49.

183 13 0
                                    

Noch lange war König Aaron an diesem Abend in seiner Bibliothek gesessen und hatte nachgedacht. Nachgedacht darüber, was dieses Mädchen mit ihm machte. Obwohl sie unter Strafe stand, schien sie ihm weiterhin zu vertrauen. Sie schien sogar froh darüber zu sein, in seiner Nähe sein zu dürfen. Eine solche Ergebenheit hatte er in seinem langen Leben bei noch keinem anderen Sklaven erlebt. Nicht einmal bei denen, die ihm viele Jahre gedient hatten.
Und doch musste er gerade jetzt streng bleiben. Finya musste ihre Lektion lernen und sie sollte nicht glauben, dass ihre Strafe milder werden würde, nur, weil er ihr wieder gestattete, ihn zu bedienen und wieder freundlicher zu ihr war. Er konnte, wenn nötig, auch diesen Dienst deutlich anstrengender für sie gestalten, als er es bisher getan hatte.
Zufrieden mit seinem Entschluss lehnte er sich zurück und ließ seinen Blick durch den Raum gleiten. Dann seufzte er. Das Mädchen ließ ihm immer noch keine Ruhe.
Wenn er ehrlich war, hatte sie sich seinen Respekt verdient. Sie hatte die Schuld für ihre Verspätung auf sich genommen, ohne Andere dafür verantwortlich zu machen. Selbst auf seine Nachfragen hatte sie nicht versucht, den Küchenmeister schlecht zu machen. In Aaron wuchs der Wunsch, seine Sklavin zu belohnen. Ruckartig erhob er sich aus seinem Sessel und ging in seine Gemächer, nur um diese kurz darauf wieder zu verlassen.

Als Finya am nächsten Morgen erwachte, dämmerte es gerade. Mit einem leisen Stöhnen  setzte sie sich auf. Noch immer tat ihr alles weh. Besonders die Arme schmerzten vom Schrubben der Töpfe. Sie wollte gerade ins Bad gehen, als sie innehielt. Auf dem Tisch lag ein Buch. Ihr Buch. Direkt daneben lag ein zusammen gefalteter Zettel. Irritiert trat Finya an den Tisch. Wer hatte das bloß in ihr Zimmer gebracht? Und vor allem wann? Hatte sie etwa so tief geschlafen? Frustriert griff sie nach dem Brief. Wahrscheinlicher war wohl, dass es einer der Vampire gewesen war. Würde sie sich je an deren Geschwindigkeit und Lautlosigkeit gewöhnen?
Langsam faltete sie den Zettel auf. Sofort erkannte sie die klare Handschrift des Königs.
Stirnrunzelnd las sie den Text, las ihn ein zweites Mal. Schließlich seufzte sie leise. Ob das, was in dem Brief stand, eine Abmilderung ihrer Strafe bedeutete oder eher das Gegenteil, würde sich zeigen. Ihr Herr hatte fein säuberlich aufgegliedert, zu welcher Zeit sie wo ihren Dienst zu verrichten hatte. Startend mit einem Besuch bei Rebecca würde sie abwechselnd in der Küche arbeiten oder ihren Herren bedienen. Pausen waren nicht wirklich vorgesehen, lediglich kurze Zeitfenster, die gerade ausreichten, um sich vor dem Dienst bei ihrem Herren zu säubern.  Es freute Finya, dass der König ihr das Buch wiedergegeben hatte und sie ahnte, was diese Geste zu bedeuten hatte. Andererseits bezweifelte sie, dass sie am Abend noch die Kraft zum Lesen haben würde.

Finya beeilte sich, rechtzeitig zu Rebecca zu kommen. Als sie bereits vor ihrer Türe stand, merkte sie jedoch, dass sie den Trank vergessen hatte und lief noch einmal in ihre Kammer zurück.
So hektisch wie der Tag begonnen hatte, ging er auch weiter. Finya hetze ohne Pause von einer Aufgabe zur nächsten. Ihr blieb nicht einmal Zeit, etwas zu essen und so waren die Bissen, die ihr Herr ihr reichte, fast ihre einzige Mahlzeit in den nächsten Tagen. Doch den Hunger spürte Finya kaum. Zu viele Jahre war er ihr ständiger Begleiter gewesen und so fiel sie Abends nur noch müde ins Bett und war im nächsten Moment bereits eingeschlafen.
Die Woche neigte sich langsam ihrem Ende, als Finya erneut zur Mittagszeit den Salon ihres Herren betrat. Die Erschöpfung der vergangenen Tage stand ihr deutlich ins Gesicht geschrieben und Finya hatte sich längst geschworen, nie wieder den Unmut ihres Herren auf sich zu ziehen.
Sie sank vor ihm auf die Knie und senkte kurz respektvoll den Blick, bevor sie ihm offen in die Augen sah. Aus seinen tiefroten Augen blickte er zufrieden, aber auch hungrig, auf sie hinab. Erst jetzt fiel Finya auf, dass er die letzten fünf Tage, seit Beginn ihrer Strafe, nicht mehr von ihr getrunken hatte.
Zögernd erhob sie sich. Seit sie unter Strafe stand, vermied sie es, eigenmächtig zu handeln, wollte sie sich doch keinen zusätzlichen Ärger einhandeln. Aaron beobachtete seine Sklavin genau, doch als sie ihren Kopf zur Seite neigte, lächelte er.
„Komm zu mir." forderte er sie auf und Finya überwand die letzten Schritte bis zu ihm und strich sich die Haare zur Seite.
Entspannt schloss sie die Augen und atmete auch ruhig weiter, als Aarons Gesicht sich ihrem Hals näherte und sie seinen Atem auf ihrer Haut spüren konnte.
Finya im Arm haltend, verharrte König Aaron einen kurzen Moment, bevor er behutsam zubiss und begann, von seiner willigen Sklavin zu trinken, die selbst jetzt völlig entspannt blieb. Doch bereits der erste Schluck irritierte ihn. Ihr Blut schmeckte irgendwie anders, herber, als sonst. Im nächsten Moment löste er sich fluchend vom Hals seiner Sklavin, die auf einmal schwer in seinen Armen lag. Rasch verschloss er die Wunde an ihrem Hals, hob das bewusstlose Mädchen auf seine Arme und trug sie in seine Wohnung. Nur Augenblicke später legte er sie in ihr Bett. Die Türe zu ihrer Kammer ließ er offen stehen.
Aaron trat auf den Gang und winkte eine Wache heran, damit diese Dimitri zu ihm schicken konnte.
Er musste nicht lange warten, bis Dimitri schließlich vor ihm stand und sich leicht verneigte. Er kannte seinen Dienstherren gut genug um zu erkennen, dass dies kein Freundschaftsbesuch war.
„Ihr habt nach mir geschickt, mein König?" sprach er ihn daher förmlich an.
Aaron nickte nur. „Setz dich."
Eine ganze Weile schwiegen beide, ehe Dimitri das Wort ergriff. „Worum geht es, Hoheit?"
Aaron brummte unzufrieden. „Um Finya." erklärte er knapp. Dimitri zog fragend eine Augenbraue hoch. „Was ist mit ihr?"
Aaron knurrte nun leicht. „Das wüsste ich auch gerne." erwiderte er, und deutete auf die geöffnete Türe. Dimitri erhob sich und trat auf die Kammer zu. Als er Finya blass und regungslos im Bett liegen sah, drehte er sich fragend zu seinem König um. „Was ist geschehen?"
„Im Grunde nichts außergewöhnliches. Allerdings frage ich mich, warum meine Sklavin, wenn ich von ihr trinke, nach nur zwei Schlucken bewusstlos wird. Wie viel hat sie die letzten Tage gegessen?"
Dimitri kratzte sich nachdenklich am Kopf. „Wenn ich ehrlich bin, weiß ich es nicht. Sie war - wenn sie nicht bei Euch war - in der Küche. Somit sollte sie eigentlich an ausreichend zu Essen gekommen sein."
Aaron seufzte. „sollte....das trifft es wohl am Ehesten." Er deutete auf den Sessel. „Setz dich, mein Freund."
Dimitri lächelte sacht. Zu gut kannte er die schnellen Stimmungswechsel seines Herren. Doch er hatte schon lange gelernt, damit umzugehen.
„Dem Geschmack ihres Blutes nach zu urteilen, hat sie zumindest heute nur wenig bis gar nichts gegessen.." Dimitris Augen weiteten sich. „Und wenn ich ihre Gesamtverfassung betrachte, ist diese wohl nicht allein der Erschöpfung geschuldet."
Dimitris Augen blitzten kurz rot auf. „Ich dachte eigentlich, ich hätte mich Lucien gegenüber klar ausgedrückt. Soll ich ihn  herholen?"
Aaron schüttelte den Kopf. „Erst werde ich mit Finya reden, wenn sie aufwacht." Nachdenklich blickte er zu seiner schlafenden Sklavin. „Wie lange geht ihre Strafe noch, Dimitri?"
„Sie hätte noch zwei Tage." Aaron winkte ab. „Diese zwei Tage seien ihr erlassen. Ich denke, ihre Strafe war hart genug und sie hat ihre Lektion gelernt. Ab morgen wird sie wieder in meinem persönlichen Dienst stehen."
Dimitri lächelte. „Dann werde ich Lucien über diese Entscheidung unterrichten."

Finya 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt