Mit einem leichten Kopfschütteln legte Jonas den Mann vor dem Pfahl ab. Es war fast zu leicht gegangen, den Vampir zu überwältigen. Er hatte zumindest mit etwas mehr Gegenwehr gerechnet.
Kurz besah er sich die Konstruktion am Pfahl und befestigte dann die Ketten an den Handgelenken des Bewusstlosen. Fast sofort bildeten sich rote Male, wo die Fesseln die Handgelenke berührten. Über einen Seilzug zog er den Körper nach oben, bis die Füße gerade so noch bequem den Boden berühren konnten.
Schließlich trat er auf den Gefangenen zu und hob prüfend dessen Kopf an. Jonas seufzte leicht. Wenn er wollte, dass der Mann zeitnah wieder zu Bewusstsein kam, würde er nachhelfen müssen. Er griff sich einen Eimer, füllte ihn mit Wasser und kippte ihn dem Mann über den Kopf.
Augenblicklich straffte sich der Körper des Vampirs. Sein Kopf ruckte nach oben und er stöhnte auf. Reflexartig wollte er sich an seinen schmerzenden Kopf greifen, doch die Ketten an seinen Händen verhinderten dies. Mit vor Schreck geweiteten Augen sah sich der Mann um. Nur langsam registrierte er, wo er sich befand.
Schließlich blieb der Blick des Vampirs unsicher auf Jonas hängen. Jonas konnte die Angst des Mannes nicht nur sehen, sondern förmlich riechen.
Er beobachtete den Gefangenen genau, doch dieser verhielt sich ruhig und hatte erneut den Kopf gesenkt.
Kurz darauf öffnete sich die Türe und eine sichtlich schlecht gelaunte Garde betrat den Raum.
Dimitri ging auf den Gefangenen zu und kontrollierte die Fesseln. Dann winkte er Jonas zu sich her und deutete auf die Kette, die zur Decke gespannt war. „Diese Kette musst Du stärker spannen." erklärte er ihm und zog ruckartig und wenig feinfühlig die Kette an, bis der Gefangene gerade noch mit den Zehen den Boden berührte. Der Mann stöhnte auf und versuchte, sein Gleichgewicht zu halten um nicht komplett in den Ketten zu hängen. Dimitri sah ihn lediglich abschätzig an. Grob packte er ihn am Arm und stoppte so sein Pendeln, ließ ihn dann wieder los. „Hör auf mit dem Schauspielern."
Kurz darauf öffnete sich die Türe erneut und der König betrat den Raum. Die gesamte Garde sank vor ihm auf das Knie. Auch Jonas tat es ihnen gleich.
Der Gefangene hingegen blickte den König mit sichtlicher Angst in den Augen an, senkte dann aber wieder ergeben den Blick.
Auf ein kaum merkliches Zeichen hin, erhoben sich die Wachen wieder.
„Wo sind die anderen Gefangenen?" Aarons Blick wanderte fragend über die Reihe seiner Garde.
Dimitri machte einen Schritt nach vorne. „Sie haben sich unserem Zugriff entzogen und sich selbst getötet, Hoheit, bevor wir nahe genug an sie heran gekommen waren." Deutlich schwang Verärgerung in seiner Stimme mit. Aaron hob erstaunt die Augenbrauen. „Wie können sie sich so plötzlich selbst getötet haben?" hakte er nach. „Das ist uns auch ein Rätsel. In einem Moment sind sie noch vor uns geflohen, im nächsten lagen sie tot am Boden." erklärte Eric, nicht weniger verärgert als Dimitri.
Die Ketten rasselten leise, als sich der fremde Vampir leicht bewegte. Augenblicklich fixierten ihn neun Augenpaare.
Der Mann hatte sich, so gut es ihm möglich war, aufgerichtet und den Kopf gehoben.
Aaron sah, wie er schwer schluckte. Sein Blick lag zwar aufrichtig, aber dennoch angstvoll und unsicher auf dem König.
Interessiert trat Aaron einen Schritt näher auf den Mann zu. Erneut schluckte dieser schwer. „Sie...haben sich mit Silberpulver getötet, Hoheit."
Der Vampir zuckte zusammen, als Aaron einen weiteren Schritt auf ihn zumachte und verlor sein ohnehin instabiles Gleichgewicht. Kurz darauf hing er erneut unkontrolliert und stöhnend in den Ketten.
Aaron nickte Dimitri kurz zu. Dieser trat auf den Mann zu, stabilisierte seinen Körper und lockerte die Kette soweit, dass der Mann stabil stehen konnte. „Danke, Hoheit." wandte sich der Vampir an den König und neigte den Kopf.
„Du scheinst kooperativ zu sein. Wenn das so bleibt besteht kein Grund, dich zu quälen und ich gewähre dir am Ende einen schnellen Tod." erwiderte Aaron lediglich trocken und begann, den Vampir zu umrunden.
In seinem Rücken blieb er stehen. „Name?" sprach er den Mann unvermittelt an. „David, Hoheit."
Aaron nickte leicht. „Dann erkläre mir doch mal, David, wie die beiden so plötzlich an Silberpulver gekommen sind?"
David senkte den Kopf noch weiter. Was brachte das alles hier noch? Wenn er sowieso starb, könnte er es auch gleich selbst zu Ende bringen. Mit der Zunge tastete er nach der verhassten Kapsel in seiner Backentasche.
Leise seufzte er. Es wäre ein sehr schmerzhafter Tod.
Aaron wurde unterdessen ungeduldig. „Ich kann die Befragung auch höchst unangenehm für dich gestalten..." drohte er.
David schüttelte resignierend den Kopf. „Das wird nicht nötig sein, Hoheit. Ich werde reden."
Aaron trat wieder vor ihn. „Dann sprich."
„Uns allen wurde eine Kapsel mit Silberpulver in die Wangentasche eingesetzt. Wir sollten sie zerbeißen und uns so selbst töten, falls wir entdeckt werden und dadurch verhindern, gefangen genommen zu werden."
„Ah..." Aaron hob skeptisch die Augenbraue. „Und hast du auch solch eine Kapsel?"
David nickte lediglich.
Aaron blickte zu Arvid und Kjell. „Entfernt die Kapsel."
David's Augen weiteten sich und er versuchte, nach hinten auszuweichen. Auch wenn er ohnehin sterben würde, diesen Tod wollte er nicht. Arvid und Kjell packten ihn und hielten ihn fest.
„Mach den Mund auf sonst öffnen wir ihn dir..."
Eric war dazu getreten und hielt seinen silbernen Dolch in der Hand.
Panisch wanderte Davids Blick zwischen den Vampiren hin und her und blieb schließlich auf Aaron liegen.
„Bitte, Hoheit...hört mich erst an." flehte er.
Skeptisch hob dieser eine Augenbraue. Dann hob er jedoch leicht die Hand und hieß seine Männer so, zu warten.
Erleichtert atmete David aus. Augenblicklich hörte er auch auf, sich gegen Arvids und Kjells Griff zu wehren.
„Danke, Hoheit." Aaron blickte ihn lediglich ungeduldig an. „Sag, was du zu sagen hast."
„Ich wurde davor gewarnt, die Kapsel zu entfernen, da sie dabei zerbricht und das Silberpulver freisetzt..." erklärte David daraufhin. „Bitte...auch wenn ich ohnehin sterben werde...zuvor solltet Ihr einige Dinge erfahren."
Aaron brummte unzufrieden. Sein Gefangener hatte Recht. Er musste wissen, mit welchem Auftrag sich David der Burg genähert hatte. Allerdings konnte er nicht riskieren, dass dieser sich doch noch selbst tötete. „Wenn du weiterhin kooperativ bist, bin ich vielleicht gewillt, dich am Leben zu lassen." David schüttelte nur traurig den Kopf. „Mein Leben ist verwirkt, Hoheit. Aber Ihr habt mein Wort, dass ich kooperiere. Das ist das Einzige, was mir noch bleibt."
Aaron runzelte die Stirn. „Arvid wird prüfen, ob er die Kapsel entfernen kann." entschied er schließlich.
Ergeben nickte David und ließ Arvid die Lage der Kapsel in seinem Mund prüfen. Obwohl mehr als nur angespannt, hielt er still.
Nach einer Weile drehte sich Arvid schließlich zu Aaron um. „Wenn er absolut still hält, sollte es mir möglich sein, die Kapsel zu entfernen, allerdings nicht gerade schmerzfrei. Sie ist in der Wange verklebt. Aaron zuckte nur die Schultern.
David blickte erneut zu Aaron. „Ich werde tun, was nötig ist, um diese vermaledeite Kapsel loszuwerden." versprach er.
Aaron nickte leicht.
„Andrej und Kjell. Ihr haltet ihn fest und sorgt dafür, dass er sich nicht rührt."
Arvid griff nach einer schmalen Zange und schob sie in Davids Mund. Unbemerkt nahm er in die andere Hand ein scharfes Skalpell „Das wird jetzt weh tun..." warnte er und nickte seinen beiden Kollegen kurz zu. Sofort festigten diese ihren Griff an Davids Schultern. Arvid schob die Zange in Davids Mund und griff behutsam die Kapsel. Im nächsten Moment schrie dieser vor Schmerz und bäumte sich im Griff der beiden Wachen auf.
„Erledigt." erklärte Arvid nur und hielt die blutige Kapsel, die er herausgeschnitten hatte, mit der Zange nach oben.
David keuchte vor Schmerz. Mit der Zunge fuhr er über die blutende Innenseite seiner Backe.
Durch die Silberketten, die er trug, setzte jedoch keine Heilung ein.
Abschätzend blickte Arvid auf den Gefangenen, bevor er sich an seinen König wandte.
„Es wäre wahrscheinlich gut, die weitere Befragung zu verschieben, Hoheit."
„Für wie lange?" fragte dieser sichtlich unzufrieden. „Wenn ihr wollt, dass er die Befragung möglichst lange durchsteht...vielleicht ein Tag. Kürzer, wenn er ausreichend Blut bekommt und wir ihm die Silberketten abnehmen."
Aaron knurrte gereizt. „Macht ihn los und bringt ihn in eine Zelle. Gebt ihm meinetwegen auch Blut."
Er wollte sich gerade umdrehen und aus dem Zimmer rauschen, als David ihn leise ansprach. „Hoheit..."
Aaron drehte sich um und funkelte David wütend an. „Was?!?"
„Ich...glaube, es... wäre besser, wenn Ihr... mich jetzt...weiter befragt..." immer wieder legte David Pausen beim Sprechen ein. Das Sprechen viel ihm offensichtlich schwer und bereitete ihm Schmerzen. Bereits jetzt war seine Wange stark geschwollen. Nicht nur Aaron's Blick legte sich mit Erstaunen auf den Mann. „Und warum sollte das besser sein?" Ein weiteres Mal machte Aaron einen Schritt auf den Mann zu und wie die letzten Male senkte dieser den Kopf. Dann sah er Aaron jedoch direkt an.
„Weil Ihr wissen solltet, was Imperator Aegir plant, Hoheit."
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Finya 2
VampireBitte zuerst Teil 1 lesen! Finya hat ihren Platz als Sklavin an König Aaron's Seite letztendlich akzeptiert. Dennoch sieht sie sich immer wieder neuen Herausforderungen gegenüber. Wird sie Aaron weiterhin vertrauen oder wird sie doch scheitern?