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Wer gerne mehr über Dimitri erfahren möchte, kann seine Geschichte im Spin-off „Dimitri" nachlesen.

Gestützt von Arvid und Kjell ging Finya hinter ihrem Herrn in Richtung Burg zurück.
Noch war Aaron sich nicht sicher, wo er mit ihr hingehen würde. Am liebsten hätte er seine Schritte direkt zurück in den Kerker gelenkt, um diesen Haruto endgültig zu Tode zu foltern, doch das wollte er seiner Sklavin nicht antun. Außerdem schien Haruto geradezu auf den Tod zu hoffen, weshalb es keine Strafe für ihn wäre.
Schließlich lenkte er seine Schritte in Richtung seiner Wohnung.
Finya löste sich von Arvid und Kjell und ließ sich neben Aarons Sessel zu Boden gleiten.
Die Sonne stand bereits hoch am Himmel und so hatte eine Sklavin bereits die übliche Schüssel mit Naschereien auf dem Tisch bereit gestellt.
Innerlich fluchte Aaron, als er das sah. Der Garten wäre doch die bessere Wahl gewesen. Es lag ihm fern, sich jetzt derart von seiner Sklavin bedienen zu lassen. Nicht in ihrem Zustand. Mit Erstaunen stellte er jedoch fest, dass eine fast schon seltsame Ruhe über Finya kam, kaum, dass sie ihre Position eingenommen hatte. Diese Ruhe verstärkte sich sogar noch, als ihr Herr neben ihr Platz nahm.
Nachdenklich blickte Aaron auf seine Sklavin. Sie war immer noch blass und wirkte mehr als nur erschöpft. Auch schienen ihre Gedanken immer wieder abzudriften, denn jedes Mal, wenn dies geschah, verkrampfte sie aufs Neue und begann leicht zu zittern. Jedes Mal huschte ihr Blick dann zu Ihrem Herren und sie schien wieder etwas zu entspannen.
Innerlich lächelte Aaron. Finya schien ihm wirklich zu vertrauen. Er hob seine Hand und strich ihr sanft über den Kopf.
Ein leichtes Zittern durchlief Finyas Körper, doch sie blieb entspannt. Vielleicht war es genau diese Normalität, die Finya aus ihrem offensichtlichen Trauma heraus half.
Wie zum Test ließ Aaron seine Hand vor Finyas Gesicht schweben. Es dauerte einen Moment, deutlich länger als sonst, doch dann griff Finya zaghaft nach der Schüssel und hielt sie für Aaron empor. Schweigend aß Aaron einige Bissen. Als Finya mehr und mehr zu entspannen schien, hielt er ihr eine der süßen Teigkugeln entgegen.
Finya zuckte zusammen und Aaron seufzte innerlich über diese Schreckhaftigkeit, blieb aber geduldig.
Erst nach einer ganzen Weile öffnete sie die Lippen und nahm die Leckerei entgegen.
Schließlich ließ er Finya die Schüssel abstellen. Als seine Finger schließlich gesäubert waren, lehnte er sich zurück und blickte auf Finya.
„...und jetzt erzähle mir, was passiert ist." sprach er sie in ruhigem Ton an. Dennoch zuckte Finya zusammen und verkrampfte erneut. „Finya. Du hast keine Strafe zu befürchten. Aber ich will wissen, was passiert ist." fügte er etwas strenger hinzu.
„Ich...ich weiß es nicht, Herr." Finya klang fast schon panisch. „Ich...weiß noch, dass ich den...Kerker verlassen habe..." setzte sie stockend fort. Mit panischem Blick sah sie Aaron an. „Ich weiß nicht, wie ich in den Wald gekommen bin, Herr. Wirklich nicht."
Aaron seufzte. Langsam hob er seine Hand und strich Finya sanft über den Kopf. „Vergiss den Wald, Finya. Darum geht es mir nicht. Gregori hat gesagt, du hättest....seltsame Dinge...geredet..."
Erneut wurde Finya blass und begann zu zittern. „Bitte, Herr, zwingt mich nicht darüber zu reden." flehte sie ihn an. Aarons Blick wurde eine Nuance strenger. „Ich muss einige Dinge wissen. Aber es reicht, wenn du mir Fragen beantwortest." Zögerlich nickte Finya. „Ich nehme an, du warst in einer Erinnerung gefangen?" Finya nickte.
Aaron beobachtete Finya genau. „Und es ging dabei um deinen Stiefvater?" Finyas Hände verkrampften, doch erneut nickte sie. „Und er ist dir zu nahe gekommen." Dieses Mal war es keine Frage sondern eine Feststellung. Dennoch nickte Finya. „Er hat das mit dir getan, was er zuvor im Kerker erzählt hat." „Ja, Herr." Finya war kurz davor, erneut in Tränen auszubrechen. Aaron lächelte sie freundlich an. „Das reicht mir. Mehr muss ich nicht wissen, Finya." Sichtlich erleichtert atmete Finya durch. „Noch ist Haruto im Kerker und wird streng bewacht. Sollte er den heutigen Tag überleben, wird er als Sklave an Imperator Aegir geschickt.  Sei dir gewiss, dass er derartiges wie heute nie wieder sagen wird."
Finya nickte. „Danke, Herr." sprach sie aufrichtig. Aaron lächelte kalt. „Ich hätte das heute schon viel früher tun sollen."
Finya schauderte leicht, als sie daran dachte, was ihr Herr mit Haruto getan hatte, doch sie empfand in keinster Weise Mitleid mit ihrem früheren Peiniger. Er hatte es mehr als verdient.

Bereits nach wenigen Tagen wurde Haruto weggebracht. Aaron ließ es sich nicht nehmen, Harutos „Abreise" gemeinsam mit Finya vom Burghof aus zu beobachten. Schwer gefesselt brachten die Wachen ihn in einen Käfig, der von zwei Pferden gezogen wurde. Haruto selbst hatte keinerlei Gegenwehr geleistet. Dazu war er in einem zu schlechten Zustand. Man sah ihm seine Schmerzen und seine Angst deutlich an.
Als er Finya sah, versuchte er jedoch sich aufzurichten und blickte hilfesuchend zu ihr.
„Hi....f mr..." brachte er mühsam hervor.
Sofort verkrampfte sich Finya. Aaron's Augen blitzten rot auf und er gab einer der Wachen  einen kurzen Wink.
Noch bevor Haruto weitersprechen konnte, zeigte ihm eine, wenn auch leichte, Kopfnuss, dass er besser daran tat, zu schweigen.
Kaum, dass sich die Zellentür der Kutsche hinter Haruto schloss, atmete Finya erleichtert auf.
Je weiter sich die Kutsche von der Burg entfernte, desto mehr entspannte sich Finya bis sich schließlich sogar ein Lächeln auf ihr Gesicht setzte.

Eine Woche lang hatte Aaron seine Sklavin nicht von seiner Seite weichen lassen. Dennoch war wieder Ruhe in ihren Alltag eingekehrt. Wenn sie ihren Herren nicht gerade bediente, erledigte sie kleinere Aufgaben in seiner Nähe oder saß mit einem Buch an seiner Seite und las.
Neuerdings hatte er auch einen kleinen Schreibtisch in sein Büro stellen lassen. Immer wieder saß Finya auch an diesem und schrieb Teile aus ihrem Buch ab. Es fiel ihr sehr schwer. Ihre Finger schienen für diese feine Arbeit einfach nicht gemacht zu sein. Doch sie beklagte sich nicht und kämpfte sich weiter. Immerhin war es der Wille ihres Herren, dass sie nicht nur Lesen, sondern auch Schreiben lernte.
Aaron hatte das, was nach ihrer scheinbaren Flucht geschehen war, nach seinem Gespräch mit ihr mit keinem Wort mehr erwähnt. Finya war mehr als dankbar dafür, diese Erlebnisse erneut tief in sich einschließen zu können.
Sie saß gerade an ihrem Schreibtisch und entspannte ihre verkrampften Finger, als ihr ein Gedanke kam. Ihr Blick wanderte zu Aaron, dessen Augen bereits wieder rot waren.
„Herr...?" richtete sie das Wort an ihn und wartete ab, ob er Zeit für sie hätte.
Aaron hob den Kopf und sah Finya fragend an.
„Ich...wollte fragen, wie es Rebecca geht und... ob ich wieder zu ihr darf...?"
Aaron lächelte. „Laut Dimitri geht es ihr recht gut. Zumindest sind ihre Wunden soweit verheilt, dass sie kaum noch Schmerzen hat.
Allerdings hat sie nach wie vor Angst vor Dimitri. Oder besser gesagt: vor jedem Vampir." Finya nickte nachdenklich. Zu gut konnte sie Rebecca verstehen, die für sie, trotz der wenigen Zeit, die sie sich sahen, eine Freundin geworden war.
„Darf sie schon aus ihrer Kammer um für Euch zu arbeiten, Herr? Vielleicht..." Finya zögerte. Auch wenn sie ihrem Herren vertraute war sie in vielen Dingen lieber vorsichtig. „Vielleicht könnte ich ja gemeinsam mit ihr arbeiten?"
Aaron schmunzelte. „Das wäre durchaus eine Idee, meine kleine Sklavin. Doch solange sie mich und meine Art derart fürchtet, bleibt sie in ihrer Kammer."
Finya nickte nur. Sie wollte gerade weiter üben, als Aaron sie erneut ansprach. „Morgen" Finya sah ihn fragend an und Aaron lachte leise. „Du wolltest wissen, wann du wieder zu ihr darfst." Jetzt lächelte auch Finya. „Dimitri wird dich zu ihr begleiten."
Damit war das Thema für König Aaron beendet.
Finya beobachtete ihren Herren, der bereits wieder angefangen hatte zu arbeiten. Als Aaron aufsah und sie fragend anblickte, stand sie auf und ging auf ihn zu. „Ihr habt Durst, Herr." sprach sie, als sie vor ihm stand, und legte ihren Kopf zur Seite. Aaron lächelte. „Dann komm" Er stand auf und wartete, bis Finya die letzten Schritte zu ihm gemacht hatte und zog sie in seinen Arm.
Kaum, dass seine Finger ihren Hals berührten, entspannte sie sich und schloss die Augen. Aaron wartete nicht einmal ihr Ausatmen ab, sondern biss direkt zu und begann, sanft von seiner Sklavin zu trinken.

Finya 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt