Am nächsten Tag erwachte Dannielle erst spät. Tenebros war bereits auf den Beinen und obwohl er etwas verstimmt wirkte, leistete er ihr beim Frühstücken Gesellschaft.
Als sie erneut danach fragte, ob er eine Botschaft vom Herzog bekommen hatte und wann sie dem Adeligen ihre Aufwartung machen konnten, schüttelte er jedoch nur den Kopf und lud sie ein ihn bei seinen Erledigungen in der Stadt zu begleiten. Dannielle hatte nichts einzuwenden und so folgte sie ihm durch die dunklen und verwinkelten Gassen von Brest. Tenebros schien einen besonderen Laden zu suchen.
„Wonach suchen wir eigentlich?", fragte Dannielle verständnislos, während sie Mühe hatte, mit ihm Schritt zuhalten.
„Ich suche nicht, Mylady. Ich finde. Die Witwe auf der Brücke!", antwortete Tenebros und bog in eine kleine Gasse ab.
Die Witwe auf der Brücke entpuppte sich als kleiner, winziger Trödelladen mit allerlei Kleinigkeiten, die kein Mensch brauchte, der bei Verstand war, die jedoch trotzdem alle irgendetwas zu bedeuten hatten.
Der Eingang befand sich in der Nähe einer kleinen Brücke, die über ein winziges, zugefrorenes Rinnsal führte. Dannielle erhaschte einen kurzen Blick auf das Innere des Ladens, ehe Tenebros sich im Türrahmen zu ihr umdrehte und ihr so die Sicht versperrte.
„Dannielle, bitte seid so gut und wartet draußen. Ich könnte es mir nicht verzeihen, wenn Ihr etwas sehen würdet, was Euch später zum Verhängnis werden könnte!" Mit diesen Worten schob er sie dramatisch nach draußen und schloss die alte, einst rot gestrichene Tür vor ihrer Nase.
Völlig perplex stand Dannielle vor der geschlossenen Tür. Es war kalt und der Wind fegte ihr um die Ohren. Tenebros hatte sie vielleicht abspeisen wollen, doch mit seiner Anweisung hatte er sie nur neugierig gemacht.
Gespannt horchte sie an der Tür, doch von drinnen drangen weder Stimmen noch sonst irgendwelche Geräusche an ihr Ohr. Langsam legte sie ihre Hand auf den bronzenen Türknauf. Einen Atemzug lang überlegte sie.
„Nein, ich werde mit Sicherheit nicht hier draußen in der Kälte warten!", sprach sie schließlich zu dem kalten roten Holz, von dem die Farbe abblätterte und drückte langsam und leise die Klinke hinunter. Gegen Tenebros Anweisung betrat sie den Laden.
Ihrer Meinung nach beschloss er ohnehin schon viel zu viel für sie mit und langsam kam sie sich bevormundet vor. Das passte ihr ganz und gar nicht. Immerhin waren sie mittlerweile in Frankreich und sie war sich nicht sicher, dass sie beabsichtigte, noch viel länger in seiner Gesellschaft zu verweilen, wenn sie mit dem Herzog über ihr Buch gesprochen haben würde. Ihr Misstrauen ihm gegenüber wuchs mit jeder Stunde. Irgendetwas war seltsam an dem Iren. Sie beabsichtigte, herauszufinden, was!
Im Laden war es stickig und düster. Dannielle bemerkte einen Geruch, der ihr fremd war. Eine Art parfümierter Rauch stieg ihr in die Nase, der entfernt an Weihrauch und verbrennendes Baumharz erinnerte. Vielleicht etwas Orientalisches?
Der ganze Raum war zugestopft mit Krimskrams. Sie schritt langsam und vorsichtig, um keinen Lärm zu machen, zwischen all den Dingen umher und sah sich die verstaubten Sachen genauestens an, auch wenn sie bei vielen Seltsamkeiten nicht wusste, wofür sie sein sollten.
Sie betrachtete ein Ding aus Metall etwas eingehender. Es hatte einen Fuß aus Holz und bestand aus einigen Halbkreisen, auf denen Kugeln befestigt waren. Es trug trotz des schummrigen Lichtes einen geheimnisvollen Glanz in sich. Sie streckte die Hand aus, um es zu berühren, doch dann hielt sie inne. Ihr Blick fiel auf einen Mechanismus aus feinen metallenen Rädchen, Schienen und Kugeln, der das wundersame Werk antreiben würde. Wenn sie es berührte, würde es sich bewegen. Vorsichtig zog Dannielle die Hand wieder zurück und ließ den Blick weiter schweifen.
DU LIEST GERADE
Der Ring der Herzogin ✓
Historische RomaneEin Buch. Es ging um ein einziges, verstaubtes Buch. Es war weder besonders groß, noch besaß es außerordentlich viele Seiten. Es verfügte auch nicht über bunte handgemalte Bilder, noch hatte der Verfasser umfassendes Wissen der Kalligrafie besessen...