•Epilog•

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Kina öffnete das Fenster in der Küche, der herbstliche Wind wehte die salzige Meeresluft in ihr Gesicht. Sie atmete tief ein. Noch war der Himmel wolkenbedeckt. Doch am Horizont erkannte sie einen hellblauen Himmelstreifen, der im Kontrast zu dem dunklen, schäumenden Meer stand.
Schwere Schritte kamen die Holztreppe herunter und starke Arme legten sich um ihren Körper, hielten sie fest an seiner Brust.
Geborgenheit.

In ihren Händen hielt eine rote Tasse mit dampfenden Kaffe für ihn. „Na mein Morgenmuffel?" fragte sie ihn neckend. Er drückte ihr einen Kuss auf den Hinterkopf, nahm die Tasse dankend entgegen und starrte mit ihr für einige Zeit auf das wilde Meer. Sie schloss die Augen, lehnte den Kopf nach hinten und lauschte dem Meeresrauschen. Sie genoss die kurze Zweisamkeit mit ihrem Mann und schweifte mit ihren Gedanken in ihrer Vergangenheit.

Zwei lachende Kinderstimmen rissen Kina aus ihren Gedanken und freudestrahlendend drehte sie sich zur Treppe.
Hand in Hand kamen Liza und Nick die Treppe herunter und vielen ihren Elteen in die Arme. Ihr Vater hob Liza in die Luft wirbelte wie über seinen Kopf. Liza quitschte vergnügt. „Daddy jetzt ich, jetzt ich!" quengelte Nick und sprang auf und ab. Er setzte Liza ab und hob Nick über seinen Kopf. Kina nahm die Hand von Liza und führte sie in die Küche, wo sie gemeinsam das Frühstück vorbereiteten. Minuten später sassen sie alle am grossen Tisch vor der Fensterfront. Der Wind zog durch das rote Holzhaus und an der Waldgrenze wippten die Bäume im Wind. Kina lächelte ihren Mann an umd sah glücklich dabei zu, wie die Zwillinge ihr Frühstück verspeiseten. Er nahm ihre Hand und drückte sie.
Familie.

„Mommy, beeil dich! Wir wollen endlich los!" rief Liza aus dem Flur. Kina lachte, als die ungeduldige Liza ihren schwarzen Wuschelkopf durch die Küchentüre steckte und sie fast schon genervt anschaute. „Liebling, wir müssen noch auf deinen Bruder und Daddy warten, bevor wir zum Strand gehen." Liza stampfte wütend mit ihrem Gummistiefel auf. „Ich will aber jetzt gehen!"
„Wir kommen, wir komme." rief ihr Vater, als er gemeinsam mit Nick auf dem Arm die Treppe herunter gerannt kam. „Na endlich.", jammerte Liza.

Lachend rannten Liza und Nick einige Minuten später in Richtung des Strandes. Mit ihre Gummistiefel plantschten sie in den Pfützen, welche der nächtliche Regen auf dem Weg hinterlassen hatte, ehe sie am Strand nach Muscheln suchten. Sie setzen sich auf einen alten Holzstamm und schauten den Zwillingen dabei zu, wie sie über den leeren Strand fegten.

„Was hälst du davon, wenn wir noch ein Kind adoptieren?" fragte er plötzlich. Kina drehte sich zu ihrem Mann und sag ihn fragend an. „Ich meine, die Zwillinge werden nächsten Sommer eingeschult. Dann ist das Haus plötzlich wieder so leer." Er blickte traurig auf das rote Strandhaus, das auf halben Weg zwischen dem Strand und dem Wald dahinter lag.

Vor Jahren hatten sie sich ihren Wunsch erfüllt und das Strandhaus wieder aufgebaut. Es war ihr perfektes Nest, abseits und geschützt von der Rudelwelt, welche um sie herum zusammenbrach. Erst kilometer hinter dem abgebrannten Wald, wartete die hässliche Realität auf sie. Erst als sie die Zwillinge adoptiert hatten, schloss sich das grosse Loch in ihrem Leben, dass auch die Liebe zueinander nicht mehr reparieren konnte. Vor langer Zeit, noch vor dem sich anbahnenden Krieg, hatte Marisa sie vorgewarnt.
Du musst auf euch aufpassen, damit ihr das überlebt. Ihr zwei, ihr könnt das überstehen. Hätte sie damals nur gewusst, welcher Albtraum auf sie zukommen würde.

Kina lächelte ihn an und rutschte näher an ihn heran, er legte einen Arm um sie. „Ich würde mit dir auch ein ganzes Fussballteam adoptieren", antwortete sie grinsend auf seine Frage. Er lachte laut auf. „Hauptsache, wir können so vielen Kindern wir möglich eine liebevolle Familie bieten." fuhr Kina leise fort. Traurig sah er in ihre Augen, die all den Kummer der Vergangenheit spiegelten. Er legte seine Hand auf ihre Wange und streichelte sie fein. Sie legte ihre Stirn an seine, atmete tief ein, schloss die Augen, und atmete wieder aus.
„Das tun wir schon und das werden wir auch weiterhin." sagte er. „Schau dir die zwei an",  dabei sah er zu Liza und Nick welche lachend auf sem Sand lagen und sich darin welzten.
Kina musste beim Anblick ihrer Kinder lächeln und blickte wieder zu ihrem Mann. Sie drückte ihm einen Kuss auf die Lippen und sagte „Ich liebe dich." „Ich liebe dich auch, Kina. Das habe ich schon immer."

Langsam verdunkelte sich der Himmel. Kina rief die Zwillinge zu sich und nahm sie an die Hand. Liza erzählte, welche Muscheln sie heute am Strand gefunden hatte und Nick zeigte ihr das Treibholz, aus welchem er etwas schnitzen wollte.
Auf halben Weg nach Hause blieb Nick plötzlich wie erstarrt stehen und drückte die Hand seiner Mutter fest. Liza riss sich aus der anderen Hand los und rannte lachend zum Haus. Kina ging in die Hocke und blickte in Nicks verängstigtes Gesicht. Mir zitternden Armen und Tränen in den Auge zeigte der kleine Junge auf den Waldrand, einige hundert Meter entfernt. „Schau Mommy, ein Wolf." flüsterte er. Kina strengte ihre Augen an und erblickte einen grossen Wolf mit dunklem Fell, der am Waldrand stand und in ihre Richtung blickte.

Traurig schmunzelte sie. „Hallo Elis" murmelte sie leise, ohne dass Nick sie hören konnte.

Sie täschelte Nick liebevoll über den Kopf und nahm seine Hand wieder in ihre. „Komm, lass uns rein gehen zu Daddy. Du brauchts keine Ansgt zu haben, der Wolf kommt nicht näher." Sie trug Nick in ihren Armen auf die Veranda, wo Liza schon in dem Schaukelstuhl auf sie wartete.

Sie hörte, wie er in der Küche pfeifend das Abendessen vorbereite.
„Liza, schau da hinten, ein Wolf." flüsterte Nick leise winselnd zu seiner Schwester und zeigte auf den Waldrand. Liza blickte verunsichert zu ihrer Mutter.

„Dieser Wolf wird euch beiden niemals etwas antun. Und auch Mommy und Daddy nicht. Er passt auf euch zwei auf.", versicherte Kina ihren zwei Kindern. Dabei blickte sie in Richtung des Wolfes, dessen Fell immer grauer und fleckiger wurde und dessen Augen schon vor langer Zeit sein Strahlen und Glanz verloren hatte. Der Wolf beobachtete Kina, die sich vor ihren zwei Kindern hingekniet hatte, um ihnen dabei zu helfen, ihre Gummistiefel auszuziehen. Sie täschelte den beiden über den Kopf und ging dann in das rote Strandhaus hinein. Durch die grosse Fensterfront konnt er sehen, wie sich die ganze Familie im Esszimmer versammelte. Er hatte Kerzen angezündet, die den Raum in einem wohligen Orange erleuchteten. Die Zwillinge  und Kina setzten sich an den Tisch, und er kam mit zwei Ofenhandschuhen bewaffnet und einer dampfenden Schüssel in den Händen ins Esszimmer. Kina strahlte ihn an und drückte ihm einen Kuss auf den Mund, als er die Schüssel abgestellt hatte.
Jacob.

Ein letztes Mal blickte der Wolf auf die Szene die sich im roten Strandhaus abspielte. Eine Familie, die seine hätte sein können, beim Abendessen. Er wendete sich traurig dem Wald zu und rannte in die unendliche Dunkelheit der Nacht.
Morgen würde er wieder nach dem Rechten sehen und prüfen, dass sie in Sicherheit waren, wie an jedem anderen Tag in den letzten fünfzehn Jahren auch.
Versprochen.

Alphablut - Legends of AlikanteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt