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Kaum, dass sich die Türe hinter Jonas geschlossen hatte, stand Aaron auf. „Komm, Finya." er seufzte. „Noch können wir uns wohl keinen gemütlichen Abend machen..."
Wenig später nahm er an seinem Schreibtisch im Büro Platz. „Setz dich auf den Hocker und bleib dort sitzen." forderte er Finya auf. „Was werdet Ihr mit dem Mann machen, Herr?" Aarons Blick wurde nachdenklich. „Er hat versucht zu fliehen. Daher werde ich ihn bestrafen." erwiderte er ruhig, aber bestimmt. „Wie hart die Strafe ausfällt, hängt von ihm ab." Finya nickte leicht.
Kurz darauf öffnete sich bereits die Türe und zwei Wachen führten einen Sklaven herein. Der Mann ging ohne Gegenwehr mit seinen Wachen mit, hielt den Kopf aber gesenkt und wirkte irgendwie....traurig, verzweifelt.
Als sie vor dem Schreibtisch zum Stehen kamen, wollte er sogleich auf die Knie gehen, wurde aber durch den Griff der Wachen davon abgehalten. Erst, als Aaron den Wachen zunickte, lösten sie ihren Griff, blieben aber neben dem Mann stehen.
Der Mann sank auf die Knie und hielt den Kopf gesenkt.
Aaron stand auf, ging um den Schreibtisch herum und blieb dicht vor dem Sklaven stehen. „Wie heißt du?" Aarons Stimme war kühl und bar jeder Emotion. Nichts ließ auf seine Stimmung schließen. „Simon, Herr." erwiderte der Mann leise. „Sieh mich an, wenn ich mit dir spreche." forderte Aaron streng. Der Mann hob langsam den Kopf und sah Aaron an. Als er dessen stechende Augen sah, zuckte er leicht zusammen. „Ich heiße Simon, Herr." wiederholte er dann.
Aaron nickte nur. „Also gut...Simon...Du weißt, warum ich dich hab zu mir bringen lassen?"
Für einen kurzen Moment senkte Simon den Blick. „Ja, Herr. Ich habe gestern versucht zu fliehen." Simon schluckte merklich, hatte offenbar Mühe, seine Emotionen unter Kontrolle zu halten.
Langsam ging Aaron einmal um Simon herum und blieb schließlich wieder vor ihm stehen.
„Warum wolltest du fliehen?" Aarons Stimme war kalt, aber ruhig. Simons Schultern, begannen leicht zu beben. „Ich....wollte nicht wirklich fliehen, Herr." Als er Aaron dieses Mal ansah, lag pure Verzweiflung in seinem Blick. „Ah...." erwiderte Aaron trocken. „Du hast einen Moment der Unruhe ausgenutzt, um wegzulaufen. Was außer Flucht sollte das gewesen sein?"
Simon sackte merklich in sich zusammen. Leicht schüttelte er den Kopf. „Ihr werdet mir ohnehin nicht glauben..." murmelte er leise, jedoch nicht leise genug. Aaron konnte jedes Wort deutlich verstehen.
Aaron seufzte und setzte sich wieder hinter seinen Schreibtisch. „Ob ich dir glaube oder nicht, werde ich selber entscheiden. Ich erwarte von dir, dass du offen und ehrlich bist."
Ohne jegliche Hoffnung hob Simon den Blick. „Meine Frau ist schwanger." begann er. „Mein erstes Kind müsste dieser Tage geboren werden." Er atmete tief durch, bemühte sich um Beherrschung. „Ich wollte mein Kind nur einmal im Arm halten, Herr. Danach wäre ich sofort zurück gekommen."
„Und das soll ich dir glauben..." Simon blickte Aaron offen und aufrichtig an. „Ich würde nie riskieren, dass mein Kind zu einem gefallenen Kind wird."
Aaron blickte zu Finya. „Hol Ivar und Andrej hierher." forderte er sie auf.
Simons Augen weiteten sich in Angst. Dann warf er sich verzweifelt vor Aaron auf den Boden. „Bitte, Herr. Ich werde alles tun, was Ihr verlangt, aber tut meiner Familie nichts."
„Steh auf." forderte Aaron ruhig und wartete, bis Simon stand. „Du erwartest von mir, dass ich deinem Wort vertraue, legst aber selbst keinerlei Vertrauen in mich." richtete er das Wort tadelnd an Simon.
„In welchem Dorf wohnt deine Familie?" Simon senkte traurig den Kopf. Bevor er antworten konnte, betraten Andrej und Ivar zusammen mit Finya den Raum. „Nun...?" erinnerte Aaron ihn an seine Frage. „Das Dorf hat keinen Namen. Ich kann Euch nur beschreiben, wo es liegt." Aaron nickte nur und ließ ihn die Lage beschreiben. "Reicht Euch das?" wandte er sich an seine beiden Gardewachen. Die beiden nickten nur. „Dann macht Euch auf den Weg. Überprüft, ob die Geschichte des Sklaven stimmt. Sollte das der Fall sein, bringt die Frau und gegebenenfalls das Kind hierher." Andrej und Ivar verneigten sich und verließen dann den Raum.
Simon sackte nun gänzlich in sich zusammen, schien noch verzweifelter als zuvor. „Wie hast du eigentlich die Pferde zum Steigen gebracht?" Simon lächelte freudlos. „Ich hatte in den Ställen eine Maus gefangen. Die habe ich dann frei gelassen und die Pferde haben Angst vor ihr bekommen."
Aaron nickte, wandte sich dann an die Wachen. „Bringt ihn zurück in den Kerker."
Finya, wartete, bis sich die Türe geschlossen hatte und sah ihren Herren dann fragend an. „Was habt Ihr mit seiner Familie vor, Herr?" Aaron schmunzelte. „Du bist zu gutherzig, meine kleine Sklavin. Aber ich bin kein Unmensch. Wenn seine Geschichte der Wahrheit entspricht, werde ich ihn sein Kind sehen lassen. Wenn er sich bewährt, werde ich seine Familie in der Burg unterbringen und er wird sie, nach seiner Strafe, regelmäßig sehen dürfen."
Aaron schmunzelte. „Und den schlimmsten Teil seiner Strafe macht er ohnehin jetzt gerade durch." Finya lächelte. „Ihr meint die Angst, was Ihr mit seiner Familie vorhabt?"
Aaron lächelte. „Du kennst mich inzwischen wirklich gut."

Etwa eine Woche später saß Aaron erneut mit Finya an seiner Seite in seinem Büro. Am Fenster stand eine junge, zitternde Frau, die ein Neugeborenes in den Armen hielt. Ängstlich wanderte ihr Blick immer wieder zu Aaron.
Schließlich öffnete sich die Türe und Simon betrat, in Begleitung von Ivar und Andrej, das Büro.
Als Simon die Frau sah, spannte sich sein Körper sichtlich an und seine Augen blitzten freudig auf. Fast wirkte es, als ob er auf die Frau zustürmen wollte, doch sichtlich mühsam beherrschte er sich. Stattdessen ging er auf seinen Herren zu und sank vor ihm auf die Knie. Zufrieden beobachtete Aaron sein Verhalten. Schließlich nickte er ihm zu. „Du kannst aufstehen und deine Frau und dein Kind begrüßen."
Simon erhob sich und verneigte sich tief vor seinem König, bevor er fast schon auf seine Frau zu rannte und diese mit Tränen in den Augen in die Arme schloss. Behutsam nahm er dann sein Kind in den Arm und strich dem Jungen lächelnd über den Kopf.
Aaron wollte gerade das Wort ergreifen, als er Finyas Hand an seinem Bein spürte. Als er zu ihr sah und ihren bittenden Blick wahrnahm, lächelte er und nickte ihr zu.
Kurz darauf trat Simon jedoch selbst, das Kind immer noch im Arm haltend, vor seinen Herren. Seine Frau stellte sich tapfer neben ihn, obwohl sie beim Anblick des Königs immer noch zitterte. „Ich danke Euch, Herr, dass Ihr mir ermöglicht habt, mein Kind zu sehen."
Kurz legte er den Arm um seine Frau, schluckte dann. „Herr, ich bitte Euch, straft meine Familie nicht für mein Fehlverhalten."
Aaron blickte ihn ruhig an. „Mein Entschluss steht bereits." Er beobachtete, wie Simon demütig den Kopf senkte. „Du warst jetzt für eine Woche im Kerker in Ungewissheit. Deine Strafe sei somit abgegolten.
Du wirst mir weiterhin als Sklave dienen. Du wirst dir nichts mehr zuschulden kommen lassen."  begann er streng zu erklären. „Im Gegenzug gewähre ich deiner Frau und deinem Kind Unterkunft in meiner Burg."
Simons Blick ruckte nach oben und er sah Aaron ungläubig an. „Sofern du dich an die Regeln hältst und ich zufrieden mit dir bin, wirst du nach deiner Arbeit Zeit mit deiner Familie verbringen dürfen. Wenn nicht, wirst du diese Zeit und die Nächte im Kerker verbringen."
Simon drückte das Baby seiner Frau in den Arm und sank dann vor Aaron auf die Knie. „Ich weiß nicht, wie ich Euch danken soll, Herr..."
Finya sah zu Aaron. Dieser nickte ihr kaum merklich zu. „Sei gehorsam und fleißig." erklärte sie ihm dann lächelnd. „Zeig unserem Herren durch dein Verhalten, dass seine Entscheidung richtig war."
„Bist du mit dieser Bedingung einverstanden?" richtete Aaron nun das Wort an Simon. „Ja, Herr. Ja, das bin ich. Und ich werde Euch nicht enttäuschen."
„Dann werde ich mit dir zufrieden sein." antwortete Aaron schlicht, bevor er sich an die junge Frau wandte. „Bist du auch einverstanden, hier auf meiner Burg zu leben?" Die Frau schluckte merklich, wirkte unsicher. „Ja, Herr. Ich bin einverstanden."
Aaron schmunzelte. „Du bist keine Sklavin. Die Anrede ‚Hoheit' ist also absolut ausreichend."
Fast augenblicklich entspannte sich die junge Frau. „Danke, Hoheit."
Aarons Blick wanderte zu Ivar. „Ist das Zimmer vorbereitet?" „Ja, Hoheit.".
„Dann zeig den beiden bitte den Weg." erwiderte er, wandte sich dann noch an Simon.
„Für heute bist du von jeglichen Pflichten befreit. Nutze den Tag, denn wenn die Sonne untergeht, wirst du dich für die Nacht in deine Kammer begeben. Wenn du dich beweist, wirst du bald auch die Nächte bei deiner Familie verbringen dürfen. Ab morgen wirst du außerdem wieder arbeiten. Vorerst allerdings nicht in den Ställen. Dimitri wird dir eine Aufgabe zuteilen."
Simon verneigte sich respektvoll vor seinem Herren.

Aaron wartete, bis die Türe sich geschlossen hatte, bevor er sich an Finya wandte. „Komm. Wie machen auch Schluss für heute."
Finya lächelte und begleitete ihren Herren in seine Gemächer. Auf dem Weg wirkte sie jedoch ziemlich nachdenklich.
„Was hast du, meine kleine Sklavin?" Finya blickte auf. „Ich musste nur gerade an etwas denken, Herr."
Aaron  blickte sie lediglich fragend an. „Ich habe mich gerade gefragt, was eigentlich mit Harutos Sohn geschehen ist?"
Der König lachte leise. „Ich dachte schon, du würdest nie fragen. Dabei ist der Junge jetzt schon seit geraumer Zeit nicht mehr auf der Burg." Finyas Augen wurden groß. Aarons Hand legte sich auf Finyas Kopf und er strich ihr durch das Haar. „Keine Sorge, Finya. Dem Jungen geht es gut. Ich habe ihn zu meinem Bruder geschickt. Er wird zwar als Sklave für Silas arbeiten, doch wird es ihm dort gut gehen. Er ist jung. Er wird sich schnell an dieses neue Leben gewöhnen."

Finya 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt