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Bereits früh am nächsten Morgen stand Finya auf und machte sich für den Tag fertig.
Die Hand schon auf der Klinke ihrer Kammer zögerte sie.
Beinahe ruckartig drehte sie sich wieder um und setzte sich an ihren kleinen Schreibtisch. Im Schein einer Lampe nahm sie Papier und Feder zur Hand und begann langsam und konzentriert zu schreiben.
Zufrieden mit ihrem Werk trocknete sie die Tinte und faltete das Papier zusammen.
Mit einem leisen Klicken schloss sich die Türe ihre Kammer hinter ihr.
Bemüht, kein Geräusch zu machen, trat sie vor die Schlafzimmertüre ihres Herren und schob leise den Zettel unter der Türe hindurch. Dann verließ sie die Gemächer.

Aaron war bereits erwacht, als er Finyas Zimmertüre gehört hatte. Stirnrunzelnd sah er zu, wie der Zettel unter seiner Türe hindurchgeschoben wurde. Schnell stand er auf, griff nach dem Zettel und überflog die Zeilen, die dort geschrieben standen. Schmunzelnd las er ihn ein zweites Mal.
‚Herr, bitte macht Euch keine Gedanken. Ich bin auf dem Weg zu Eurer Garde um mit Arvid und Kjell zu sprechen. Finya." stand dort in der noch immer ungeübten Schrift seiner Sklavin.
Lächelnd legte er den Zettel zur Seite und verließ sein Schlafzimmer.

Finya ging durch die dunklen Gänge der Burg in Richtung Erdgeschoss. Vor der geöffneten Türe zum Innenhof blieb sie stehen. Sie konnte bereits die Wachen bei ihrem Training hören. Sie zögerte. Durfte sie überhaupt alleine in den Innenhof?
Auf einmal hob Dimitri den Arm und gab somit das Zeichen, die Übungskämpfe zu unterbrechen.
Sein Blick wanderte direkt zu Finya. Als er ihr zunickte, betrat sie den Innenhof und ging auf die Garde zu. „Ist alles in Ordnung, Finya?" richtete Dimitri das Wort an die junge Frau. „Ja, Dimitri." Finya lächelte. „Ich...wollte nur mit Arvid und Kjell reden...also wenn Ihr hier fertig seid..."
Dimitri nickte ihr freundlich zu. „Du kannst jetzt gleich mit ihnen reden. Wir wollten ohnehin gerade eine Pause machen."
Arvid und Kjell sahen sich kurz an und nahmen Finya dann freundschaftlich in ihre Mitte. „Komm mit, Finya."
Gemeinsam gingen sie an den Rand des Innenhofs und setzten sich dort auf eine Bank.
„Du willst also eine Tätowierung haben?" platzte Kjell auch sogleich heraus. Finya nickte. „Ja. Ich möchte das Zeichen meines Herren so tragen, dass es nicht mehr entfernt werden kann." „Und jetzt willst du Informationen, wie das funktioniert." stellte Arvid fest. Finya nickte.
Arvid krempelte seinen Ärmel hoch und entblößte so seine Tätowierungen.
„Zuerst muss ich eine spezielle Farbe anrühren. Diese Farbe muss unter die Haut gestochen werden. Dafür habe ich spezielle...Werkzeuge, je nachdem wie flächig das Tattoo werden soll. An solchen Stellen..." er deutete auf einen Bereich, der komplett schwarz eingefärbt war „habe ich einen Stab, an dem viele Nadeln angebracht sind, die alle gleichzeitig in die Haut eindringen.
„An solchen Stellen..." er deutete auf einen filigraneren Abschnitt der Tätowierung „...nehme ich entweder eine einzelne Nadel oder einen Stab mit wenigen Nadeln." erklärte er. „Die Nadeln tauche ich immer wieder in die Farbe. Wenn ich damit in die Haut steche, dringt die Farbe tief ein. Sobald die Haut wieder verheilt ist, bleibt die Farbe für immer eingeschlossen."
Finya schluckte leicht. Sie hatte keine Angst vor den Schmerzen und doch war der Gedanke....seltsam...
Arvid beobachtete Finya genau. „Du musst es nicht tun. Aaron wird so etwas nie von dir fordern. Und er wird auch nicht enttäuscht sein, wenn du dich doch dagegen entscheidest. Im Gegenteil. Er wäre mehr als enttäuscht, wenn du es nur tust, um ihn zufrieden zu stellen."
Finya schüttelte den Kopf. „Nein. Ich will es. Es ist nur...."
„Wenn du Angst vor den Schmerzen hast, können wir dir Noxanum geben." warf Kjell ein.
Finya lachte freudlos auf. „Ich bezweifle, dass die Schmerzen schlimmer sein können als das, was Haruto mir zugefügt hat." Arvid nickte ernsthaft. „Das ist wohl wahr. Ich will es nicht beschönigen. Je nachdem, wo die Tätowierung hin soll, kann es durchaus schmerzhaft sein. Aber durch Haruto weiß ich, dass du schon deutlich stärkere Schmerzen ertragen musstest."
„Wo würdet Ihr die Tätowierung denn hin machen?" fragte Finya weiter.
Arvid lächelte. „Das kannst du gemeinsam mit Aaron entscheiden. Es kommt natürlich darauf an, wie groß es werden soll und wie gut es sichtbar sein soll.
Möglich wäre es zum Beispiel hier..." er tippte auf Finyas Handgelenk. „Da wäre es dann aber eher klein. „Grundsätzlich kann ich jede Stelle deines Körpers tätowieren. Daher solltest du dir erst einmal klar werden, ob du es wirklich willst. Dann können wir uns zu dritt zusammensetzen und alles weitere besprechen." erklärte Arvid.
Finya lächelte. „Ich bin mir bereits sicher, Arvid, aber mein Herr möchte, dass ich eine Bedenkzeit einhalte."
Arvid schmunzelte. „Alles andere hätte mich bei ihm auch erstaunt."
Finya lächelte. „Danke, dass Ihr Euch Zeit genommen habt..." „Sehr gerne." erwiderten die Brüder zeitgleich.

Zufrieden verließ Finya den Innenhof. Kurz ging sie in der Küche vorbei und holte den Frühstückswagen für ihren Herren und betrat wenig später seine Gemächer. Die Sonne stand noch sehr tief. Trotzdem saß Aaron bereits in seinem Sessel, den er zur Türe gedreht hatte und blickte sie scheinbar streng an. Finya erwiderte den Blick sichtlich verunsichert. „Guten Morgen, Herr." grüßte sie ihn vorsichtshalber mit der korrekten Ansprache. "Aaron" erwiderte er und begann zu lächeln. Finya legte irritiert und fragend den Kopf schief. „Hier in diesen Räumen darfst du mich mit meinem Namen ansprechen" erklärte er. Finya lächelte, wirkte aber leicht überfordert. „Ich weiß nicht ob ich das kann..." erwiderte sie zaghaft. Aaron winkte ihr, näher zu kommen. „Du musst es nicht tun. Aber wenn du es möchtest, erlaube ich es dir." erklärte er. Er wartete, bis Finya auf der Terrasse den Tisch gedeckt hatte  und setzte sich dann gemeinsam mit ihr zum Frühstück. „Wie lief dein Gespräch mit Arvid und Kjell? Haben sie dir alles erklärt?" „Ja, Herr. Und ich möchte es nach wie vor." Aaron blickte sie nachdenklich an. „Und du bist dir wirklich sicher?" Finya nickte. „In Ordnung. Ich weiß, dass du bereits vor dem Gespräch viel darüber nachgedacht hast. Da mir die Idee selber auch gefällt, bin ich ohne weitere Bedenkzeit einverstanden. Wenn du möchtest, weise ich Arvid an, es noch diese Woche zu stechen." „Sehr gerne, Herr." „Hast du schon eine Idee, wo du mein Zeichen tragen willst?" Finya schüttelte den Kopf. „Arvid meinte, es käme auch darauf an, wie groß es werden soll..."
Aaron nickte. „Das ist richtig. Aber es kommt auch darauf an, ob man es sofort sehen soll oder nicht." erklärte er. „Ich könnte es mir gut unter dem Schlüsselbein oder an deinem Handgelenk vorstellen. Oder aber auf dem Arm. Das sind alles Stellen, an denen man es sofort sehen kann." Finya nickte. „Ich will, dass man es sofort sieht." erklärte sie. „Könnt Ihr es nicht einfach entscheiden, Herr? Ich wäre mit allen Stellen einverstanden." Aaron neigte leicht den Kopf. „Wenn das dein Wunsch ist, werde ich es gerne tun.
Als beide ihr Frühstück beendet hatten, lehnte Aaron sich entspannt zurück. „Komm zu mir, Finya."
Finya sank vor ihm auf die Knie. Aaron holte eine Schatulle aus seinem Umhang, öffnete sie, holte die goldene Kette hervor und legte sie Finya um den Hals. „Yorick hat deine Kette repariert. Ich nehme an, du willst sie wieder tragen?" „Sehr gerne sogar." Finya stand auf und sah ihren Herren an. „Vielen Dank. Ich verdanke Euch so viel..." sie zögerte kurz. „...Aaron..." fügte sie dann leise und vorsichtig hinzu.
Aaron lächelte zufrieden. „Dann komm jetzt. Wir müssen in den Thronsaal, um noch einmal mit Jonas zu reden."

Finya 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt