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In Gedanken versunken kniete Finya am Boden der Kutsche, als diese losfuhr. Sie merkte nicht einmal, wie Aaron sie nach der Grenze aufforderte, sich ihm gegenüber hinzusetzen. „Finya..." sprach er sie etwas lauter und strenger ein weiteres Mal an. Finya zuckte zusammen und hob den Blick. „Verzeiht, Herr. Ich...war in Gedanken und habe Euch nicht gehört." entschuldigte sie sich leicht zerknirscht. Aaron seufzte und wies auf die Bank ihm gegenüber. „Setz dich, Finya. Wir haben die Grenze überquert. Es ist nicht mehr nötig, dass du am Boden kniest. „Danke, Herr."
Finya setzte sich und begann gedankenverloren an ihren Armreifen zu spielen. „Du weißt, dass du sie jederzeit abnehmen kannst, Finya."sprach Aaron seine Sklavin streng, aber auch leicht gereizt, an. „Mit großen Augen blickte Finya auf. „Ich möchte die Armreifen tragen, Herr."
„Was ist dann los?" fragte Aaron verstimmt nach. „Seit gestern Abend bist du unkonzentriert. Du hast Glück, dass das beim Frühstück keinem aufgefallen ist. Andernfalls hätte ich dich vor allen Anwesenden bestrafen müssen."
Finya senkte betreten den Kopf. „Es tut mir Leid, Herr." entschuldigte sie sich. Aaron unterdrückte ein Knurren. „Antworte auf meine Frage, Finya. Was. Ist. Los?"
Finya zuckte zusammen. Es war lange her, dass ihr Herr sie so streng angesprochen hatte. Erneut spielten ihre Finger nervös an den Reifen. „Als Ihr gestern bei König Ashok wart...." setzte sie an. „Da waren die fremden Herren um mich herum...und..." sie stockte.
Als sie merkte, dass Aaron's Ungeduld stieg, schluckte sie. „Sie haben gesagt..." Finya stockte erneut, wusste offensichtlich nicht, wie sie weiterreden sollte. „Nicht nur ich kann die Armreifen abnehmen. Das hat man ja bei Jonas und der Kette gesehen..." Finya senkte den Kopf. „Sie haben gesagt, man könne mich entführen und es gäbe keinen Beweis, dass ich Euch gehöre, Herr." Aarons Blick wurde milder. Sanft legte er seine Hand an Finyas Kinn und hob es an. „Keiner wird dich mir wegnehmen, Finya." Finya schüttelte den Kopf. „Das könnt Ihr nicht wissen. Ihr könnt mich mit noch so vielen Reifen und Ringen schmücken. Am Ende lässt sich jeglicher Schmuck entfernen. Als ich dann Haruto gesehen habe..." Aaron hob fragend die Augenbraue. „Er trägt das Zeichen seines Herren, so dass niemand es mehr entfernen kann...." sprach Finya leise, fast schon flüsternd, weiter.  Aaron richtete sich ruckartig auf. „Ich werde dich garantiert nicht brandmarken, Finya." erklärte er streng. „Es ist grausam und hässlich. Ich werde dich nicht derart entstellen." Finya schüttelte den Kopf. „Das meinte ich auch nicht, Herr."
Finya's Blick wanderte nach draußen. Neben der Kutsche konnte sie Kjell sehen. Seine Ärmel waren hochgekrempelt und gaben so den Blick auf seine Tätowierungen frei. Aaron folgte ihrem Blick. „Ihr sagtet mir mal, dass diese Zeichnungen nie wieder weggehen...." sprach Finya leise. Aaron neigte den Kopf. „Einmal gestochen, bleiben sie für immer." bestätigte er. Finya wandte ihren Blick Aaron zu, der sie intensiv musterte. „Fragst du mich gerade, ob ich dich auf diese Weise kennzeichnen werde?"
„Ich wäre für immer als Euer Eigentum gezeichnet." erwiderte sie und senkte verlegen den Kopf. Aaron lächelte und Stolz machte sich in ihm breit. „Ich werde darüber nachdenken und auch mit Arvid und Kjell darüber sprechen."

Am Nachmittag kamen sie schließlich auf der Burg an. Auch dieses Mal hatte Aaron Finya wieder durch den Wald laufen lassen - nach dem Erlebnis auf der Hinfahrt jedoch nur in Begleitung von Dimitri. Dennoch hatte das Finyas Freude keinen Abbruch getan.
Später am Abend saß Finya in einem Sessel in der Bibliothek. Neben ihr saßen Aaron, Arvid und Kjell und unterhielten sich leise in der fremden Sprache der Vampire. Finya ahnte, worum es bei dem Gespräch ging. Alle drei blickten immer wieder nachdenklich auf Finya und schienen zu diskutieren. Doch auch, als die beiden Gardewachen längst den Raum verlassen hatten, sprach Aaron das Thema nicht an. Arvid und Kjell hatten ihm viel erzählt und erklärt. Jetzt musste er sich erst einmal selber klar werden, was er wollte.
Erst am nächsten Morgen nach dem Frühstück griff Aaron das Thema auf. „Setz dich, Finya. Wir müssen reden." erklärte er und deutete auf den Sessel ihm gegenüber. Er wartete, bis Finya saß, bevor er das Wort an sie richtete. „Wie du weißt, habe ich gestern lange mit Arvid und Kjell gesprochen. Ich denke, du weißt, worum es bei diesem Gespräch ging?" Finya nickte. „Um...die Bilder auf der Haut?" Aaron lächelte. „Genau. Und ich muss sagen: nach dem Gespräch mit den beiden finde ich durchaus Gefallen daran, dir mein Zeichen in die Haut stechen zu lassen. Arvid würde das sogar übernehmen. Finya lächelte. „Freu dich nicht zu früh, meine kleine Sklavin." erwiderte Aaron zwar sanft, aber doch mit einer gewissen Strenge. „Wenn ich die Anweisung gebe, es zu tun, ist dies unumkehrbar. Du solltest dir also wirklich absolut sicher sein." erklärte er. „Das bin ich, Herr." erwiderte Finya, doch Aaron schüttelte den Kopf. „Du weißt nicht einmal, worauf du dich damit einlässt, Finya. Bevor ich dem zustimme, wirst du selber mit Arvid und Kjell sprechen und in Ruhe darüber nachdenken." Finya nickte. „Nach dem Gespräch wirst du mindestens eine Woche darüber nachdenken und mir dann deine Entscheidung mitteilen. Sollte ich auch nur den kleinsten Verdacht haben, dass du es aus den falschen Gründen willst, werde ich dem nicht zustimmen." Finya verneigte sich respektvoll. „Wie Ihr wünscht, Herr."

Drei Tage später saß Finya gerade auf einem Hocker neben Aaron, der an seinem Schreibtisch arbeitete. Noch war sie nicht dazu gekommen, mit den beide Wachen zu reden, doch sie hatte Zeit. Als es an der Türe klopfte sank Finya sogleich auf die Knie. Auf ein Zeichen Aarons hin betrat eine Wache den Raum und sank vor dem König auf ihr Knie. „Hoheit." grüßte der Vampir respektvoll.
Aaron legte seine Feder zur Seite und blickte den Mann an. „Was gibt es, Maximilian?" Auf ein Zeichen hin erhob sich die Wache.
„Ich wollte fragen, was mit Eurem Gefangenen geschehen soll. Sollen wir ihm Blut geben? So langsam wird er wirklich durstig..." Aaron blickte ihn irritiert an. „Welchen Gefangenen meinst du?"
„Das war ohnehin seltsam, Hoheit. Er kam am Tag Eurer Abreise und bat darum, in den Kerker gesperrt zu werden." Die Wache schüttelte leicht den Kopf. „Anfangs haben wir ihn nicht ernst genommen und uns geweigert. Doch er weigerte sich, zu gehen. Er sprach davon, dass er Euch sein Wort gegeben hätte, nachdem er versucht hat, Eure Sklavin zu entführen."
Aaron nickte langsam, wirkte sichtlich überrascht. „Ist sein Name zufällig Jonas Taliza?"
Maximilian nickte. „Ja, Hoheit. So hat er sich vorgestellt."
Aaron schüttelte verblüfft den Kopf. „Ich hätte nicht gedacht, ihn je wieder zu sehen."
Nachdenklich rieb Aaron sich die Nasenwurzel. „Schick mir meine Garde her." wandte er sich dann an Maximilian. „In einer Stunde bringst du mir dann den Gefangenen."
Maximilian verneigte sich und verließ den Raum. Keine zehn Minuten später hatte die Garde sich in Aaron's Büro versammelt.
Finya saß inzwischen wieder auf dem Hocker, da die gesamte Garde ohnehin wusste, wie viele Freiheiten Aaron ihr  inzwischen gewährte.
„Ich denke, ihr erinnert Euch alle an die Vorkommnisse auf der Reise zu Imperator Aegir" begann er. „Nun...wie ich soeben erfahren habe, hat meine Burg seit diesem Tag einen Gefangenen. Jonas hat wider Erwarten Wort gehalten und sich bei den Wachen gemeldet."
Ein erstauntes Raunen ging durch die Reihe der Garde. Dimitri schüttelte beinahe amüsiert den Kopf. „Das hätte ich wirklich nicht erwartet." „Ich glaube, das hätte keiner von uns." fügte auch Gregori hinzu.
„Welche Strafe werdet Ihr ihm geben" hakte Eric nach. „Wenn ich das nur wüsste..." Aaron seufzte und rieb sich müde über das Gesicht. „Eigentlich wäre die passende Strafe für sein Vergehen der Tod. Doch das scheint mir in diesem Fall nicht angemessen." Dimitri neigte bestätigend den Kopf. „Alleine schon, weil er sein Wort gehalten hat und von sich aus hierher gekommen ist." Aaron nickte zur Bestätigung. Finya suchte den Blick ihres Herren."Ja, Finya?" Kurz fuhr sich Finya mit der Zunge über die Lippen. „Im Grunde ist doch nicht viel weiter passiert, Herr. Er unterlag einem Irrtum. Und wenn wir ehrlich sind - und ich glaube seinen Worten - wollte er mir doch nur helfen." Aaron hörte seiner Sklavin aufmerksam zu und musste bei ihren Worten lächeln. „Außerdem hat er sich doch nicht einmal gewehrt, sobald er wusste, wer Ihr seid..."
Nun musste Aaron wirklich schmunzeln. „Du verteidigst ihn ziemlich, meine kleine Sklavin."
Verlegen senkte Finya den Kopf. „Aber du hast Recht."
Aaron schwieg eine Weile. „Nungut... Ich werde ihn prüfen und es davon abhängig machen, wie er sich jetzt gleich verhält. Und damit komme ich auch zum eigentlichen Grund, warum ich euch, außer für Euren Rat, gerufen habe." Die Blicke seiner Garde lagen aufmerksam auf Aaron. „Dieser Jonas hat seit mindestens einer Woche nicht mehr getrunken. Ich weiß nicht,  wie gut er sich unter Kontrolle hat. Daher wird es Eure Aufgabe sein, Finya zu schützen."
Wie ein Mann verneigte sich die Garde vor ihrem Herrscher. „Sollen wir alle unsichtbar sein?" fragte Dimitri nach. „Ja. Ich möchte sehen, wie er wirklich reagiert."
Dimitri neigte den Kopf. Kurz darauf verteilte sich die Garde im Raum und schien regelrecht mit den Schatten zu verschmelzen.

Finya 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt