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Hatte sich Aaron Jonas gegenüber noch beherrscht, machte er sich nun sichtlich gereizt auf den Weg in seine Gemächer. Erneut wollte man ihm sein Eigentum streitig machen. Aaron knurrte. Und dann auch noch Finya. Sie war Sein. Kampflos würde er sie nicht hergeben und zu einem Kampf würde es unweigerlich kommen.
Ein kleiner Teil in ihm hoffte, dass Finya noch wach war. Nur sie würde ihm aktuell die Ruhe schenken können, die er dringend nötig hatte.
Vor seiner Türe atmete er tief durch, bevor er eintrat. Arvid und Kjell saßen auf den Sesseln und unterhielten sich leise beim schwachen Schein einer Kerze. Im dritten Sessel lag Finya eng zusammengerollt und schlief.
„Sie hat schon geschlafen, als wir gekommen sind. Wir wollten sie nicht wecken." erklärte Arvid leise.
Aaron nickte. „Könnt Ihr zwei heute Nacht hier bleiben und für ihren Schutz sorgen, bis ich eine andere Lösung gefunden habe."
Kjell schmunzelte. „Natürlich, mein Freund. Auch wir wollen Finya in Sicherheit wissen. Nur schade, dass unser kleines Spiel jetzt nicht mehr stattfinden kann."
Aaron schmunzelte. „Du weißt, dass ich bei diesem Teil alles andere als unglücklich über die aktuelle Situation bin.
Aber jetzt bringe ich sie erst einmal ins Bett."
Er beugte sich über das schlafende Mädchen und hob sie hoch. Auf dem Weg in ihre Kammer dämmerte Finya leicht hoch. Im Halbschlaf öffnete sie die Augen. „...Aaron..." murmelte sie,  hob die Hand und strich sacht über Aaron's Wange.
Aaron lächelte. Ihm gefiel sichtlich, was Finya da tat. Schade nur, dass sie sich am nächsten Morgen wohl nicht mehr daran erinnern würde. Sanft legte er sie ins Bett und strich ihr eine Haarsträhne aus der Stirn. „Schlaf weiter, meine kleine Sklavin."

Schon früh am nächsten Morgen betrat Jonas den Innenhof. Dennoch war die Garde bereits versammelt und schien auf ihn zu warten.
„Du bist spät dran, Jonas." wandte sich Dimitri auch sogleich leicht verstimmt an ihn.
Jonas senkte entschuldigend den Kopf. „Es tut mir Leid, Dimitri, doch ich konnte nicht früher kommen. Ich war noch eingeschlossen."
Erkenntnis setzte sich in Dimitris Gesicht und sein Blick wurde freundlicher. „Stimmt. Du wirst ja nach wie vor eingeschlossen. Ich werde mit dem König reden..." erwiderte er freundlicher, bevor er sich an alle wandte. „Los jetzt. Aufwärmen."
Bereits beim Aufwärmen geriet Jonas sehr schnell ins Schwitzen, während Dimitri locker und entspannt neben ihm her lief. Dennoch behielt er das Tempo bei. „Dir fehlt es eindeutig an Kondition. Daran werden wir arbeiten müssen."
Schließlich hob Dimitri leicht die Hand und alle versammelten sich um ihn. „Da wir heute zu acht sind, werden wir den Zweikampf trainieren." erklärte er. „Jonas. Du wirst mit mir kämpfen."
Jonas schluckte leicht, stellte sich dann aber Dimitri gegenüber auf.
„Greif mich an und versuche, mich zu Boden zu bringen."
Jonas blickte den Anführer der Garde skeptisch an, nickte dann aber.
Er machte einen Schritt auf Dimitri zu und lag im nächsten Augenblick am Boden. „Zu zögerlich." kommentierte sein Gegner und reichte ihm die Hand zum Aufstehen. „Versuch es noch einmal."
Dieses Mal war Jonas vorbereitet und tauchte unter Dimitris Gegenangriff weg. Kurz darauf strauchelte Dimitri leicht, doch im nächsten Moment lag Jonas erneut auf dem Boden. Wieder reichte Dimitri ihm die Hand und zog ihn hoch. „Das war schon viel besser." lobte er und nickte ihm zu, wieder anzugreifen. Bei den nächsten Angriffen schaffte es Jonas immer länger auf den Beinen zu bleiben und jedes Mal kam er etwas näher an Dimitri heran. Schließlich nickte Dimitri ihm zu. „Ihr könnt eine kurze Pause machen." erklärte er. Dankend nickte Jonas ihm zu.
Nachdem Dimitri zu den anderen Trainingspartnern geschaut hatte, ihnen Tipps gegeben und auf Fehler hingewiesen hatte, kehrte er zu Jonas zurück.
„Bereit für eine zweite Runde?" grinste er ihn an. Jonas grinste leicht schräg zurück. „Ich denke schon."
„Gut. Dieses Mal greife ich Euch an und Ihr versucht, nicht zu Boden zu gehen. Bereit?"
Kaum, dass Jonas genickt hatte, ging er bereits mit einem frustrierten Knurren zu Boden.
Die nächsten Angriffe klappten jedoch immer besser. Fast schien es, als ob Jonas die Angriffe Dimitris vorausahnen würde.
Erneut griff Dimitri an. Jonas tauchte unter seinem Arm hinweg. Plötzlich war es Dimitri, der sich am Boden wiederfand. Sichtlich überrascht blickte er zu Jonas auf und begann dann herzhaft zu lachen. „Sehr gut, Jonas."
Die anderen Gardemitglieder bildeten einen Kreis um Jonas und Dimitri. Kjell grinste seinen Vorgesetzten unverhohlen an. „Was machst du denn da unten, Dimitri?" fragte er unschuldig.
Jonas trat auf Dimitri zu und reichte ihm die Hand. Schwungvoll zog Dimitri sich nach oben und klopfte Jonas auf die Schulter. „Das war wirklich gut, Jonas. Da können sich die Anderen ein Scheibchen von abschneiden." Grinsend blickte er zu den Anderen, bevor er wieder zu Jonas sah.
„Seid Ihr noch fit genug, für eine letzte Übung? Ich würde gerne etwas  ausprobieren."
Obwohl man Jonas die Erschöpfung deutlich ansah, nickte er. Seine Augen funkelten begeistert. „Sehr gerne, Dimitri." kurz zögerte er. „Wer weiß, wann ich wieder die Gelegenheit dazu habe..." fügte er dann leiser und etwas schwermütig hinzu.
Dimitri nickte den Gardemitgliedern zu. „Bildet einen Kreis um ihn. Angriff im Wechsel." erklärte er die Aufgabe. „Ihr, Jonas, habt die Aufgabe, den Angriffen auszuweichen oder, wenn Ihr es schafft, diese zu erwidern. Verstanden?"
Jonas schluckte leicht, nickte dann aber. „Sobald Ihr bereit seid, geht es los."
Jonas schloss kurz die Augen und sammelte sich. Dann nickte er leicht. Noch bevor er die Augen wieder geöffnet hatte, erfolgte der erste Angriff. Blind machte er einen Ausfallschritt zur Seite und Kjell lief ins Leere.
Angriff folgte auf Angriff. Die Garde schien sich, unerkennbar für Jonas, abzustimmen. Anfangs wich dieser den Angriffen nur aus, doch nach einer Weile versuchte er, die Angriffe zu kontern. Immer wieder brachte er seine Gegner zumindest zum Straucheln. Ab und zu gelang es ihm sogar, diese zu Fall zu bringen. Wann immer dies geschah, folgte sofort ein weiterer Angriff, so dass Jonas keinerlei Verschnaufpause blieb.
Als seine Bewegungen schließlich unkoordinierter wurden, hob Dimitri die Hand. Sofort stellte die Garde die Angriffe ein. Schwer atmend stand Jonas in der Mitte und taxierte die Männer, die ihn immer noch umringten.  Erst mit etwas Verspätung sah er Dimitris erhobene Hand und gab seine Verteidigungshaltung auf.
Lachend gingen die Männer auf Jonas zu und klopften ihm anerkennend auf die Schulter. Anders als dieser wirkten sie nicht wirklich erschöpft.
„Das reicht für heute." erklärte Dimitri und wandte sich an den sichtlich erschöpften Jonas. Prüfend musterte er ihn. „Ich denke, ich sollte dich für heute aus dem Wachdienst nehmen..."
Jonas neigte leicht den Kopf. „Wie Ihr wünscht" erwiderte er, konnte aber nicht verhindern, dass man ihm seine Enttäuschung anhörte.
Dimitri blickte Jonas erstaunt und prüfend an. „Du bist zu erschöpft, um jetzt zuverlässig Wache schieben zu können. Aber in Ordnung. Ich teile dich für die Nachmittagsschicht ein."
Jonas Augen blitzten freudig auf. „Ich danke Euch."

Am Abend saß Dimitri neben Aaron in der Bibliothek. An Aaron's anderer Seite saß Finya auf einem Sessel. Dimitri legte fragend den Kopf schief, als er sah, dass Finya irgendwie bedrückt wirkte. Aaron seufzte. „Ich habe ihr heute morgen erklärt, dass ich ihr ihre Privilegien bis auf weiteres entziehen muss und sie meine Gemächer nur noch in Begleitung verlassen darf." Dimitri nickte verstehend.
„Wie hat sich Jonas im Training gehalten?"
„Deutlich besser als erwartet." erwiderte Dimitri. „Im fehlt es natürlich an Kondition und Übung, aber sonst war ich recht zufrieden mit ihm. Allerdings sollten wir unsere Haltung ihm gegenüber überdenken." Fragend hob Aaron eine Augenbraue. „Wie meinst du das?"
„Er kam zu spät zum Training..." Sofort zogen sich Aaron's Augenbrauen verärgert zusammen, doch Dimitri hob leicht die Hand. „Es war nicht seine Schuld."erklärte er sogleich. „Er wurde nicht rechtzeitig aus der Zelle gelassen." Aaron nickte leicht, wirkte aber dennoch etwas verärgert. „Ich hatte strikte Anweisung gegeben, ihn rechtzeitig zu seinen Diensten zu befreien."
Dieses Mal war es an Dimitri, zu nicken.
„Mein Vorschlag wäre, ihn nicht mehr länger einzusperren."
Aaron schüttelte leicht den Kopf. „Nun gehst du zu weit, mein Freund. Immerhin steht er unter Strafe. Soll ich ihm bei all seinen Vergünstigungen etwa auch noch eine Kammer zuweisen? Dann kann ich seine Strafe auch gleich aufheben. Sie gleicht ohnehin einer Farce."
Finya hob den Kopf und blickte zu ihrem Herren. „Er kann doch weiterhin im Kerker untergebracht sein, Herr." schlug sie vor. „Ich glaube nicht, dass er fliehen würde. Dazu hätte er bereits genug Gelegenheiten gehabt."
Aaron seufzte. „Schlimm genug, dass sich meine Garde mir gegenüber verschworen hat, was dich betrifft. Jetzt verbrüderst du dich auch noch mit ihnen, meine kleine Sklavin." Leicht beugte er sich zu ihr hinüber und strich ihr sanft über die Wange.
Dimitri räusperte sich leicht. „Da gibt es noch etwas..."
Aaron lehnte sich in seinem Sessel zurück und sah Dimitri fragend an. „Ich bin mir noch nicht sicher, aber es deutet vieles darauf hin, dass Jonas ein Ogun ist."
Aaron schnalzte mit der Zunge. „Ein Ogun...das klingt interessant."
„Was ist ein Ogun, Herr?" ergriff Finya neugierig das Wort.

Finya 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt