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Den ganzen Weg zurück in seine Gemächer sprach Aaron kein Wort mit seiner Sklavin. Er nahm auch keine sonderliche Rücksicht auf ihr Tempo und so stolperte sie mehr hinter ihm her, als dass die ging.
Verwirrt blickte Finya immer wieder zu ihrem Herren. Sie erkannte den Ärger in seinen Augen, verstand aber nicht, warum sich dieser gegen sie richtete.
Erst mitten in seinem Wohnzimmer blieb er stehen und ließ Finya los. Kalt ruhte sein Blick auf der jungen Frau.
Als diese sich noch immer nicht regte, zog er sichtlich verärgert die Augenbrauen zusammen.
Finya schluckte schwer. Sie verstand nach wie vor nicht, was los war, doch Aarons  Blick schien sie regelrecht zu erdrücken. Langsam ließ sie sich auf die Knie sinken, was Aaron zumindest etwas zu besänftigen schien.
„Mir scheint, ich war in letzter Zeit zu nachsichtig mit dir." ergriff er erstmals seit dem Kerker das Wort. Seine Stimme war kalt und schneidend. Finya runzelte die Stirn. „Ich..." setzte sie an zu sprechen, wurde aber sofort von ihrem Herren unterbrochen. „Schweig, Sklavin." Demütig senkte Finya den Blick.
„Du hast VOR Haruto meinen klaren  Befehl missachtet. Du hast mich mit deinem lächerlichen Ausbruch ihm gegenüber durch deinen Ungehorsam blamiert. Du blamierst mich vor Imperator Aegir, sollte Haruto ihm davon erzählen. Es wird Zeit, dass ich dich an deine Position erinnere."
Finya schluckte erneut. Jetzt verstand sie die Wut ihres Herren. Finya wurde blass. „Ich bitte um Verzeihung, Herr. Es tut mir Leid." wandte sie sich mit zittriger Stimme an ihn. „Dazu ist es zu spät. Der Schaden ist entstanden." noch immer war Aarons Stimme kalt. „Finya hob den Blick und sah ihren Herren an. „Ich habe einen Fehler gemacht, Herr. Ich...war einfach so wütend. Ich weiß, dass ich meinen Fehler nicht ungeschehen machen kann. Ich werde jede Strafe, die Ihr für angemessen haltet, akzeptieren." sprach sie dann mit fester Stimme.
Aarons Blick wurde etwas sanfter. „Ich verstehe, dass du wütend warst. Doch du bist meine Sklavin. Du hast dich mir in jeder Hinsicht unterzuordnen. Solche Alleingänge kann und werde ich nicht akzeptieren. Du hast darauf zu vertrauen, dass ich die Dinge regle." Finya nickte. „Ja, Herr." erwiderte sie dann sichtlich zerknirscht.
„Du akzeptierst also jedwelche Strafe?" „Ja, Herr." Aaron nickte zufrieden. Er trat an eine Schublade und holte zwei Schmuckschatullen hervor.
„Für die Dauer deiner Strafe wirst Du andere Reifen tragen. Gib mir deine Hände." Gehorsam reckte Finya ihre Hände empor. Aaron nahm ihr die goldenen Armreifen ab und tauschte sie gegen die silbernen. Obwohl gut gearbeitet, waren diese schwerer und deutlich unbequemer als die goldenen. Danach nahm er ihr noch den goldenen Halsreif ab und legte ihr statt dessen den schweren, silbernen an.
„Nun zu deiner eigentlichen Strafe. Da Du scheinbar überfordert bist, mir persönlich zu dienen, wirst du die nächste Woche die gleichen Arbeiten machen,  wie meine anderen Sklaven. Da du nicht mehr in meinen persönlichen Diensten stehst, steht es dir auch nicht zu, in dieser Zeit in meinen Gemächern zu leben. Du wirst direkt zu Dimitri gehen. Er wird dir eine Kammer und Arbeiten zuweisen. Deine Aufgaben Rebecca betreffend bleiben bestehen."
Finya neigte ergeben den Kopf. So sehr sie Aaron zu Beginn gehasst hatte, so angenehm hatte sie seine Anwesenheit in letzter Zeit empfunden. „Du kannst gehen." Finya erhob sich und verneigte sich respektvoll. „Eins noch: keine Bücher und kein Garten in dieser Zeit."
Enttäuscht senkte Finya den Kopf. Aaron hatte ihr soeben ihre letzte Zuflucht genommen. „Wie ihr wünscht, Herr."
Wie befohlen machte sich Finya sofort auf die Suche nach Dimitri. Mit gesenktem Kopf und sichtlich geknickt stand sie schließlich vor ihm. „Was ist los, Finya." Dimitri sah Finya freundlich an. „Ich soll mir von Euch eine Kammer und Arbeiten zuweisen lassen." erwiderte Finya leise. Erstaunt hob Dimitri die Augenbraue. „Was ist passiert?"
Finya fühlte sich elend. Jetzt auch noch über ihren Fehler zu reden, machte es nicht wirklich besser. „Ich habe einen Fehler gemacht. Ich habe meinen Herren blamiert." erklärte sie dann jedoch. „Zur Strafe stehe ich nicht mehr in seinen persönlichen Diensten."
Dimitri nickte nur. „Dann komm." er führte sie zu den Kammern im ersten Stock. „Ich nehme an, du sollst dich dennoch um Rebecca kümmern?" Finya nickte. „Dann gebe ich dir die Kammer neben ihr." Er öffnete die Türe und ließ Finya eintreten. Der Raum sah genauso aus, wie ihre Kammer damals. Bett, Stuhl, Tisch - mehr nicht."
„Muss ich den Fenstergriff entfernen lassen?" Dimitri sah Finya prüfend an und wirkte zufrieden, als diese den Kopf schüttelte. „Darf ich denn das Fenster öffnen?" Dimitri nickte. „Dagegen ist nichts einzuwenden. Kümmere dich jetzt um Rebecca. In einer Stunde kommst du dann in die Küche zum putzen und abspülen." Finya unterdrückte ein Seufzen, nickte dann aber.
Kurz darauf betrat Finya Rebeccas Kammer.
Sie lächelte, als sie diese genau so vorfand, wie sie selbst oft in diesem Zimmer gesessen hatte. Rebecca hatte sich den Stuhl ans Fenster geschoben und saß nun dort, die Hand an der Scheibe und den Blick auf den Wald gerichtet.
„Hallo Rebecca"
Die Angesprochene wandte den Kopf und sah Finya traurig an. „Werde ich je hier herauskommen?"
Finya schüttelte langsam den Kopf, wusste sie doch genau, was Rebecca meinte. „Nur, wenn es der Wille unseres Herren ist. Aber es wird besser werden."
Rebecca löste ihre Hand vom Fenster und wandte sich Finya nun komplett zu. „Wie ist dein Herr so?"
Finya lächelte. „Unser Herr. Er ist jetzt auch dein Herr."
Rebecca kämpfte mit den Tränen. „Mein alter Herr war nicht gut zu mir. Immer hat er mich geschlagen. Aber er hat mir auch immer gesagt, dass ich Glück habe. König Aaron wäre noch viel grausamer. Ich habe Angst, Finya."
Finya seufzte leise, setzte sich dann aufs Bett. Rebecca begann wirklich, sich zu öffnen. Das hier konnte das längste Gespräch, das sie je geführt hatten, werden.
„Unser Herr ist streng. Mitunter sogar sehr streng. Er verlangt absoluten Gehorsam. Er verlangt Demut und Respekt. Das alles musste ich erst lernen. Lange habe ich mich gegen ihn gewehrt, habe mich aufgelehnt gegen ihn. Aber NIE in dieser Zeit hat er mich geschlagen."
Rebecca schaute sie aus großen Augen an. „Er hat dich wirklich nie geschlagen? Fragte sie ungläubig nach. „Nein. Er hat mich nie geschlagen. Aber seine Bestrafungen sind sehr wirkungsvoll. Manchmal wären mir Schläge sogar lieber gewesen..." Finya grinste leicht schief, doch dann wurde ihr Blick traurig. „So wie jetzt..." fügte sie dann leise hinzu. 
„Wie meinst du das?"
Finya seufzte. „Du wirst es nicht verstehen, Rebecca. König Aaron ist ein guter Herr. Zumindest, solange man seine Erwartungen erfüllt. Er hat mir sogar Privilegien gewährt und ich habe ihm im Gegenzug mit Stolz gedient, habe ihn sogar mit Stolz bedient. Doch ich habe einen Fehler gemacht. Ich habe ihn enttäuscht. Ich habe ihn...blamiert. Deswegen hat er mir alle Privilegien, die ich hatte, wieder entzogen."
Rebecca blickte Finya mit Unverständnis an. „Das heißt doch, dass du weniger Zeit bei ihm verbringen musst. Das müsste dich doch freuen."
Finya schüttelte traurig den Kopf. „Ich sagte doch, du wirst es nicht verstehen...kannst es nicht verstehen...Ich habe die letzten Wochen, seit ich bei ihm bin, gelernt ihm zu vertrauen. Ich habe gelernt, ihn zu respektieren. Es mag seltsam klingen, aber ich empfinde seine Anwesenheit irgendwie als angenehm."
Langsam nickte Rebecca. „Du magst ihn wirklich." Es war keine Frage, es war eine Feststellung.
Die beiden Frauen wurden von Dimitri unterbrochen, der mit einem Becher den Raum betrat. Rebecca begann zu zittern und versuchte, sich auf ihrem Stuhl möglichst klein zu machen. Dimitri wandte sich zunächst an Finya. „Ich habe dir eine Flasche Noxanum in deine Kammer gestellt. Du wirst Rebecca weiterhin täglich den Trank bringen." Er sah abschätzend auf Rebecca hinab. „Hast du noch starke Schmerzen?" Seine Stimme war freundlich. Dennoch zuckte sie zusammen, als ob er sie geschlagen hätte. „N....nein, Herr" brachte sie stotternd hervor. Dimitri seufzte. „Mein Name ist Dimitri." erklärte er geduldig und wohl nicht zum ersten Mal, wandte sich dann wieder an Finya. „Ich denke, ein halber Becher sollte inzwischen ausreichend sein."
Finya verneigte sich leicht, wirkte aber erneut unglücklich, hatte Dimitri sie doch wieder an ihre Strafe erinnert.
Dimitri drückte Finya den Becher in die Hand. „Ich denke, es ist besser, wenn du ihr den Trank gibst. Danach meldest du dich dann in der Küche."

Finya 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt