•Suri•

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Dann wendete sich Kina zu der zweiten Frau, die immer noch panisch wirkte und packte sie an der Hand. Als sie sie berührte, zuckte sie erschrocken zusammen. Ihr ängstlicher Blick traf ihren. Kina schenkte dem Blick keine Achtung und zog beide Frauen und Jacob in ein Nebengebäude des Rudelhaus, das wie ausgestorben war, da alle Wölfe am Fest teilnahmen.
Sie fand eine Polstergruppe und deutete den jungen Frauen, sich darauf zu setzen. Jacob setzte sich mit etwas Abstand zu Lilac auch auf die Couch. Die Frau mit dem fast weissen Haar und kristallblauen Augen, setzte sich auf einen Sessel.

„Also, was soll das hier? Was wollt ihr im Vollmondrudel?" fragte Kina, ihre Wut kratze an der Oberfläche, drohend sich über die zwei Frauen zu ergiessen. „Wir sind nur auf der Durchreise." sagte die Frau mit den kristallblauen Augen leise. Kina lachte laut auf und wandte sich an Jacob. „Ja das haben wir heute schon mal gehört." Sie beruhigte sich und sah wieder bedrohlich zu Lilac. „Und jetzt die Wahrheit, was wollt ihr wirklich hier?"
Lilac sah zu der anderen Frau und machte eine auffordernde Bewegung, ehe sie Kina wieder wütend anstarrte.

„Ich musste aus dem Mitternachtsrudel verschwinden. Ich muss mich verstecken."
„Na wenn du vor dem Blutmondrudel weg rennst, ist das ein sehr ungünstiger Zeitpunkt." schnaubte Kina.
Jacob sass regungslos auf der Couch und blickte gleichzeitig bewundernd und angewiedert zu seiner Mate. Lilac erwiderte seine Blicke nicht.

„Also, vor wem musst du dich verstecken?" fragte Kina genervt.
„Vor meinem Mate." hauchte sie ganz leise, Kina hätte es fast nicht gehört, wäre ihr Gehör nicht so ausgeprägt.
Ihr stockte der Atem. Warum musste sich jemand vor ihrem Mate verstecken?

Der Mate eines Werwolfs war das Zentrum seines Seins, seines Wesens. Jeder Gedanke und jede Entscheidung an jedem Tag, nach dem man seinen Mate gefunden hatte, drehte sich um seine. Mate. Kina hoffte inständig, dass sie in der Lage sein würde, ihren Mate zu erkennen, wenn sie überhaupt einen hatte.

„Okay.", setzte Kina verwirrt an und hockte sich vor die Frau. Ihre Wut war verschwunden. „Kannst du mir sagen wer dein Mate ist?", doch wie erwartet schüttelte sie den Kopf. „Und wer du bist?"
Nach einer langen Pause begann die junge Frau zu reden:
„Ich bin Suri aus dem Mitternachtsrudel."

„Also gut Suri, was ist dein Plan?" fragte Kina nach. Die Wut von vorhin war verschwunden, an dessen Stelle trat eine grosse Sorge um eine ihr komplett fremde Person. Kina sorgte sich schon immer um alle in ihrem Rudel, wenn auch nur auf der Durchreise, wie Suri. Sie hatte für jedem, der sich auf dem Territorium des Vollmondrudels befand eine Verwantwortung. Das zumindest war ihr Anspruch an sich selbst.

Suri zuckte mit den Schultern. „Eigentlich hatten Lilac und ich vor, uns gemeinsam im nördlichen Niemandsland zu verstecken. Aber ich glaube, dass steht jetzt nicht mehr zur Auswahl.", sagte Suri traurig und liess die Schultern hängen. Ihr weisses Haar fiel geschmeidig über ihre Schultene und ihre blauen Augen suchten die Umgebung ab.

„Ich wünschte, ich hätte das gleiche Glück wie Lilac.", sagte sie während sie Lilac von der Seite anschaute.
Kina neigte den Kopf fragend zu Seite, in der Hoffnung Suri würde weiter reden. Ihr Stimme war klar und ruhig, auch wenn sie manchmal ein wenig zitterte.
„Ich wünschte, mein Mate hätte mich vom ersten Moment an auch so angeschaut, wie Jacob sie angeschaut hat. Aber er hasst mich.", schluchzte Suri und nahm das Taschentuch, das Kina ihr reichte, dankend an.
Kina war verwirrt, warum sollte ihr Mate sie hassen? Sie waren füreinander bestimmt und geschaffen, dass sie sich gegenseitig lieben und ergänzen konnten.

„Ich weiss was du denkst. Lilac hat mich mit genau dem gleichen Blick angeschaut. Auch wenn sie es nie zugeben würde. Niemand wird je verstehen, warum er mich hasst, nicht einmal ich selbst.
Aber sie ist eine gute Freundin. Sie ist mit mir zusammen weggelaufen, weil sie mich nicht alleine lassen wollte." fuhr Suri fort. „Wann seid ihr gegangen?" fragte Kina sie, sich immer nich fragend, ob ihnen eine Falle gestellt wurde.

„Vor zwei Wochen."
„Und was kannst du mir über das Blutmondrudel sagen?"
Suri sah sie verwirrt an. „Keine Ahnung. Mein Onkel, der Alpha, hat nie mit mir über Rudelangelenheiten gesprochen. Es tut mir leid.", fragend sag sie zu Lilac, doch auch diese zuckte unwissend mit den Schultern. „Weisst du, ob etwas für die Ankunft des Blutmondrudels vorbereitet wurde?" doch sowohl Suri als auch Lilac schüttelten den Kopf.

Kina konnten den Suris Schmerz fühlen. Sie suchte Jacobs Blick.
„Sie kann nicht hier bleiben." meinte er und sprach so Kinas Gedanken laut aus. Wenn sie sich verstecken musste, dann nicht an einem Ort, an dem so viel Aufregung herrschte wie im Vollmondrudel.
„Also gut, Jacob, geht ihr zwei doch vor, ich muss noch etwas mit Suri besprechen.", überlegte Kina laut.
Jacob nahm vorsichtig Lilacs Hand, die ihn gewähren liess und zog sie aus dem Raum.
Lilac blickte noch lange auf Suri, fast traurig.

„Du bist wirklich so nett, wie Adam erzählt hat.", meinte Suri als sie alleine waren. Kina sah sie verwirrt an."Du kennst Adam?", fragte sie. Suri nickte traurig. „Woher?"
„Könntest du mir vielleicht ein Glas Wasser bringen?" fragte Suri. Kina stand umgehend auf, auch um der Situation zu entfliehen und eilte in die Küche.
Kina glaubte Suri. Sie war davon überzeugt, dass sie die Wahrheit erzählt hatte. Suri war gemeinsam mit Lilac aus ihrem Rudel geflüchtet, um sich aus unerklärlichen Gründen vor ihrem Mate zu verstecken. Das Lilac auf Jacob treffen würde und so ihren Mate fand, war nicht geplant.

Als Kina zurück in den Raum kam, fand sie ihn dunkel vor. Sie schaltete das Licht ein und sah sich suchend im Raum um. Von Suri fehlte jede Spur, auf dem Tisch neben der Polstergruppe lag ein Zettel mit einer verschnörkelten, wenn auch kurzen Notiz.

Bitte sagt ihm nicht, dass ich hier war.
- S.

Kina liess die Hand fallen und seufzte kurz. Suri war weg.

Sie wünschte sich, sie könnte auch einfach so verschwinden. Doch sie wusste, ihr Fehlen würde ein grosses Loch im Rudel hinterlassen würde. Ihr Vater, ihr Bruder und Jacob würden nicht lange brauchen, um zu bemerken, dass Kina nicht mehr da war. Ob aus Sorge oder aus reinem Egoismus, sie würden jeden Berg dieser Welt in Bewegung setzen, nur um Kina wiederzufinden und nach Hause zu bringen. Das Vollmondrudel war ihr Zuhause, daran zweifelte Kina keinen einzigen Moment. Doch all die Verantwortung, die damit einher, ein grosses Rudel und eine so liebenswerte und unterstützende Familie zu haben, erdrückte sie in dem Moment. Und die kurze Begegnung mit Suri hatte ihr bewusst gemacht, wie einfach es für die meisten Wölfe und Menschen war, vom Antlitz der Erde zu verschwinden und ein komplett neues Leben zu beginne. Sie betete inständig zu der Mondgöttin, ihr einen Mate geschenkt zu haben, der sie verstehen würde und sie sie sein lassen würde.

Alphablut - Legends of AlikanteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt