55.

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Kurz darauf standen die beiden Frauen vor Dimitri. Dieser blickte sie scheinbar überrascht an. In Wirklichkeit wusste er bereits, was die beiden Sklavinnen wollten, konnte er ihr Gespräch doch nicht überhören.
„Habt ihr schon genug vom Garten?"
Finya schüttelte den Kopf. „Das nicht, Dimitri. Aber könntest du Rebecca und mich zu unserem Herren bringen?" Dimitri lächelte. „Natürlich."
Als Rebecca allerdings auf die Knie sinken wollte, schüttelte er den Kopf. „Dieses Mal nicht, Rebecca. Was soll der König denn denken, wenn ich dich gefesselt zu ihm bringe?" fragte er freundlich.
Er ging voraus und die beiden Frauen folgten ihm. Je näher sie dem Büro kamen, desto hektischer wurde Rebeccas Atem. Schließlich blieb Dimitri vor der Bürotür stehen. „Wartet hier." Er betrat nach einem kurzen Klopfen den Raum und schloss die Türe hinter sich. „Mach einfach das, was ich tue." wandte sich Finya leise an Rebecca, die inzwischen ziemlich blass war.
Im nächsten Augenblick öffnete sich auch schon wieder die Türe und Dimitri trat zur Seite. „Ihr könnt jetzt zu ihm."
Anders als bei Finyas erstem Besuch saß der König an seinem Schreibtisch und blickte den beiden Frauen offen entgegen.
Finya ging einen Schritt voraus und ließ sich ein Stück vom Schreibtisch entfernt auf die Knie sinken. Den Blick hielt sie gehoben und sah ihren Herren offen an.
Rebecca folgte ihr etwas zögerlich und sank neben ihr auf die Knie, hielt ihren Kopf aber demütig gesenkt.
Aaron nickte Finya kurz zu, wandte sich dann aber an Rebecca. „Guten Morgen, Rebecca." sprach er sie freundlich an, woraufhin sie zusammen zuckte. Der König atmete kurz durch, bevor er weitersprach. „Sieh mich an, Rebecca." forderte er sie zwar streng, aber dennoch freundlich auf. Langsam hob Rebecca den Kopf und Aaron nickte ihr zufrieden zu. „Es freut mich, dass du zu mir kommst." erklärte er. „Ich sage dir jetzt das Gleiche, was ich Finya vor einigen Wochen gesagt habe..." Rebeccas Blick wurde fragend. „Wenn du gehorsam und respektvoll bist, hast du hier nichts zu befürchten und kannst ein gutes Leben führen." Er merkte, wie Rebecca sich verspannte. Kurz zögerte er. „Auch wenn mein Ruf mir voraus eilt...Ich halte nicht viel von körperlichen Strafen bei meinen Sklaven. Wenn du also nicht gerade versuchst, mich oder einen meiner Leute zu töten, gebe ich dir mein Wort, dass du keine Schläge erhalten wirst."
Das blanke Entsetzen stand Rebecca in ihr Gesicht geschrieben. „Das würde ich NIE versuchen, Herr." Aaron lächelte. „Dann hast du auch keine Schläge zu befürchten." Als ein Hoffnungsfunke in ihren Augen aufglomm nickte er zufrieden und lehnte sich entspannt zurück. „In der Kutsche hatte ich dich vor die Wahl gestellt, ob du mir dienen willst oder ob ich dich töten soll..." er beobachtete genau, Rebeccas Reaktion, die ihn jedoch nur aufmerksam ansah. „Nun stelle ich dich erneut vor eine Wahl. Willst du mir als Sklavin dienen oder soll ich einen anderen Herren für dich suchen?"
Rebecca schluckte. „Ich werde Euch als Sklavin dienen." Aaron grinste leicht. „DAS war nicht meine Frage, Rebecca." erwiderte er. „Die Frage war, ob du es WILLST."
Rebecca sah ihn mit großen Augen an. Sie brauchte einen Moment, um zu verstehen. Schließlich setzte sich Erkenntnis in ihren Blick. Für einen Moment schloss sie die Augen. Als sie sie wieder öffnete, sah sie Aaron direkt an. „Ja. Ich will EUCH als Sklavin dienen."
Aaron nickte. „Ich weiß, dass du mir noch nicht vertraust. Ich werde dir Zeit geben, aber ich erwarte, dass du daran arbeitest." Rebecca nickte schwach.
Aaron wirkte zufrieden und winkte Finya zu sich. Er zog sie näher an sich heran und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Finya lächelte."Nein, ich denke nicht." erwiderte Finya, hörte ihrem Herren dann weiter zu. „Ja, Herr" antwortete sie auf eine weitere Frage. „Natürlich, Herr, sehr gerne." Finya verneigte sich und trat wieder neben Rebecca, blieb dieses Mal aber stehen. „Du kannst auch aufstehen, Rebecca." er wartete, bis sie neben Finya stand. „Finya wird dich in dein Zimmer bringen. Ab morgen wird Dimitri dir Aufgaben zuteilen. Vorerst ist es dir noch untersagt, alleine dein Zimmer zu verlassen."
Die beiden Frauen verneigten sich respektvoll vor Aaron, bevor sie den Raum verließen.
Finya schlug direkt den Weg zum Treppenhaus ein. „Das war doch gar nicht so schlimm, oder?" Rebecca nickte. „Ich habe trotzdem immer noch Angst vor ihm, auch wenn er freundlich war."
Im ersten Stock angekommen ging Finya weiter hinauf in den zweiten Stock. Rebecca blieb stehen und sah Finya fragend an. „Komm weiter" forderte Finya sie auf. Schließlich blieb sie vor einer Türe stehen.?„Sind wir hier nicht falsch?" fragte Rebecca. Finya schüttelte den Kopf. „Nein, wir sind richtig. Unser Herr meinte, es sei... angemessen..., dir eine andere Unterkunft zuzuteilen."
Rebecca schluckte. „Habe ich etwas falsch gemacht und ihn verärgert?" Irritiert blieb Finya, die Hand bereits auf dem Türgriff, stehen. „Wie kommst du darauf?" „Naja...meine Kammer war mehr als großzügig. So viel Platz wie dort hatte ich noch nie in meinem Leben. Und jetzt weist er mir etwas anderes zu. Ich habe bestimmt etwas falsch gemacht, wenn er mir das Privileg meiner Kammer entzieht..."
Finya schien zu verstehen, denn sie begann zu grinsen. „Nein. Ganz im Gegenteil. Nach dir..." meinte sie nur und ließ Rebecca ihr früheres Zimmer betreten. Gänzlich überfordert blieb Rebecca im Türrahmen stehen und ließ ihren Blick durch den großen Raum wandern. „Aber wieso...?"
Finya hob leicht die Schultern. „So genau weiß ich das auch nicht. Ich vermute mal es liegt daran, dass du dich selber überwunden hast, zu ihm zu gehen. Vielleicht denkt er aber auch, dass du hier entspannter sein kannst." Sie zuckte leicht die Schultern. „Denk nicht so viel darüber nach. Freu dich einfach."
Rebecca nickte und ging auf das bodentiefe Fenster zu. Finya legte ihr entschuldigend die Hand auf den Arm und stoppte sie so. „Tut mir Leid. Ohne eine der Wachen dürfen wir nicht auf den Balkon. Aber das Fenster dürfen wir öffnen."
Erschöpft ließ Rebecca sich auf das Bett sinken. „Hast du gar keine Angst vor ihm?"
Finya lächelte sie an und setzte sich in einen der Sessel. „Anfangs hatte ich große Angst. Inzwischen nicht mehr wirklich. Ich vertraue ihm und er hat mich bisher immer gut behandelt. Ja, er bestraft zwar auch kleine Fehler und das unnachgiebig, aber seine Strafen sind immer gerecht. Und sieh es doch einmal so: Kann es hier wirklich schlimmer sein als bei deinem alten Herren?"
Überrascht blickte Rebecca auf. „Du hast Recht, Finya. Bei ihm war es die Hölle. So..."
Sie wurde unterbrochen, als es klopfte, die Türe sich öffnete und zwei Mitglieder der Garde den Raum betraten. „Bei wem war es die Hölle?" fragte einer der beiden sogleich.
Rebecca gab einen spitzen Schrei von sich und wich panisch auf dem Bett nach hinten.
Die Gardewache hob abwehrend die Hände. „Alles in Ordnung, Mädchen. Ich tue dir nichts."
Finya stand auf und verneigte sich leicht vor den beiden Männern, bevor sie sich zu Rebecca setzte. Kurz blickte sie fragend zu den beiden Männern. Als diese nickten, wandte sie sich wieder an Rebecca. „Es ist alles in Ordnung, Rebecca. Das sind Arvid und Kjell. Sie sind Teil der persönlichen Garde unseres Herren." erklärte sie. „Wahrscheinlich wirst du den einen so gut wie nie ohne den Anderen sehen." fügte sie leicht grinsend hinzu. „Das stimmt." fügte der Sprecher vom Anfang hinzu. „Ich bin übrigens Kjell." Rebecca blickte immer noch ängstlich zwischen den Wachen hin und her.
Finya wurde wieder ernster, stand auf und wandte sich den Wachen zu. „Verlangt mein Herr nach mir?" Arvid winkte ab. „Das hat noch Zeit, Finya. Du sollst erst in einer halben Stunde zu ihm gehen. Wir dachten nur, dass du Rebecca bestimmt den Balkon zeigen willst." Finya strahlte. Ihr Blick wanderte zur Balkontür, die Kjell unterdessen geöffnet hatte. „Vielen Dank." erwiderte Finya aufrichtig, bevor sie Rebecca mit sich auf den Balkon zog. Arvid und Kjell drehten die Sessel zur Türe und setzten sich, während Finya mit Rebecca auf den Balkon trat. Verblüfft sah Rebecca zu den beiden Vampiren. Ja, es waren wirklich Vampire, aber warum waren sie so freundlich?
Langsam trat Rebecca auf den Balkon legte ihre Hände auf die warme Brüstung und blickte in die Ferne. Auf ihrem Gesicht lag ein Lächeln.

Finya 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt