•Markierung•

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Die ganze Nacht waren Kina und Elis in der Umarmung verharrt und hatten die Anwesenheit des anderen genossen.

Als die ersten Sonnenstrahlen über den Horizont zogen, gingen sie Händchen haltend nach draussen und spazierten schweigend durch den Wald. Die ganze Nacht über hatte keiner ein Wort gesagt, aus der Angst den Moment zu zerstören.

Kina führte Elis an den kleinen Teich, an dem sie auch gestern gesessen war. Der Wind malte kleine Wellen auf das Wasser, welches im rötlichen Morgenlicht wie flüssige Lava aussah. Sie setzten sich auf die Bank, immer noch Hand in Hand.

Kina beobachtete seine Gesichtszüge. Seine Augen waren noch immer eingefallen, aber die Augen strahlten grün. Ein leichtes, zufriedenes Lächeln zierte sein Gesicht.

„Warum erkennst du mich nicht?" fragte sie ihn leise, während sie sein Gesicht musterte.

Elis musste tief einatmen, als sie ihre Frage gestellt hatte.

„Ich dachte, ich würde dich niemals finden. Ich hatte Angst, du könntest tot sein und ich würde allein bleiben.", gestand Elis. „Also habe ich Jospehine markiert. Sie wurde meine Luna." Kina knurrte und hielt sich erschrocken ihre freie Hand vor den Mund.

„Aber hast du mich denn überhaupt gesucht?", fragte sie traurig. „Ich war überall, dachte ich zumindest. Ich habe dich nie gespürt. Mir wurde immer gesagt, als Alpha würde ich meine Mate früh spüren können. Nicht ein einziges Mal habe ich dich gespürt. Ich dachte wirklich, du wärst tot. Und damit konnte ich nur schwer umgehen. Aber nein, wenn deine Frage ist, ob ich dich gesucht habe, habe ich das wohl wirklich nicht. Ich dachte, es hätte ausgereicht, durch das Land zu streifen und mich von meinen Gefühlen treiben zu lassen. Und mein Gefühl hat mich immer wieder nach Hause getrieben, als wollte es mir zeigen, dass ich dich nicht finden würde.", beendete Elis traurig.

„Wie konntest du dann eine andere markieren?", fragte Kina leicht vorwurfsvoll und löst ihre Hand aus Elis Griff. Sofort war alle Wärme verschwunden, die Schuldgefühle holten sie wieder ein.

„Ich brauchte jemand an meiner Seite!", rief Elis aufgebracht aus. „Ein Rudel ohne Luna ist angreifbar, schwach. Und ich bin nicht schwach.", meinte Elis.

„Die Markierung, auf ihr, die verhindert, dass du mich erkennen kannst, oder?", fragte Kina. Elis nickte. „Hast du mich als Wolf erkannt?"

Elis wiegte seinen Kopf hin und her. „Nicht so wirklich. Naja, als ich deine Fährte aufgenommen hatte, wusste ich, muss zu dir. Dieses instinktive Vertrauen, was Mates wohl haben, das war da. Aber nein, ich habe dich nicht als meine Mate erkannt und ich tue es auch immer noch nicht.", sagte Elis ehrlich. Kina schluckte.

„Wirst du mich jemals erkennen? Als deine Mate?", fragte sie niedergeschlagen. Elis stand auf und ging auf Kina zu, ergriff ihre beiden Hände und hielt sie an seine Brust, damit sie seinen Herzschlag spüren konnte.

„Ich weiss es nicht. Aber das Gefühl, das du mir gibst, ist unglaublich. Du gibst mir so viel Ruhe und Zufriedenheit, das möchte ich nicht mehr missen. Ich weiss, dass du mir gehörst. Ich weiss, dass du meine Mate bist, auch wenn ich es nicht spüren kann. Ich will, dass du meine Mate bist. Ich werde dich für nichts auf der Welt mehr hergeben.", versprach Elis ihr. Kina schloss die Augen, als Elis seine Stirn gegen ihre legte.

„Aber, meine Markierung auf ihr ist nicht stark. Ich muss sie alle paar Monate wieder neu markieren, sie verschwindet ansonsten.", ergänzte er. „Du weisst genauso wie ich, die Markierung auf der Haut ist vielleicht nur temporär. Aber die Verbindung, die eure Seelen eingegangen sind, eine Mateverbindung, die ist bleibend." Elis schluckte, er wusste, sie sprach die Wahrheit aus.

Mateverindungen waren in erster Linie seelische, spirituelle Verbindungen, welche sich auf den verschiedensten Ebenen äusserte. Eine davon die Narbe im Nacken der Wölfin, als Zeichen für andere Wölfe, dass sie verbunden war. In dem Moment, in dem Mates die Verbindung eingehen, verknüpfen sich ihre Seelen und ihr Schicksal für die Ewigkeit miteinander, selbst wenn es nicht vorbestimmte Mates waren. Oftmals ist die Verbindung von nicht vorbestimmten Mates nicht so stark, aber sie ist da.

„Ich würde dich gerne markieren, Kina.", gestand Elis ihr. Erschrocken blickte sie zu Elis auf und schüttelte den Kopf. „Nein, das geht nicht. Nicht so lange jemand anderes noch eine so starke Markierung auf sich trägt, dass du mich nicht erkennen kannst.", sagte sie traurig. Ihre Traurigkeit spiegelte sich in Elis Augen.

„Hätte ich gewusst, dass du hier bist, glaub mir, ich hätte uns das niemals angetan. Es tut mir leid, dass du, dass wir jetzt in dieser Situation sind.", sagte Elis traurig mit Tränen in den Augen. Kina legte ihre Hand auf seine Wange und streichelte ihn liebevoll. Er schloss die Augen. „Es ist okay.", beruhigte sie ihn und wiederholte die Worte immer wieder.

Aber war es das? War es in Ordnung, dass ihr Mate jemand anderen markiert hatte, aus Angst allein zu sein? War es nicht egoistisch von ihm gewesen, sie dieser Möglichkeit zu berauben? Schnell schob Kina die Gedanken bei Seite, um sich wieder auf den Moment mit Elis konzentrieren zu können.

Elis, ihr Mate, der sie nicht erkennen konnte und nicht das gleiche spüren konnte, wie sie. Er spürte nicht die innige Verbindung, die sie hatten. Er spürte nicht die Gänsehaut, die sie auf seiner Haut hätte hinterlassen sollen und sein Herzschlag, der sich verdoppeln sollte, als sie ihm in die Augen sah. Er spürte eine dumpfe, abgeschwächte Variante von all den Gefühlen, die sie in sich trug. Liebe, Leidenschaft, Vertrauen.

„Warum versteckst du deinen Wolf? Man riecht ihn kaum.", riss Elis Kina plötzlich aus den Gedanken. Kina biss sich auf die Lippe.
„Wobei, man riecht ihn schon. Aber er hat etwas an sich.", setzte Elis leise fort.

Sie konnte es ihm nicht sagen, noch nicht.

Alphablut - Legends of AlikanteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt