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Eine Stunde später fuhr die Kutsche auf den Innenhof. König Aaron blickte aus dem Fenster und stöhnte.
„Imperator Aegir liebt es, sich in Szene zu setzen." erklärte er, als er Finyas fragenden Blick sah. Wir sind nicht die einzigen Gäste. Es sind bestimmt genauso viele wie beim letzten Mal da."
Wie beim letzen Besuch wurde Aaron direkt in den Speisesaal geführt. Auf der Liege neben ihm lag bereits König Ashok. Neben ihm kniete seine Sklavin. Im Vergleich zum letzten Mal schien sie regelrecht ausgemergelt und bis aufs äußerste erschöpft.Um ihren Hals und ihre Glieder trug sie schwere Eisenringe, die mit einer groben Kette verbunden waren. Das Ende der Kette war an einem Ring im Boden befestigt und zwang die Sklavin dadurch in eine unangenehme, gekrümmte, Haltung. Anuk hatte den Blick zu Boden gesenkt. Fast schon mitleidig blickte Aaron auf die junge Sklavin hinunter. Er konnte ihre Angst riechen.
Sich ein Kopfschütteln verkneifend nahm er auf seiner Liege Platz und Finya sank ohne zu zögern neben ihm auf die Knie und senkte den Blick.
Ashok seufzte theatralisch. „Ich wünschte, meine Sklavin wäre so gehorsam wie die Eure. Aber sie widersetzt sich mir nach wie vor. „Das sehe ich." erwiderte Aaron trocken. „Oder zumindest Eure Konsequenz darauf.
Jetzt gerade scheint sie mir jedoch eher Angst zu haben." König Ashok nickte zufrieden. „Das will ich hoffen. Vielleicht lernt sie dann endlich, wie sie sich zu verhalten hat. Das letzte Wegstück habe ich sie hinter der Kutsche herlaufen lassen."
König Aaron unterdrückte ein Seufzen. „Wie habt IHR Eure Sklavin in so kurzer Zeit derart gefügig bekommen?" fragte Ashok weiter.
Aaron sah ihn an. „Mit Geduld und Konsequenz." erklärte er schlicht.
„Könnt Ihr mir nicht ein paar Tipps geben?"
Aaron neigte den Kopf. „Dazu müsste ich allerdings zuerst wissen, was Ihr von Eurer Sklavin erwartet."
Ashok schüttelte mit Unverständnis den Kopf. „Sie soll gehorchen, was denn sonst...."
„Da gibt es sehr viel...lasst es mich Euch demonstrieren..."
Aarons Blick wanderte zu seiner eigenen Sklavin. „Finya....?" sprach er sie an. Diese hob den Blick und sah Aaron direkt an. „Das ist beispielsweise schon der erste Punkt." erklärte er Ashok. „ICH für meinen Teil möchte, dass meine Sklaven meinen Blick erwidern. Dass Finya hier die meiste Zeit mit gesenktem Blick sitzt, ist nur der Tatsache geschuldet, dass wir nicht zu Hause sind und ich es daher hier von ihr erwarten muss, um andere Herrscher nicht zu beleidigen." Interessiert nickte Ashok.
„Nun Finya...." richtete Aaron das Wort wieder an sie. „Was waren die ersten Regeln, die du bei mir gelernt hast?"
Ohne den Blick von ihrem Herren abzuwenden, begann sie zu sprechen. „Ich habe respektvoll, demütig und gehorsam zu sein. Ich muss Euch in ganzen Sätzen antworten. Wenn ihr irgendwo verweilt, habe ich an Eurer Seite zu knien.  Meine Konzentration hat stets auf Euch zu liegen."
Aaron nickte zufrieden. „Und das, König Ashok, sind im Grunde alle Regeln, denen Finya unterliegt.
Ashok musterte Finya schweigend, was ihr mehr als nur unangenehm war. Dennoch blieb sie reglos knien.
„Und wie habt Ihr das mit dem Respekt und der Demut hinbekommen?"
Aaron lachte leise. „Sag doch König Ashok einmal, was du zu Anfang über Respekt gesagt hast...." forderte er Finya auf. Sie sah ihn überrascht und mit großen Augen an. Nur zu deutlich erkannte Aaron ihre Unsicherheit, weshalb er ihr ermutigend zunickte. Finya drehte sich zu dem fremden König und verneigte sich leicht. „Ich sagte damals, ‚Respekt bekommt man nicht, man muss ihn sich verdienen', Herr."
Ashoks Augen blitzten rot auf. „Und diese Unverschämtheit habt Ihr ihr durchgehen lassen?"
Aaron neigte den Kopf. „Erst war ich genauso wütend wie Ihr, doch dann habe ich über ihre Worte nachgedacht....Was meint IHR? Welcher Respekt geht wohl tiefer? Der von mir erzwungene, oder der, den mir Finya aus freien Stücken  entgegenbringt?"Ashok wollte schon aufbrausen, stockte aber dann.
Aaron lächelte und fuhr mit der Hand über Finyas Haar. „Der Beweis kniet hier vor uns. Als ich ihren Respekt hatte, kam die Demut von alleine. Ja, oftmals hat sie auch Angst vor mir gehabt, doch diese ist nach und nach einem tiefen Vertrauen gewichen."
Ashok knurrte unzufrieden. „Dennoch habe ich es nicht nötig, um die Gunst einer Sklavin zu buhlen."
Aaron hob abwehrend die Hände. „IHR kamt zu mir und wolltet Ratschläge erhalten. Nebenbei habe ich nie davon gesprochen, um irgendeine Gunst zu buhlen. Es bedurfte nur geringfügiger Veränderungen in meinem Verhalten." Erneut knurrte Ashok unzufrieden. „Und welche sollen das sein?"
„Klare Regeln. Klare Ansagen. Sofortige Konsequenzen - und damit meine ich keine Schläge. Gerechtigkeit und ein gewisses Maß an Geduld. Und ich habe Finya stets belohnt, wenn sie sich korrekt verhalten hat."
Ashok schüttelte den Kopf. „Dem muss ich widersprechen. Schläge sind und bleiben das, was ein Sklave am Besten versteht."
„Zeig König Ashok deinen Rücken, Finya"
Finya öffnete ihren Kittel und drehte Ashok den blanken Rücken zu. „Ich muss anmerken, dass sämtliche Narben aus der Zeit stammen, bevor Finya bei mir war. Das Mädchen war Schmerzen gewohnt seit wer weiß wie vielen Jahren...." Er nickte Finya zu, dass sie ihren Kittel wieder schließen konnte. „Glaubt ihr wirklich, Schläge hätten sie groß beeinflusst?"
Langsam wurde Ashok nun doch nachdenklich. Sein Blick wanderte zu seiner eigenen Sklavin, die immer noch völlig verängstigt neben ihm kniete. „Und wie straft Ihr sie dann?"
Aaron lächelte. „Im Grunde mit Kleinigkeiten....Der Herr gibt und der Herr nimmt." erklärte er.
„Ich habe Finya schrittweise mehr Freiheiten gewährt. Ein Besuch im Garten,  natürlich anfangs unter Aufsicht, die Erlaubnis, den Balkon zu betreten oder einfach auch besseres Essen. Bei jeglichem Fehlverhalten habe ich ihr diese Privilegien jedoch wieder entzogen." Noch immer lag Ashoks Blick auf seiner Sklavin. „IHR müsst wissen, was Ihr von Eurer Sklavin wollt. Ob sie Euch nur bedienen soll oder ob Ihr auch sonst ihre Gesellschaft wünscht und ihr eine verlässliche, vertrauenswürdige Sklavin haben wollt. In dem Fall werdet Ihr Geduld aufbringen müssen. Eure Anuk wird erst lernen müssen, Euch zu vertrauen."
„Ich werde darüber nachdenken."
Aaron nickte. „Darf ich Euch noch einen Rat geben?" Ashok neigte den Kopf.  „Nehmt Anuk diese schweren Ketten ab. Wenn ihr unbedingt Ketten wollt, nehmt dünnere. Sie erfüllen den gleichen Zweck, jedoch ohne Eure Sklavin derart zu entstellen. Bedenkt, dass jede Eurer Handlungen ein Bild nach außen vermittelt. Manch einem Vampir wird es gefallen, einen Sklaven derart gedemütigt vor sich zusehen. Andere jedoch...Wir sind Vampire. Unsere Sklaven haben keine Chance gegen uns. Außerdem wirkt Anuk nicht so, als ob sie vorhat, Ärger zu machen. Ashoks Augen weiteten sich
„Ihr meint, es könnte wirken, als ob ich meiner Sklavin nicht Herr wäre?" Aaron neigte bestätigend den Kopf.
Ashok brummte unzufrieden und sah sich um. Bei den angrenzenden Liegen trug keiner der Sklaven schwere Fesselungen. „Ich werde ihr die Ketten sogleich abnehmen."
Entschlossen kehrte er zu seinem Platz zurück und setzte sich auf die Liege.
Beinahe grob riss er Anuks Kopf hoch. „Sieh mich an, Sklavin" Gänzlich überfordert versuchte Anuk seinem Blick auszuweichen, was Ashok sichtlich wütend machte. „Warte hier." flüsterte Aaron Finya zu und trat neben Ashok. „Darf ich Euch noch einen Rat geben?" Ashok nickte nur. „Handelt ruhig und besonnen. Sagt Ihr, was Ihr von Ihr erwartet."
König Ashok nickte und wandte sich wieder an seine Sklavin. „Ich werde dir jetzt die Ketten abnehmen. Du wirst hier knien bleiben."
Erstaunt ruckte Anuks Kopf nach oben, bevor sie wieder ängstlich den Kopf senkte.
Sie hielt reglos still, während ihr Herr ihr die schweren Ketten abnahm. Kaum, dass die Ketten gelöst waren, richtete sie sich etwas auf, um ihren gekrümmten Rücken etwas zu entlasten. Ashok wollte bei dieser Bewegung schon auffahren, wurde aber von Aaron abgehalten, der ihm die Hand auf die Schulter legte. Jetzt bemerkte auch Ashok, dass seine Sklavin, bis auf diese kleine Bewegung, reglos knien blieb.  Anuks Lippen bewegten sich leicht. „Danke, Herr." sprach sie leise. Für einen kurzen Moment blickte sie zu ihrem Herren. Doch dann senkte sie sofort ängstlich den Blick und duckte sich leicht, als ob sie Schläge erwarten würde. Ashok blickte erstaunt zu Aaron, der ihm nur zunickte. „Zeigt mir mehr von Euren Methoden" forderte Ashok, doch Aaron schüttelte den Kopf. „Hier und jetzt ist nicht der passende Rahmen dafür. Eure Sklavin hat ohnehin noch zu viel Angst vor Euch." Er nickte zu dem Mädchen, dass nun zusammen gekauert am Boden kniete und vor Angst zitterte. „Arbeitet an dieser Stelle weiter. Fordert sie auf, sich wieder aufzurichten. SO bietet sie kein gutes Bild." Erneut nickte Ashok, begierig, die Ratschläge des anderen Herrschers auszuprobieren. „Richte dich auf, Anuk." sprach er ruhig und bestimmt. Kurz zögerte er, bevor er fortfuhr. „Du hast gerade nichts falsch gemacht. Ich bin zufrieden mit dir." Erstaunt huschten Anuks Augen erneut zu ihrem Herren, doch dann senkte sie wieder sofort den Blick, kam der Aufforderung jedoch nach. Aaron schmunzelte leicht. „Auch Ihr habt hier einen kleinen Rohdiamant. Wenn Ihr es schafft, dass sie Euch vertraut , anstatt Euch zu fürchten, werdet Ihr viel Freude mit ihr haben." Ashok blickte fast schon stolz auf seine Sklavin hinab. „Eure Ratschläge sind wirklich Gold wert, König Aaron. Ich kann meine Einladung nur erneut aussprechen. Zusammen mit der Bitte, mir noch mehr von Euren Methoden zu zeigen." Aaron nickte nur. „Das werde ich gerne tun. Bis dahin solltet Ihr Euch jedoch Gedanken darüber machen, welchen Weg Ihr mit Eurer Sklavin gehen wollt, welches Verhalten Ihr von ihr wollt. Aber jetzt entschuldigt mich bitte. Ich muss mich um meine eigene Sklavin kümmern, bevor sie noch weiter bedrängt wird."
Ashok blickte zu Finya, die von mehreren Vampiren umringt war. Direkt neben ihr standen Arvid und Kjell und schirmten sie so weit wie möglich ab. Kaum, dass Aaron an seinen Platz zurück kehrte, wichen die ersten Vampire bereits zurück.
Aus dem Augenwinkel beobachtete Anuk den ihr fremden Herren. Sie fühlte sich überfordert, konnte die Situation nicht so recht einschätzen.Nur eines wusste sie: Ihr Herr war so freundlich wie noch nie zuvor zu ihr gewesen und sie hoffte inständig, dass dies anhalten würde.
Aaron blieb neben Finya stehen und legte seine Hand besitzergreifend auf Ihre Schulter. „Wenn meine Sklavin sich nicht ungehörig gegenüber einem von Euch verhalten hat, bitte ich darum, uns nun alleine zu lassen. Das Essen sollte ohnehin gleich beginnen und ich möchte in Ruhe speisen." sprach er die verbliebenen Vampire bedrohlich ruhig an. Er hatte noch nicht geendet, als sich weitere Vampire ebenfalls zurück zogen. Zurück blieben nur noch drei jüngere Vampire.
„Wir wollten uns nur überzeugen, ob die Geschichten über den Gehorsam Eurer Sklavin stimmen, König Aaron." erklärte einer, der offensichtlich der Wortführer des Trios war.
„Ah..." kam es nur trocken von Aaron, was die anderen doch etwas verunsicherte. „Aber so gehorsam wie Ihr tut scheint sie doch nicht zu sein. Sie hat nicht einmal reagiert, als wir sie angesprochen haben." drängte sich ein dunkelhaariger Vampir in den Vordergrund. Aaron lächelte nur süffisant. „Und genau DAS beweist den Gehorsam meiner Sklavin." Verständnislos blickten die drei Aaron an. Dieser seufzte genervt auf. „Der Gehorsam meiner Sklavin gilt mir allein. Ohne meine Weisung hat sie weder fremden Befehle auszuführen, noch mit anderen Vampiren zu reden." erklärte er. „Und jetzt..." Aaron machte einen halben Schritt auf die drei Vampire zu. „...jetzt möchte ich in Ruhe speisen und das Bankett genießen." erklärte er und deutete auf das Tischchen, auf dem Sklaven inzwischen das Essen bereit gestellt hatten. Wie getadelte Schuljungen zogen die drei sich mit einigen entschuldigenden Verneigungen zurück. Und nichts anderes waren sie in Aaron's Augen, denn Herrscher eines eigenen Landes konnten sie unmöglich sein. Nur kurz folgte er ihnen mit den Augen und sah sich in seiner Annahme bestätigt, als die drei sich zu ihren Vätern gesellten.

Finya 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt