Zelle verbringen, doch sie wird nicht mehr verriegelt sein." Respektvoll verneigte sich Jonas „Ich danke Euch, Hoheit. Ich werde Euch nicht enttäuschen."

Einige Zeit später betrat Aaron seine Gemächer. Wie er vermutet hatte, hatte Dimitri seine Sklavin inzwischen hierher gebracht.
Mit übereinander geschlagenen Beinen saß er auf einem der Sessel und beobachtete Finya, die mit einem Buch vor dem brennenden Kamin auf dem Teppich lag.
„Wie ich sehe, ist es dir mal wieder gelungen, meine Finya zu beruhigen...." wandte sich Aaron an Dimitri. „Sie wirkt zumindest deutlich ausgeglichener..."
„Ich konnte den Kern ihres Problems herausfinden....Natürlich vermisst sie ihre Freiheiten. Aber noch mehr nagt an ihr die Sorge, dass du ihr nicht mehr vertrauen könntest."
Aaron schüttelte den Kopf. „Das ist doch Unsinn..."
Sein Blick wanderte zu Finya, die seine Ankunft noch nicht einmal bemerkt hatte. „Finya, komm doch mal zu mir."
Er wartete, bis Finya vor ihm stand und zog sie dann auf die Lehne seines Sessels. Besitzergreifend legte er den Arm um sie. „Finya, ich vertraue dir mehr, als je einem Sklaven zuvor. Aber ich habe momentan keine andere Wahl, als dich einzuschränken." „Ich weiß, Herr."
Aaron nickte zufrieden. „Wie weit seid ihr mit den Dienstplänen gekommen, Dimitri?"
„Wir konnten den Kreis auf etwa zehn Verdächtige einschränken. Nur kommen wir jetzt nicht mehr weiter. David hat die betreffende Person ja leider nicht gesehen..."
Finya rutschte ein Stück auf der Sessellehne. „Aber er hat ihn doch gehört. Könnte das nicht reichen?"
Dimitri schüttelte leise lachend den Kopf. „Finya hat recht. Es könnte ausreichen, sofern David weiterhin kooperativ ist."
Ruckartig stand Aaron auf und zog Finya mit hoch. „Das lässt sich leicht herausfinden."
Sichtlich hin und hergerissen blickte Aaron auf Finya.
„Nein. Ich will und werde dich nicht mit zu ihm nehmen. Genauso wenig bin ich gewillt, dich alleine hier zu lassen."
Aaron löste seinen Blick von Finya und wandte sich Dimitri zu. „Schick mir Kjell. Sobald er da ist, können wir in den Kerker gehen."
Nur wenige Minuten später kehrte Dimitri mit Kjell zurück.
Dieser grüßte Finya wie stets gut gelaunt.
„Wir zwei machen uns jetzt einen schönen Abend, während unser König hier arbeiten muss." grinste er Finya an.
Aaron stöhnte leise, konnte ein Schmunzeln jedoch nicht verhindern. Er hätte doch nach seinem anderen Aukón, Gregori, schicken sollen. Ihm schwante bereits schreckliches. Doch er vertraute Kjell. Vielleicht würde es ihm ja gelingen, Finya auf andere Gedanken zu bringen und sie abzulenken.
„Übertreib es nicht, Kjell." sprach er ihn mahnend an. Kjell erwiderte den Blick unschuldig. „Ich doch nicht, Hoheit."
Aaron stöhnte und blickte hilfesuchend zu Dimitri, der seinem alten Freund jedoch nur mitfühlend auf die Schulter klopfte. „Lass den beiden doch einfach ihren Spaß."
Aaron nickte den beiden noch einmal zu und verließ dann mit Dimitri den Raum.

Finya 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt