•Angst•

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Am nächsten Abend klingelte Elis an der Türe. Da niemand anderes zu Hause war, musste Kina ihm die Türe öffnen.

«Was willst du?», fragte sie kopfschüttelnd.

«Danke, ich komme gerne herein.», sagte Elis provokativ und drückte die Türe vollständig auf, um in das Haus hineinzukommen.

In seiner Hand trug er eine grosse Tüte mit Lebensmitteln.

«Ich dachte, vielleicht hast du Hunger?», fragte er, mit einem leichten Lächeln.

«Ich denke schon.», antwortete Kina gleichgültig.

Elis ging in die Küche und begann das Gemüse zu schneiden. Gelangweilt setzte Kina sich an den Tisch und beobachtete Elis. Sie kaute auf ihren Nägeln, wartend, dass Elis das erste Wort ergreifen würden.

Als hätte er ihren Gedanken, gehört sagte Elis: «Wie lange möchtest du noch schweigen, Liebes?».

Als Antwort zuckte Kina mit den Achseln und schwieg weiter.

Elis atmete laut aus. «Nun gut. Dann mache halt ich den Anfang.» Elis legte das Messer zur Seite und faltete die Hände zusammen.

«Ich verstehe nicht, was dich gestern irritiert hat.», gab er zu.

«Wirklich?», fragte Kina ungläubig. Elis nickte schnell.

«Was mich irritiert hat? Du hast im Wald angegriffen. Du wolltest mich unterwerfen! Und du hast mich, absichtlich, verletzt!», sagte Kina wütend.

Elis schnaufte. «Ich habe doch schon gesagt, ich wollte dein Alphablut testen.» «Nein, du wolltest mich unterwerfen! Weisst du was, langsam habe ich das Gefühl, du hast Angst vor meinem Alphablut.», meinte Kina.

Elis lachte belustigt. «Ich, Angst?», sagte er gehässig. Bedrohlich lehnte er sich zu Kina. «Damit eines klar ist, Kina, ich brauche keine Angst vor dir zu haben.», spuckte Elis.

Als er ihren Namen aussprach, auch oder wegen dem giftigen Unterton, stellten sich Kinas Nackenhaare auf.

Kina stützte ihren Kopf nachdenkend auf ihrer Hand ab. Die Erkenntnis traf sie. «Du willst, dass ich Angst vor dir habe, oder?», fragte sie Elis.

Er neigte seinen Kopf zur Seite. «Nicht unbedingt Angst, Respekt.», sagte er bösartig. Kina lächelte. «Wie ein guter Freund von mir immer sagt, Respekt muss man sich verdienen.», antwortete Kina aufrichtig.

Elis stützte sich auf seinen beiden Armen ab und liess den Kopf hängen. «Liebes, so geht das doch nicht.»
«Was geht so nicht?»

«Du und ich, wir müssen irgendwie funktionieren.»

«Ein erster Schritt wäre dann wohl, dass du mich nicht zerfetzen willst und mich verletzt im Wald zurücklässt.», sagte Kina giftig.

«Okay, ich kann zugeben, dass es ein wenig brutal klingt.», gestand Elis.

Kina lachte. «Ein wenig?», fragte Kina nach. Doch sie erhielt keine Antwort, als sich Elis der Pfanne zuwendete und weiter kochte.

Kina genoss das Essen, das Elis zubereite hatte. Elis beobachtete sie interessiert, doch sein Gesichtsausdruck zeigte, wie so oft, ein schelmisches Lächeln.

Nach dem Abendessen setzten sie sich auf die Couch im Wohnzimmer und blickten in den dunklen Wald. Sie hatten das Licht im gesamten Haus gelöscht und sassen schweigend in der Dunkelheit.

«Elis, was machst du noch hier im Vollmondrudel?», fragte Kina ihn nach einiger Zeit. Elis drehte seinen Kopf zu ihr und sie konnte, auch in der Dunkelheit, seine funkelnden Augen sehen. «Wie meinst du das?», fragte Elis nach.

«Du hast doch zugestimmt, das Vollmondrudel zu verlassen.»

«Nicht ohne dich.»

«Das war nicht abgemacht.»

«Das ist meine Voraussetzung. Ich gehe. Mit dir!», sagte Elis nachdrücklich.

«Ich kann nicht gehen, nicht gerade jetzt. Ich werde hier gebraucht. Und das habe ich auch gesagt, wenn ich gebraucht werde, werde ich hier sein. Für Finn.»

«Für Finn oder wegen Finn?», fragte Elis nach.

«Was ist der Unterschied?»

«Für Finn würde bedeuten, dass du ihn unterstützt. Wegen Finn würde bedeuten, dass du hier sein musst, weil er nicht in der Lage ist, diese Rudel zu führen.», stellte Elis sachlich fest.

«Darauf möchte ich nicht antworten.», meinte Kina ehrlich.

«Das reicht mir als Antwort.»

Kina seufzte.

«Ich liebe Finn, wirklich. Aber ganz ehrlich, ich weiss momentan nicht, warum ich das alles tue. Er ist mein ein und alles. Aber irgendwie ertrage ich ihn auch nicht. Das ist wahrscheinlich auch falsch ausgedrückt, ich ertrage das, was zwischen uns steht, nicht.

Ich habe mich in den letzten Jahren auch von ihm zurückgezogen, vielleicht weil er Alpha wurde und ich nicht viel mit der Rudelspitze, offiziell, zutun haben sollte. Aber wahrscheinlich auch, wegen dem Geheimnis.», gestand Kina Elis. Elis hatte seinen Blick regungslos auf die Waldgrenze gerichtet.

«Ist es denn wirklich ein Geheimnis, wenn man es eigentlich doch erahnen kann? Ich habe es gespürt, andere werden das wohl auch gespürt haben», fragte Elis.

«Finn weiss es nicht. Also ja, es ist ein Geheimnis.», meinte Kina.

Elis legte den Arm um Kina und zog sie vorsichtig an sich. «Du wirst dich nicht mehr lange verstecken müssen, Liebes.», murmelte er leise. Kina sah ihn fragend an. «Wir werden eine Lösung, für all das hier, finden.», versicherte Elis ihr.

«Und wir werden eine Lösung für uns finden.», sagte er. Dabei sah er vorsichtig zu Kina. Ihre Blicke trafen sich und die wohlige Wärme in ihrem Herzen breitete sich aus. Sie lehnte den Kopf an Elis Schulter und schloss die Augen.

Kina genoss die Anwesenheit von Elis, die ihr eine nie dagewesene Ruhe brachte, auch wenn das Gedankenkarussell in ihrem Kopf bis in die Morgenstunden nicht aufhören wollte.

Alphablut - Legends of AlikanteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt