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Am Nachmittag betrat Aaron erneut, gefolgt von seiner Garde, den Kerker.
Nach einem kurzen Blick durch das Fenster öffnete Gregori die Türe.
Jaro saß, an der Wand angekettet, am Boden der ansonsten leeren Zelle. Noch immer war sein Körper rot durch die Verbrennungen, wenn auch diese etwas blasser geworden waren.
Mühsam versuchte er auf die Knie zu kommen, als er Aaron sah.
„Du sprachst davon, dass Aegir mich zum Ehrenduell herausfordern will. Warum dann der geheime Zugang in meinem Garten?" fragte Aaron ohne Umschweife.
„Zum einen für den Fall, dass Ihr dem Duell nicht zustimmt, Hoheit. Zum Anderen will er Krieger in Eure Burg schicken. Sie sollen Eure Sklavin holen, während Ihr durch das Duell abgelenkt seid."
Jaros Stimme war noch immer schwach. Das Sprechen strengte ihn eindeutig an. Nur mit Mühe schaffte er es, auf den Knien zu bleiben.
„Wann genau will Aegir mich angreifen?"
„Am Tag nach dem nächsten Vollmond."
„Also in drei Wochen..." warf Ivar ein.
Nachdenklich blickte Aaron auf seinen Gefangenen, als ihm ein Gedanke kam.
„Was weißt du von Aegirs Bruder?"
„Nicht viel, Hoheit. Nur, die Kegenden, die man sich auf dem Schloss Aegirs erzählt. Er heißt Kari. Man erzählt, dass er in einer Höhle lebt und sich dort verborgen hält."
Erschöpft ließ Jaro sich nun doch zurück sinken. Er hatte keine Kraft mehr, länger zu knien.
Aaron beobachtete ihn nachdenklich. Er sah keinen Anhaltspunkt dafür, dass Jaro die Unwahrheit sagte.
Schließlich wandte er sich an seinen stellvertretenden Hauptmann. „Jaro bleibt vorerst noch am Leben. Kümmere dich darum, dass er ausreichend heilt, Eric. Nur so viel Blut wie nötig. Ich will, dass er noch geschwächt bleibt und nicht wieder anfängt, Ärger zu machen."
Nach einem letzten Blick auf Jaro verließ Aaron die Zelle. „Arvid, Kjell... auf ein Wort im Besprechungsraum."

„Was wisst IHR über den Bruder Aegirs?"
richtete Aaron das Wort an die Brüder, noch bevor er Platz genommen hatte.
Nachdenklich blickten die Brüder ihren König an. Kjell kratzte sich leicht am Kopf. „Es ist lange her. Mehr als vier Menschenleben.
Wir dienten damals in seinem Gefolge."
Arvid neigte den Kopf. „Er war ein guter Herrscher. Streng und unnachgiebig, aber gerecht." setzte er fort.
„Aegir hat schon immer den Anspruch auf den Thron erhoben. Eines Tages hat er unserem Jarl eine Falle gestellt. Arvid und ich waren damals auf einer Mission im Norden des Landes. Sehr viel später haben wir erfahren, dass Aegir uns mit Absicht auf diese Mission geschickt hatte, um uns aus dem Weg zu haben. Was genau damals geschah, wissen wir bis heute nicht." erklärte wieder Kjell.
„Wir waren auf dem Rückweg ins Schloss, vielleicht noch eine Stunde davon entfernt, als ein einfacher Bauer auf uns zugerannt kam, um uns zu warnen. Imperator Aegir ließ bereits nach uns suchen. Er hatte alle treuen Anhänger von Jarl Kari töten lassen. Der Bauer hatte uns noch nicht erreicht, als er von einem Pfeil in den Rücken getroffen wurde. Wir konnten nichts mehr für ihn tun. Er konnte gerade noch seine Warnung aussprechen, dann starb er und wir mussten fliehen als Imperator Aegirs Leute auf uns zukamen."
Erneut hatte Arvid weiter erzählt.
König Aaron hörte schweigend zu, ohne die beiden Brüder zu unterbrechen. „Wir sind damals zunächst nach Norden geflohen. Lange haben wir versucht, mehr über das Schicksal unseres Jarls heraus zu finden, allerdings erfolglos."
„Bis heute." unterbrach Arvid seinen Bruder. „Das mit den Höhlen könnte durchaus stimmen."
Kjell nickte zustimmend. „Schließlich mussten wir uns unsere Niederlage eingestehen und unsere Heimat verlassen. Es wurde einfach zu gefährlich und lange hätten wir Aegirs Schergen nicht mehr Stand halten können."
„Wir sind durch die angrenzenden Länder gezogen und haben uns als Söldner verdingt. Immer in der Hoffnung, doch noch etwas zu erfahren. Und so sind wir schließlich zu dir gekommen und sesshaft geworden." endete Arvid.
Der König lächelte, als er an diesen Tag zurück dachte. Damals war sein Vater noch König gewesen und hätte die beiden zunächst am Liebsten von seinem Land gejagt. Er selbst war es gewesen, der seinen Vater schließlich überzeugt hatte, den beiden eine Chance zu geben.
Aaron seufzte. „Wir sollten dem Hinweis mit den Höhlen nachgehen...."
Er blickte zu Kjell. „Hol mir bitte Jonas. Und bring Finya mit. Sie sollten beide in meiner Wohnung sein."
Wenige Minuten später saßen alle im Besprechungsraum. Obwohl Aaron seiner Sklavin ebenfalls einen Stuhl angeboten hatte, kniete sie an seiner Seite und lehnte sich leicht an sein Bein.
Aaron lächelte sacht. Finya wusste genau, dass ihn ihre Nähe entspannte. Sanft ruhte seine Hand auf ihrem Kopf und strich durch ihr Haar, während er Jonas und Finya von dem Verhör mit Jaro erzählte.
„Wir müssen einfach versuchen, den Jarl zu finden." erklärte er schließlich. „Das würde alles viel leichter machen..."
Finya berührte ihren Herren sanft am Bein, stand dann auf und trat vor die große Weltkarte, an der Aaron ihr vor so vielen Wochen die Nachbarländer erklärt hatte.
Suchend ließ sie ihren Finger über die Karte gleiten und merkte gar nicht, wie Aaron schweigend hinter sie getreten war. Neugierig beobachtete er seine Sklavin. Schließlich legte er jedoch seine Hand über die Finyas und führte sie. „Wir sind hier, dort ist die Grenze und hier das Schloss des Imperators." zeigte er ihr die Orte, von denen er vermutete, dass Finya sie suchte.
Lächelnd nahm Finya ihre Hand herunter. „Danke, Herr."
Nachdenklich blickte sie auf die Karte. „Wenn ich fliehen müsste, ich würde in der Nähe bleiben." setzte sie an. Vier Augenpaare lagen neugierig und schweigend auf Finya. Es wäre nicht das erste Mal, dass sie eine Lösung gefunden hätte.
„In Imperator Aegirs Land gibt es doch nur hier oben Berge, oder?"
Finya deutete auf den Norden des Landes.
Kjell trat neben sie und nickte. „Richtig. Das restliche Land ist flach."
„Dann gibt es dort auch keine Höhlen." stellte Finya fest.
„Dann kann er dort nicht sein. Außerdem wäre es zu gefährlich, alleine im eigenen Land zu bleiben, nachdem man gestürzt wurde."
„Es birgt eine gewisse Gefahr, ja." bestätigte Arvid.
Finya drehte sich zu Aaron um. „Wisst Ihr, ob Imperator Aegir auch Dörfer in den anderen Ländern überfallen hat, Herr?"
Erstaunt hob Aaron die Augenbraue. „Meines Wissens nicht. Die anderen Herrscher haben zumindest nichts davon erzählt."
Finya nickte, als ob sie sich in ihrer Idee bestätigt sah. „Die Überfälle waren doch in diesem Bereich, oder?" Finya deutete auf die Grenzregion nahe der Bergkette.
Aarons Augen weiteten sich, als er nickte. Und auch Arvid und Kjell machten einen Schritt auf Finya zu.
„Dann glaube ich, dass der...Jarl...in den Höhlen hier in Eurem Land sein könnte. Vorausgesetzt, das mit den Höhlen stimmt."
Schweigend wanderte Aarons Blick zwischen der Karte und Finya hin und her. „Setzen wir uns." erklärte Aaron ruhig und bestand dieses Mal darauf, dass Finya auf dem Stuhl neben ihm saß.
Nachdenklich nahm Finya Platz. „Da ist doch noch etwas, Finya?"
Finya nickte langsam. „Habt Ihr auch Wachen an der Grenze postiert?" Aaron schüttelte den Kopf. „Warum dann der Imperator?"
„Er will verhindern, dass der rechtmäßige Jarl zurück kehrt." knurrte Kjell.
„Also sind wir uns einig, den Jarl in diesen Bergen zu suchen." erklärte Aaron und sah auf.
„Arvid, Kjell. Ihr möchte, dass ihr heute noch aufbrecht. Sucht ihn. Wenn ihr ihn findet, erklärt ihm die Situation und überzeugt ihn, mit in meine Burg zu kommen. Jonas. Ich möchte dass du die beiden begleitest. Als Ogun könnte es dir leichter fallen, ihn zu finden."
Arvid, Kjell und Jonas verneigten sich, wenn auch Jonas etwas angespannt durch diesen Auftrag wirkte. Aaron lächelte. „Du magst noch nicht so gut trainiert sein, wie der Rest der Garde, aber ich würde dich nicht auf diese Mission schicken, wenn ich nicht sicher wäre, dass du ihr gewachsen bist."
„Euer Vertrauen ehrt mich, Hoheit. Ich werde mein Bestes geben."
Aaron nickte zufrieden. „Wie schnell könnt ihr aufbrechen?"
„In einer, spätestens zwei Stunden."

Eine Stunde später stand Aaron zusammen mit Finya und der restlichen Garde im Innenhof.
Ein Stallknecht brachte gerade drei gesattelte Pferde aus dem Stall. Sichtlich strahlend  band er die Tiere an den Pfahl in der Mitte, als er auf einmal den König sah.
Sofort ging er vor ihm auf die Knie. „...Hoheit..."
Aaron nickte ihm freundlich zu. „Steh auf, Simon."
Er wartete, bis der Junge Mann wieder stand. „Du arbeitest also wieder in den Ställen?"
„Ja, Herr. Dimitri hat mich heute erstmals wieder hier eingeteilt." erwiderte Simon und Aaron merkte deutlich, wie glücklich der Mann darüber war. Bei all dem Stress der letzten Zeit, hatte er Simon ganz vergessen. Nur gut, dass Dimitri an ihn gedacht hatte. Dankend nickte er seinem Hauptmann zu.
Und noch jemanden hatte er vergessen. Andererseits wusste er ohnehin noch nicht, wie er mit diesem David weiter verfahren sollte.
Arvid, Kjell und Jonas hatten inzwischen ihre Taschen an den Sätteln befestigt.   
Nach einer knappen, aber herzlichen Verabschiedung, ritten sie gemeinsam aus der Burg heraus.

Finya 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt