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Später am Nachmittag trafen sich Aaron und Kari in Aaron's Büro. Nach langem Bitten hatte er Finya erlaubt, ihn zu begleiten. Sie war zwar noch etwas blass, schien aber ansonsten fit zu sein. Dennoch gestattete Aaron ihr nicht, neben ihm zu knien, sondern ließ sie auf einem Stuhl neben sich Platz nehmen.
„Ich habe Euch einen Verhörraum vorbereiten lassen." erklärte Aaron, nachdem er Kari die Informationen, die Dimitri ihm gegeben hatte, weitergegeben hatte. „Wollt Ihr diesen David gleich verhören?"
„Sehr gerne."
Wenig später saß Kari hinter dem großen Tisch im Verhörraum. Aaron selbst hatte mit Finya etwas abseits Platz genommen.
Kurz darauf führte Andrej den sichtlich blassen und nervösen David in den Raum.
Dieser blickte sich angespannt um und verneigte sich dann vor Aaron.
Nach kurzem Zögern verneigte er sich schließlich auch vor Kari. Zwar wusste er nicht, wer der Mann war, doch schien dieser den Vorsitz zu führen.
„Ich nehme an, du weißt nicht, wer ich bin." richtete Kari das Wort an ihn. David schüttelte langsam den Kopf. „Nein, Herr."
Langsam stand Kari auf und kam um den Tisch herum. David begann, zu zittern.
„Ich bin Jarl Kari. Der rechtmäßige Herrscher deines Landes."
David wurde noch blasser und sank respektvoll auf die Knie. Ergeben senkte er den Kopf.
„Wenn du meine Fragen ehrlich und zu meiner Zufriedenheit beantwortest, hast du nichts zu befürchten."
„Ich werde die Wahrheit sagen, Jarl."
„Gut. Dann setz dich."
Zögernd nahm David auf dem Hocker Platz.
„Und jetzt berichte mir, wie du zu meinem Bruder gekommen bist und was dir bei ihm widerfahren ist." forderte Kari.
Etwa eine Stunde und viele Nachfragen später schien Kari endlich zufrieden. David hatte bereitwillig seine Fragen beantwortet. Weder hatte er irgend etwas beschönigt, noch etwas übertrieben.
Schweigend und prüfend musterte Kari schließlich den Jungvampir.
„Sobald ich alle Angelegenheiten geregelt habe, wird dein Bruder die Freiheit erlangen.
David sah ihn aus großen Augen an, zögerte dann aber. „Was verlangt Ihr dafür von mir, Jarl?"
Kari hob die Augenbraue. „Ich bin nicht mein Bruder. Was er getan hat, war nicht rechtmäßig. Daher gibt es auch keine Bedingungen..." Augenblicklich ließ David sich auf die Knie sinken. „Ich danke Euch, Jarl."
„Allerdings..." unsicher hob David den Kopf. Kari lächelte freundlich. „Allerdings biete ich dir an, mit deinem Bruder weiterhin in meinem Schloss zu bleiben und für mich zu arbeiten." Als er Davids unsicheren Blick sah, schmunzelte er. „Du musst das nicht jetzt entscheiden." zögerlich nickte David.
„Komm zu mir und zeig mir deine Arme." forderte er unvermittelt.
Langsam stand David auf, trat auf den Jarl zu und schob seine Ärmel nach hinten.
Kari griff nach Davids Handgelenk und zog es näher zu sich heran. Mit der anderen Hand strich er fast schon sanft über die dunklen Narben. Ohne David loszulassen, wandte er sich an Aaron. „Würdet ihr mir gestatten, Arvids Dienste für mich in Anspruch zu nehmen, König Aaron? Er sollte in der Lage sein, einen Großteil des eingeschlossenen Silbers zu entfernen."
Aaron lächelte. „Sehr gerne. Er steht zu Eurer Verfügung."
Davids Augen wurden groß. „Ich danke Euch, Jarl. Und auch Euch, König Aaron." wandte er sich aufrichtig an die beiden Herrscher.
Aaron sah kurz fragend zu Kari und wandte sich dann an Andrej, der an der Türe gewartet hatte. „Bring David zurück in seine Kammer. Ich denke, es ist nicht mehr nötig, ihn einzusperren." Andrej verneigte sich und ging auf David zu. „Vorausgesetzt ich habe dein Wort, dass du die Kammer nicht alleine verlässt."
„Das habt Ihr, Hoheit."

Die nächsten Tage verbrachten Kari und Aaron gemeinsam im Verhörraum, um die Krieger Aegirs zu verhören. Dieses Mal gestattete Aaron Finya nicht an seiner Seite zu bleiben. Statt dessen blieb sie in Gesellschaft von Jonas in den Gemächern ihres Herren.
Die meisten der Gefangenen zeigten sich durchaus kooperativ und unterwarfen sich dem Jarl. Bei ein paar wenigen musste das Verhör jedoch in die benachbarte Folterkammer verlegt werden und selbst dort waren nicht alle bereit, ihren Widerstand aufzugeben oder gar sich Jarl Kari zu unterwerfen.
Eine lange Woche später waren endlich alle Verhöre geführt.

Noch bis spät in die Nacht saßen Kari und Aaron am großen Tisch in Aaron's Wohnung und gingen die Notizen des Jarl durch. Es war an der Zeit, die Urteile zu verkünden.
Aaron hielt sich weitestgehend zurück. Es war die Angelegenheit des Jarl, wie er seine Untertanen bestrafte, doch war er gerne bereit, ihn zu beraten.
Finya kniete zwischen den beiden Männern und bediente sie, hielt sich dabei aber im Hintergrund.
Vor dem Jarl lagen drei unterschiedlich große Stapel an Akten.
„Einen Großteil der Krieger werde ich begnadigen. Sie waren an meinem Sturz nicht beteiligt und haben auch jetzt lediglich Befehle ausgeführt. Außerdem waren sie in den Verhören sehr kooperativ. Es scheinen gute Männer zu sein.
Eure Garde hat mir außerdem mitgeteilt, dass diese Männer alle kaum Widerstand geleistet haben, als sie festgesetzt wurden und diesen spätestens dann aufgegeben haben, als sie wussten, worum es geht." meinte er schließlich und deutete auf einen der beiden größeren Stapel. „Wie seht Ihr das, König Aaron?"
Aaron zog den Stapel zu sich heran und blätterte ihn durch. „Unter normalen Umständen würde ich Euch empfehlen, sie dennoch unter Beobachtung zu halten, aber ihr seid auf gute Leute angewiesen. Natürlich kann ich Euch auch vorübergehend einige meiner Wachen zur Verfügung stellen. Ein...Vertrauensvorschuss...könnte sich allerdings positiv auf die Loyalität dieser Männer auswirken."
Kari nickte nachdenklich. „Euer Angebot nehme ich dennoch gerne an."
Er griff nach seinem Weinkelch, schwenkte ihn kurz und trank ihn aus. Kaum, dass er ihn abgestellt hatte, erhob sich Finya bereits und füllte den Wein mit einem Lächeln nach.
Kari nickte ihr dankend zu und griff dann nach dem zweiten Stapel. „Diese Männer werden um eine Verurteilung nicht herum kommen." erklärte er. „Wobei die Härte der Strafe variieren wird von Strafarbeit bis hin zu Kerkerhaft. Den meisten von ihnen werde ich nach ihrer Strafe wahrscheinlich ermöglichen, in meine Dienste zu treten, so sie es wollen."
Erneut schob er Aaron den Stapel zu.
Mit einem Seufzen griff er schließlich nach dem letzten Stapel, der lediglich vier Akten enthielt.
Kari zog zwei davon heraus. „Diese beiden erwartet der Tod." erklärte er kalt. „Sie haben damals bei dem Putsch mein Vertrauen verspielt und sind auch jetzt nicht bereit, ihren Fehler einzusehen."
Aaron neigte zustimmend den Kopf. „Was die beiden anderen betrifft habe ich noch keine endgültige Entscheidung getroffen. Es sind zwei Brüder." erklärte Kari und deutete auf die beiden letzten Akten. „Es wird also von ihrem morgigen Verhalten abhängig sein, ob auch sie der Tod erwartet, ob ich sie in die Verbannung schicke oder in die Kerkerhaft."
Erneut griff Kari nach seinem Kelch und leerte ihn. „Es ist spät geworden, König Aaron. Ich möchte Euch nicht länger aufhalten."
Sein Blick wanderte weiter zu Finya, die inzwischen immer wieder ein Gähnen unterdrücken musste. „Und auch Eure Sklavin nicht..."
Kari nickte ihr freundlich zu und erhob sich. Aaron tat es ihm gleich und verabschiedete seinen Gast.

Es dämmerte gerade, als es an die Türe von Davids Kammer klopfte. Müde öffnete er die Augen und sah sich irritiert um. Kurz darauf öffnete sich bereits die Türe.
Davids Augen weiteten sich vor Schreck. Eilig stieg er aus dem Bett, nur, um sofort auf die Knie zu sinken, denn im Türrahmen stand Jarl Kari. Demütig senkte David den Kopf. „Jarl..." grüßte er respektvoll.
Kari nickte ihm zu. „Erhebe dich."
David stand auf, blieb aber mit gesenktem Blick unsicher und nervös vor seinem Herrscher stehen.
Kari musterte ihn eingehend. David machte einen deutlich besseren Gesamteindruck als noch vor einer Woche, auch wenn er ziemlich erschöpft wirkte. Seine Arme waren  in dicke Verbände gewickelt.
„Du hast keinen Grund mich zu fürchten." wandte er sich freundlich an ihn.
„Wie geht es dir?"
David lächelte schwach. „Danke Jarl, es geht mir deutlich besser. Der werte Arvid war die letzte Woche fast täglich bei mir, um das Silber zu entfernen..."
Kari nickte zufrieden.
„Hast du dir mein Angebot durch den Kopf gehen lassen?"
Zögerlich nickte David. „Das habe ich, Jarl. Aber ich muss leider ablehnen." erwiderte er dann leise und senkte betreten den Kopf.
Erstaunt hob Kari die Augenbrauen. „Ich..." setzte David an. „Auch wenn ich Eurem Angebot gerne zustimmen würde, ich kann nicht für Euch arbeiten. Es gibt nichts, mit dem ich Euch dienen könnte, Jarl." Davids Stimme war noch leiser geworden. Sichtlich gebeugt stand er vor Kari.
Langsam trat Kari auf David zu und hob sein Kinn an. „DAS kannst du meine Sorge sein lassen. Wenn du für mich arbeiten willst, werde ich Aufgaben für dich finden. Wie also lautet deine Antwort wirklich?"
David lächelte zaghaft. „Es wäre mir eine Ehre, für Euch zu arbeiten, Jarl Kari."
Kari nickte zufrieden. „Ich werde dich später holen lassen."

Finya 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt