•Halbschatten•

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Kina parkte das Auto vor dem Rudelhaus und stieg aus. Sie streckte ihre Arme und Beine aus und genoss die wenigen Sonnenstrahlen, die in ihrem Gesicht kitzelten.
„Kina, schön, dass du da bist!" rief eine ältere, kleine Frau mit grauen Haaren die zu einem hohen Dutt zusammengebunden waren.
„Marisa!" lachte Kina und liess sich von Adams Mutter in eine herzliche Umarmung ziehen. „Komm Kindchen, ich habe extra Apfelkuchen für dich gemacht. Ich hatte so ein Gefühl, dass du heute kommen würdest." sagte Marisa mit einem Zwinkern und zog Kina an der Hand in das Rudelhaus hinein. Einige Werwölfe, die ihnen begegneten, schauten sie irritiert an. Doch Marisa unterband deren Reaktion mit einem kurzen Knurren. Man war es sich nicht gewohnt, dass fremde Personen sich mehr oder weniger frei auf dem Rudeltereitorium bewegen durften. Selbst wenn Kina zur Hälfte Halbschatten war, da ihre Mutter aus dem Halbschattenrudel stammte. Marisa und ihre Mutter waren seit ihrer Kindheit beste Freundinnen gewesen, so dass auch Finn, Kina und Adam viel Zeit gemeinsam verbracht hatten. Manchmal war Marisa für Kina wie eine Ersatzmutter gewesen, insbesondere nachdem ihre Mutter vor einigen Jahren gestorben war.

Kina setzte sich an den Tisch in der Küche und liess sich von Marisa ein grosses Stück von dem Apfelkuchen servieren. „Ich habe noch ein wenig Apfelkuchen für Finn, Jacob und deinen Vater eingepackt." sagte sie lächelnd und schob ein kleines Paket vor sie. Sie schmunzelte und liess sich den warmen Apfelkuchen auf der Zunge zergehen.
„Und erzähl mal, wie geht es euch?" fragte Marisa interessiert. „Eigentlich ganz gut. Nur haben wir heute unerwarteten Besuch bekommen." Marisa zog die Augenbrauen fragend hoch. „Alpha Elis vom Blutmondrudel und sein Gefolge." antwortete Kina schmatzend. „Göttin, Marisa, der Apfelkuchen ist unglaublich! Wie jedes Mal!", preiste Kina den Kuchen.
„Blutmond also", murmelte Marisa in Gedanken. „Ich habe so eine Vorahnung, dass grosses Leid auf euch zukommen wird." sagte Marisa trocken. „Pass auf euch auf Kindchen, vor allem auf Finn. Und auf deinen Vater.", fuhr sie nun, besorgt, fort.

„Mutter, hör auf den Leuten immer Angst zu machen!", rief Adam als er lachend in den Raum kam, seiner Mutter einen Kuss auf das graue Haar drückte und Kina in die Seite zwickte. „Adam!" ermahnte Kina ihn lachend und verschluckte sich fast an dem Kuchen.
Adam hatte die gleichen braunen, freundlichen Augen seiner Mutter, überragte sie aber um fast drei Köpfe. Seine Haare waren rot und wild auf seinem Kopf verteilt. Er nahm sich ein Stück Kuchen und setzte sich neben Kina.
„Also, worum gehts, dass du sogar extra hier her gefahren bist, um mich zu sehen?" fragte er Kina, nachdem er zwei genüssliche Bisse genommen hatte. Gerade als Kina zu sprechen beginnen wollte, platze eine junge Wölfin in die Küche. Adam und Marisa knurrten kurz, Kina versrehte die Augen. Die Wöfin zuckte zusammen, zog den Kopf ein und verliess, sich entschuldigend, schnell die Küche. Marisa ging zur Türe und schloss sie ab.
„Also, wie ich deiner Mutter schon gesagt habe, haben wir heute unerwarteten Besuch bekommen. Alpha Elis und sein Gefolge vom Blutmondrudel haben sich heute Morgen an der Nordgrenze versammelt und um Unterkunft gebeten. Es sind gut hundert Krieger und die Luna ist wohl auch dabei. Sie haben zuerst behauptet auf dem Weg zum Mitternachtsrudel zu sein, vorhin dann plötzlich Alikante. Aber ganz ehrlich, wer reist mit hundert Kriegern in die heilige Stadt? Wir haben ein ungutes Gefühl dabei."
Adam tippte mit der Gabel gegen sein Kinn.
„Lass uns in mein Büro gehen.", er stand auf, reichte seiner Mutter die leeren Teller und ging mit Kina mach oben.

Über dem alten Bürotisch hing ein grosses Bild, jedes Mal wenn Kina es sah, musste sie in Erinnerungen schwelgen.
Darauf zu sehen war ein grosses, rotes Strandhaus. Auf einer Bank sass ganz links Adam mit seinen feuerroten Haaren und braunen Augen, daneben Finn und Kina mit dunklen Haaren und grauen Augen und ganz rechts neben Kina sass Jacob mit hellblonden Haaren und blauen Augen. Alle vier strahlten in die Kamera und präsentierten stolz ihre Zahnlücken. Adam hatte seine Hand hinter Finns Kopf gehoben und machte Hasenohren. Früher hatten sie viel Zeit in Cape May, beim roten Strandhaus, verbracht, das an der Westgrenze des Vollmondrudels lag.
Adam stellte sich neben sie und begutachtete das Bild. „Ich finde es schön, dass du es immer noch aufgehängt hast.", meinte Kina. „Selbstverständlich, das Bild könnte ich niemals abhängen. Ich weiss noch, wie ich es gemeinsam mit Dad aufgehängt habe, als das hier noch sein Büro war." meinte er traurig.

Kina setzte sich auf den Stuhl gegenüber des Bildes und Adam nahm auf seinem Bürostuhl Platz.
Er breitete eine Karte aus, die die verschiedenen Territorien der Rudel zeigte.
Ganz im Süden lebte das Sternenrudel, welches Alikante, die heilige Stadt schützen. In der Mitte des Kontinents, an der Westseite war das Vollmondrudel, östlich davon das Halbschattenrudel. Grosse Teile der Rudelgrenzen grenzten an das Niemandsland, das sich hunderte von Kilometern erstrecken konnte, wie im Norden des Vollmondrudels.
Dann folgte das Neumond- und Halbmondrudel sowie viele kleinere weitere Rudel. Ganz im Norden das Blutmondrudel, welches ihr Territorium über den gesamten Norden des Kontinents ausgedehnt hatt.
„Blutmond ist sehr weit von zu Hause entfernt." stellte Adam fest. „Dabei müssen sie durch das Territorium von Neumond- oder Halbmondrudel gereist sein. Habt ihr es schon bei denen probiert?" fragte Adam. „Ja haben wir, aber wir konnten niemanden erreichen.", meinte Kina.
„Moment. Ich möchte auch noch versuchen ob ich Neumond oder Halbmond erreichen kann." Adam griff zu seinem Handy und suchte einen Kontakt. Er hielt sich das Handy ans Ohr, nach einer Minute des Klingelns legte er auf und suchte einen weiteren Kontakt. Doch such jetzt klingelte es eine Minute lang, ohne dass das der Anruf angenommen wurde. „Seltsam.", grübelte Adam.

„Ich befürchte, im Moment müssen wir vom Schlimmsten ausgehen. Blutmond fängt einen Krieg an und ihr seid mitten drinnen dabei.", sagte Adam bedrohlich.

Alphablut - Legends of AlikanteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt