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Schweigend und nachdenklich blieb Aaron neben seinem Schreibtisch stehen.
„Ich werde dich für die nächste Zeit zu meinem Bruder schicken, Finya." ergriff er schließlich das Wort, ohne sie jedoch anzusehen.
Ein entsetztes Aufkeuchen zeigte ihm mehr als deutlich, was Finya von seinem Plan hielt.
Langsam drehte er sich zu seiner Sklavin um.
Finya war aufgestanden und stand bleich und zitternd auf der anderen Seite des Schreibtischs. Heftig schüttelte sie den Kopf und fing an, zurück zu weichen. „Schickt mich nicht fort, Herr. Ich will bei Euch bleiben."
Aaron's Blick lag streng, fast schon hart auf seiner jungen Sklavin. „Ich habe meine Entscheidung getroffen, Finya. Du wirst zu meinem Bruder gehen, bis hier wieder alles sicher ist."
„Nein..." Finyas Stimme wirkte fast schon verzweifelt.
Leicht ungehalten blickte Aaron auf seine Sklavin, die immer weiter vor ihm zurück wich.
Er hatte gedacht, dass sie über diesen Punkt lange hinweg waren. „Finya." sprach er sie erneut streng an. „Hör auf, dich mir zu widersetzen."
Inzwischen hatte Finya Tränen in den Augen. Abrupt wandte sie sich um und rannte in Richtung Türe.
Nun doch eindeutig verärgert hob Aaron leicht die Hand und Gregori fing die junge Sklavin sanft, aber bestimmt, ab.
Verzweifelt fing Finya an, gegen Gregoris Brust zu schlagen, doch dieser schlang lediglich seine Arme um sie und stoppte sie so.
„Bring sie in ihre Kammer in meiner Wohnung." wies Aaron ihn an. „Sie wird die Kammer vorerst nicht verlassen. Ich kümmere mich später um sie."
„Komm, Finya." sprach Gregori sie leise an und führte sie hinaus.
Er hatte gerade den Raum verlassen, als Dimitri zurück kehrte. Skeptisch lag sein Blick auf der sichtlich geknickten Sklavin.
Ruhig trat er in das Büro und schloss die Türe.
Aaron lehnte an seinem Schreibtisch und wirkte mindestens genauso geknickt wie seine Sklavin.
Langsam ging Dimitri auf seinen Freund zu.
„Du hast es verbockt..." stellte er fest.
Aaron nickte nur. „Soll ich mit Finya reden?"
Erneut schüttelte Aaron den Kopf. „Danke Dimitri. Aber dieses Mal nicht. Dieses Mal muss ich selbst mit ihr sprechen."
Er seufzte. „Heute habe ich sie wirklich als das behandelt, was sie ist. Ich fürchte, ich habe ihr Vertrauen in mich zerstört."
Dimitri nickte verstehend. „Sie ist dir treu ergeben. Ihr Vertrauen in dich ist tief. So schnell wirst du es nicht zerstören. Sprich mit ihr.Erkläre dich. Sie wird dich verstehen und deine Entscheidung akzeptieren."
Langsam hob Aaron den Kopf. „Danke, Dimitri, für deinen Rat."
Er richtete sich weiter auf. „Ich sollte zu ihr gehen..."
Dimitri lächelte. „Du weißt, wo du mich findest, Aaron."
Kurz darauf betrat Aaron seine Wohnung.
Gregori saß, den Blick zu Finyas Kammer gerichtet, auf einem der Sessel.
Fragend blickte Aaron zu Gregori. „Sie ist verzweifelt und hat Angst." beantwortete dieser die unausgesprochene Frage.
Aaron nickte und trat auf die Türe zu. Die Hand auf dem Türgriff hielt er inne, zögerte.
Dann straffte er sich auf einmal und öffnete langsam die Türe.
Nur am Rande bekam er mit, wie Gregori den Raum verließ.

Finya saß auf ihrem Bett, den Blick zum Fenster gerichtet, und blickte ins Leere. Sie hatte aufgehört, zu weinen. Statt dessen wirkte sie teilnahmslos. Aaron schauderte leicht.
Erst einmal hatte er sie so gesehen. Damals, als er sie nach ihrer Flucht aus dem Kerker hatte holen lassen. Und bereits damals hatte sie ihm so nicht gefallen.
Er seufzte lautlos und ging langsam auf sie zu. Finya rührte sich nicht. Sie reagierte nicht einmal, als die Matratze neben ihr nachgab, als Aaron sich neben sie setzte.
„Finya..." sprach er sie ruhig an. Langsam, als ob sie aus einer tiefen Trance erwachte, hob Finya den Kopf und wandte den Blick zu ihm, ohne ihn jedoch anzusehen.
„Ich werde mich Euch nicht weiter widersetzen, Herr." erwiderte sie tonlos."
Innerlich zuckte Aaron bei diesem Tonfall zusammen, noch mehr, als Finya von ihrem Bett glitt und demütig vor ihm auf die Knie sank.
Sanft griff Aaron sie an den Armen und zog sie nach oben. „Steh auf und sieh mich an, Finya." „Warum?" erwiderte Finya immer noch tonlos und irgendwie verletzt. „Ihr habt mir meine Stellung klar gemacht, Herr."
Aaron unterdrückte ein Knurren. „Finya, lass mich dir meine Entscheidung erklären." versuchte er erneut, zu Finya durchzudringen.
Langsam schien sich Finyas Blick zu klären. Erleichtert bemerkte Aaron, wie Finya ihn nun ansah.
Freundlich lächelte er sie an und zog sie sanft neben sich auf das Bett.
„Finya...begann er schließlich. „Du bist inzwischen weit mehr als nur eine Sklavin für mich. Und gerade deswegen möchte ich dich schützen."
Kurz musterte er Finya um sicher zu sein, dass sie ihm zuhörte.
„Ich weiß nicht, wie die Begegnung mit Imperator Aegir endet. Für den Ernstfall möchte ich dich jedoch in Sicherheit wissen. Der Imperator soll dich nicht in die Finger bekommen." erklärte er dann.
„Glaub nicht, dass es mir leicht fällt, dich wegzuschicken, denn ich habe dich gerne um mich. Du vermagst es, mir die Ruhe zu geben, die ich oft so dringend benötige."
Langsam nickte Finya. „Ich verstehe Eure Absichten, Herr. Aber bitte, schickt mich nicht weg. Ich möchte bei Euch bleiben." flehentlich sah sie ihren Herren an. „Außerdem würde mich der Imperator bei Eurem Bruder als erstes suchen..." Finya lächelte schwach, als Aaron sie erstaunt ansah. Diesen Punkt hatte er nicht bedacht.
„Bist du dir wirklich sicher?" prüfend lag sein Blick auf Finya. Es erfüllte ihn mit Stolz, dass Finya an seiner Seite bleiben wollte.
„Ja, Herr. Ich bin mir sicher." erwiderte Finya.
Aaron lächelte. „Dann darfst du bei mir bleiben."
Sein Blick wurde etwas strenger. „Sollten sich die Dinge allerdings negativ entwickeln, werde ich dich mit einer Wache wegschicken und erwarte, dass du ohne Widerstand gehst. Verstanden?"
Finya lächelte schwach. „Ich gebe Euch mein Wort, Herr."
Aaron wirkte zufrieden. „Dann komm." Er stand auf und zog Finya mit sich. „Lass uns zu Abend essen."

Am nächsten Morgen traf Aaron sich mit Dimitri, um den Tag zu besprechen. Erleichtert registrierte Dimitri, dass Finya entspannt und gelöst neben ihrem Herren kniete.
„Wie ich sehe, konntest du mit Finya alles klären..." stellte er fest.
„Wann soll ich sie zu Fürst Silas bringen?"
Aaron schmunzelte. „Gar nicht, mein Freund."
Erstaunt hob Dimitri die Augenbraue. „Finya wird hierbleiben." erklärte er dann. „Nebenbei hat sie mich daran erinnert, dass Aegir sie bei meinem Bruder als erstes suchen würde."
Dimitri nickte zustimmend. „Sollte die Situation allerdings eskalieren, wirst du sie wegbringen. Und nein. Ich diskutiere nicht mit dir. Im Ernstfall wirst du meine Seite verlassen und Finya schützen."
Während Dimitri sich widerwillig dem Befehl seines Herrschers zu beugen schien, blickte Finya ihn direkt an. „Falls die Situation eskaliert, werdet Ihr Dimitri dringend brauchen, Herr. Ich...würde mich wohler fühlen, wenn er dann an Eurer Seite ist."
„Ich werde darüber nachdenken." versprach Aaron und strich Finya durch das Haar.

Inzwischen war eine Woche vergangen, seit Arvid, Kjell und Jonas aufgebrochen waren.
Langsam wurde Aaron nervös. Noch immer hatte er nichts von den dreien gehört.
Fast täglich hatte er eine Wache zu Jaro schicken lassen, in der Hoffnung, doch noch weitere Informationen zu erhalten, aber erfolglos.
Zwar gab sich Jaro weiterhin kooperativ, obwohl es ihm inzwischen besser ging, doch schien er wirklich nicht mehr zu wissen.
Frustriert hatte Aaron diese Versuche schließlich eingestellt.
Statt dessen nahm er selbst nun täglich am Training seiner Garde teil, um bestmöglich auf den bevorstehenden Kampf vorbereitet zu sein.
Gleichzeitig half ihm dieses Training, sich abzulenken und seine Ungeduld zu zügeln, was ansonsten nur Finya gelang.

Finya 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt