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Kaum, dass das Startsignal gefallen war, begannen die beiden Brüder bereits, sich zu umrunden.
Kari ließ langsam seine Äxte kreisen. Als Aegir jedoch ebenfalls nach seinen Äxten griff, umfasste er die Griffe fester und ging in Angriffsposition.
Schnell hob Kari eine der Äxte und wehrte mit dem Griff Aegirs Angriff ab.
Immer wieder ließ er seinen Bruder näher an sich herankommen und wehrte seine Angriffe ab, nur um im nächsten Moment selber anzugreifen. Noch schien der Kampf ausgewogen.
Und auch wenn Kari inzwischen den ein oder anderen Schnitt seines Bruders hatte einstecken müssen, erging es Aegir nicht anders.
Der Kampf ging bestimmt schon 20 Minuten, als er plötzlich an Geschwindigkeit und Brutalität zunahm.
Anscheinend hatten beide Brüder bisher nur miteinander gespielt und sich gegenseitig ausgetestet. Immer wieder hörte man nun einen der Brüder laut aufknurren, wenn der Andere einen Treffer erzielte. Immer wieder klirrte es metallisch, wenn die Äxte aufeinander trafen.
Weitere zehn Minuten später zeigten sich jedoch deutlich erste Anzeichen für Erschöpfung bei Aegir. Kurz sprang er einen Schritt zurück und warf seinen verbliebenen Wachen einen Blick zu.  Sofort spannten sich zwei der Männer an und traten einen Schritt nach vorne. Ein drohendes Knurren von Eric und Gregori ließ die beiden jedoch inne halten.
Auch wenn er es nicht gemusst hätte, bewies Kari Fairness und wartete, bis sein Bruder sich ihm wieder zugewandt hatte.
Allerdings griff er nun mit noch größerer Härte an. Er wollte den Kampf nun eindeutig zu Ende bringen. Inzwischen war klar ersichtlich, dass Kari seinem Bruder überlegen war, was auch Aegir merkte und sich nur noch ziellos verteidigte.
Kurz darauf stolperte Aegir und erneut wartete Kari, bis sein Bruder wieder stand, bevor er ihm mit dem nächsten Angriff nachsetzte.
Immer weiter stolperte Aegir zurück. Schließlich holte Kari zum finalen Schlag aus. Er stürmte auf Aegir zu und streckte ihn nieder.
Blutend blieb Aegir am Boden liegen. Er würde nicht mehr aufstehen. Nach einem letzten fast schon bedauernden Blick, brachte Kari es zu Ende. Mit einem lauten Siegesschrei riss er seine Hände mit den Äxten in die Luft.
„Jarl Kari ist der Sieger." Verkündete Aaron.
Im nächsten Augenblick stürmten die beiden Krieger von zuvor auf Kari zu. Gleichzeitig setzten Eric und Gregori ihnen nach.
Doch Kari war schneller. In einer schnellen Drehung streckte er beide Männer nieder.
Als die verbliebenen Krieger ihre Kameraden fallen sahen, stürmten zwei weitere Krieger auf Kari zu, wurden aber sogleich von Eric und Gregori überwältigt und in Fesseln gelegt.
Drohend ging der Jarl auf die zwei noch freien Krieger zu. Gregori und Eric traten respektvoll zur Seite.
Jarl Kari war noch nicht ganz bei den Männern angekommen, als diese vor ihm auf die Knie sanken und ihn angstvoll ansahen.
„Fesselt sie. Ich werde später entscheiden, was mit ihnen geschieht."
Ruhig ging er zu König Aaron zurück, der inzwischen neben seiner Sklavin saß, die ihn matt und erschöpft ansah.
Aaron sah auf und nickte ihm anerkennend zu.
Kari lächelte sacht. „König Aaron, dürfte ich die Gefangenen in Euren Kerkern unterbringen?"
„Natürlich, Jarl. Meine Garde wird Euch gerne unterstützen."
Nachdenklich blickte Aaron zu Dimitri. „Ich denke, es ist an der Zeit, David aus dem Kerker zu holen. Jetzt, wo der Imperator tot ist, sollte keine Gefahr mehr von ihm ausgehen. Bring ihn in eines der Zimmer im ersten Stock. Vorerst steht er jedoch noch unter Arrest."
Kari blickte fragend zu Aaron, während er sich sein Hemd wieder anzog. „Wer ist dieser David?"
„Ein Jungvampir. Er wurde von Eurem Bruder erst gegen seinen Willen verwandelt und dann von ihm erpresst, damit er mich ausspioniert." erklärte Aaron.
„Und ihr habt ihn leben lassen, obwohl er Euch ausspioniert hat?"
Aaron lächelte sacht. „Der Junge hatte im Grunde keine andere Wahl. Jonas hat ihn gestellt, bevor er wirklich etwas herausfinden konnte und er war von Anfang an kooperativ.
Vielleicht solltet Ihr ohnehin selbst mit ihm reden, da es Euch genauso betrifft." Aaron schmunzelte, als er Karis nun neugierigen Blick sah.
Karis Augen blitzten tatendurstig auf.
„Ihr macht mich neugierig. Wo kann ich mit ihm reden, König Aaron?"
Aaron lachte leise. „Wo immer Ihr wollt. Ich würde Euch allerdings eines der Büros oder einen der Verhörräume empfehlen."
Kari nickte nachdenklich. „Ich wollte Euch ohnehin darum bitten, mir einen Verhörraum zur Verfügung zu stellen. Ich muss wissen, welche der Krieger vertrauenswürdig sind und welche nicht."
Aaron nickte. „Das wird ein Weile dauern. Ich würde mich geehrt fühlen, wenn Ihr Euch so lange als mein Gast betrachtet."
Dankend verneigte sich Kari leicht. „Ich bin für Euer Angebot sehr dankbar. Dennoch sollte ich so bald wie möglich zurück kehren. Mein Land braucht einen Herrscher."
„Ihr könnt Euch meiner Unterstützung gewiss sein, aber jetzt entschuldigt mich bitte, ich muss mich um meine Sklavin kümmern. Komm, Finya."
Langsam stand Finya auf und ließ zu, dass ihr Herr sie stützte, während er sie in seine Gemächer führte.
Kaum, dass Aaron die Türe geöffnet hatte, musste er schmunzeln. Irgend jemand, höchstwahrscheinlich ein Mitglied seiner Garde, hatte den Tisch für zwei Personen decken lassen und ein stärkendes Mahl auftischen lassen. Selbst eine Karaffe mit Saft, eindeutig für Finya, stand bereit.
„Setz dich und iss, Finya." forderte er sie auf. „Und danach wirst du dich hinlegen und ausruhen. Der Jarl hat dir sehr viel Blut genommen."
Finya nickte. Erst jetzt spürte sie, wie müde und erschöpft sie wirklich war.
„Es war übrigens sehr nett und hilfreich von dir, dich dem Jarl derart anzubieten. Du hast mich sehr stolz gemacht."
Seufzend blickte Finya auf den gefüllten Teller. Wirklich Appetit hatte sie nicht.
„Du wirst mindestens die Hälfte essen." befahl Aaron streng. „Und wenn ich dich füttern muss." drohte er spielerisch, doch Finya begann auch so zu essen.
Schließlich war Aaron zufrieden und schickte Finya in ihre Kammer.

Gegen Mittag klopfte es an Aaron's Türe. „Komm rein, Dimitri."
Schmunzelnd betrat der Gardehauptmann den Raum und setzte sich zu Aaron auf einen der Sessel.
„Gab es irgendwelche Schwierigkeiten?"
„Keine nennenswerten. Wir konnten insgesamt 40  von ursprünglich 80 Kriegern Aegirs gefangen nehmen. Der Rest ist tot." erklärte Dimitri.
„Die meisten haben sich in ihr Schicksal gefügt und keine Gegenwehr geleistet. Sie wurden in den...moderateren...Zellen festgesetzt. Zehn Mann jedoch haben einen Fluchtversuch gestartet, als wir sie abführen wollten. Sie sitzen jetzt mit Silber gefesselt in den tiefer gelegenen Zellen." beendete Dimitri seinen Bericht.
Aaron nickte zufrieden. „Gute Arbeit, Dimitri. Richte auch den Anderen meinen Dank aus."
Dimitri neigte leicht den Kopf. „Wie geht es Finya?"
Aaron lächelte. „Soweit gut. Sie braucht lediglich etwas Erholung."
Eine Weile schwiegen die beiden Männer.
„Ist David bereits in einem der Zimmer untergebracht?" erkundigte sich Aaron schließlich.
„Ja. Er lässt seinen Dank ausrichten. Er weiß übrigens noch nichts über die heutigen Ereignisse."
Aaron nickte. „Das soll auch vorerst so bleiben.
Wie ist sein Zustand? Wird er einem Verhör stand halten?"
Dimitri schien zu überlegen. „Er ist nach wie vor sehr geschwächt durch das Silber unter seiner Haut. Es wäre zu überlegen, zumindest einen Teil des Silbers zu entfernen. Aber einem Verhör sollte nichts im Wege stehen."
„Gut." Aaron wirkte zufrieden. „Bereite bitte einen der Verhörräume vor. Der Jarl möchte David und später die gefangenen Krieger verhören."

Finya 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt