•Mitternacht•

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Nach einer kurzen Dusche zog Kina das grüne Kleid mit dem tiefen Rückenausschnitt an. Nachdem, was Marisa gesagt hatte, zog es sie fast magisch zu dem Rudelfest. War sie bereit für die Veränderung, die dort auf sie warten würde?
Die Frühsommernacht war warm, sodass sie auf eine Jacke verzichtete. Auf dem Weg zum Rudelhaus hielt sie vor dem Tempel an und blickte zu der beleuchteten Statue der Mondgöttin auf dem Dach.

Vorsichtig drückte sie die schwere Holztüre auf. Der Innenraum war durch einige kleine Kerzen spärlich erleuchtet. Am Eingang stand eine Box mit weiteren Kerzen, welche bei Bedarf angezündet werden konnten.
Sie war nie besonders gläubig gewesen und teilweise sogar wütend auf die Mondgöttin gewesen, welch grausames Schicksal sie ihr zugedacht hatte. Daher hatte sie früher einen grossen Bogen um den Tempel gemacht. Aber seit dem Tod ihrer Mutter kam sie regelmässig her.
Kina ging an der rechten Wand des Tempels entlang und strich über die kalte Steinwand, bis sie vor einem Denkmal Halt machte und sich davor hinkniete.

Luna Cadinca vom Vollmondrudel, geboren im Halbschattenrundel
Geliebte Gefährtin, Mutter, Freundin und Luna - viel zu früh musstest du uns verlassen

Sie zündete die Kerze an und stellte sie auf den Stein, der das Grab ihrer Mutter bedeckte. Die Flamme flackerte.
„Ich wünschte du wärst hier, Mom.", schluchzte Kina leise. „Ich weiss, dass ich Finn beschützen soll, aber ich will mich nicht mehr verstecken müssen." flüsterte sie und hoffte auf eine Antwort, welche sie nie wieder bekommen würde. „Mom, ich will wieder ich sein können. Ich hab Angst, mich zu verlieren."
Oder vielleicht wusste sie auch nicht, wer sie überhaupt war.

Kina blickte auf die Kerze, von der langsam Wachs tropfte. Vorsichtig hielt sie ihren Finger über die Flamme und spürte eine prikelnde Wärme an ihrer Fingerbeere. Sie führte ihren Finger immer näher an die Flamme heran und beobachtete interessiert, wie die Flammen ihren Finger umgaben. Sie zischte vor Schmerzen, doch hielt den Finger immer noch willensstark in der Flamme. Sie verzog das Gesicht und Tränen traten erneut in ihre Augen. Keuchend zog sie den Finger aus der Flamme und blickte auf die Blasen, welche sich an ihrem Finger gebildet hatten und drehte den Finger vor ihrem Gesicht. Der Finger war gräulich verfärbt und hatte schwarze Flecken, auf der Fingerkuppe konnte sie vier kleine Blasen erkennen.
Der Schmerz war etwas, das nur ihr gehörte und niemand konnte ihr diesen nehmen.

Nach einiger Zeit seufzte sie, stand auf und klopfte sich den Staub vom Kleid. „Bis bald, Mom", sagte sie, als sie aus dem Tempel trat. Als sie zurück blickte sah sie, dass die Kerze erloschen war. Leise schloss sie die schwere Holztüre und blickte noch ein Mal auf ihren verbrannten Finger, die rosige Farbe war zurückgekehrt und die Blasen kaum noch zu erkennen. Sie atmete tief ein und tief aus, so wie Jacob es ihr beigebracht hatte und setzte ihr bestes Lächeln auf.
Sie war Kina aus dem Vollmondrudel, Schwester von Alpha Finn.

Unschlüssig stand Kina an der Terassentüre und blickte in den Aufenthaltsraum, der heute Nacht mit Gold und Silber geschmückt war. Die Tische waren nach draussen getragen worden, um drinnen eine grosse Tanzfläche zu schaffen. Einige Wölfe des Blutmondrudels knurrten sie im vorbeigehen an. Sie fühlte sich nicht wohl und wäre am liebsten wieder nach Hause gegangen.

„Kina! Hier hinten!" rief jemand sie, verwundert drehte sie sich herum und sah einen freudestrahlenden Jacob winken.
Erleichtert lächelte Kina und bahnte sich ihren Weg zu Jacob.

Zwei Frauen standen neben ihm. Die eine klammerte sich fest an seinem Arm fest und blickte Kina wütend an, die andere hatte den Kopf gesenkt und blickte sich verunsichert in der Menge umher.
Jacob streichte der ersten liebevoll über das Haar.
Kina hielt für einen kurzen Moment inne, als sie sich zu den dreien gesellten, ehe sie die Puzzlestücke zusammensetzen konnte.

„Göttin Jacob, das ist ja grossartig!" rief Kina erfreut aus. Jacob grinste bis über beide Ohren. „Darf ich vorstellen, das ist Lilac aus dem Mitternachtsrudel, meine Mate." sagte Jacob stolz. Kina konnte Lilac schnurren hören, als er ihren Namen aussprach, sie kicherte und streckte ihr ihre Hand entgegen. „Es freut mich sehr dich kennenzulernen Lilac. Ich bin Kina. Willkommen im Vollmondrudel.", stellte sich Kina vor und versuchte dabei möglichst unbedrohlich zu wirken.

Zögerlich nahm Lilac ihre Hand entgegen, schüttelte sie kurz und schenkte ihr ein kleines, erzwungenes Lächeln. Ihre violetten schulterlangen Haare mit eine Pony umrahmten ihr rundes Gesicht und passten zu ihrem Namen. Plötzlich verdunkelten sich Kinas Augen und packte Lilac grob an den Schultern. „Von wo hast du gesagt kommst du?" fragte sie bedrohlich. Jacob wollte sich zwischen Kina und Liac zwängen, doch Kina funkelte ihn böse an, so dass Jacob zurück wich. Lilac blickte verwirrt zwischen Jacob und Kina hin und her. Jacob brauchte einige Zeit bis seine rosarote Brille zerbrach und sah erschrocken zu Kina.

„Kina es tut mir leid, ich habe es nicht bemerkt." „Also?" fragte sie Lilac erneut. „Aus dem Mitternachtsrudel, südlich von hier." antworte Lilac endlich.
„Dem Rudel, das uns verarscht hatt.", presste Kina hervor. Verwirrt sag Lilac sie an, ehe ihr Augen wütend funkelnden.
Lilac versuchte sich aus Kinas Griff zu lösen, doch sie drückte ihre Finger kräftig in ihre Schulter.
„Finn muss davon erfahren." raunte sie Jacob zu.

Alphablut - Legends of AlikanteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt