Kapitel 13 - Was ist er euch wert?

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Das Buch lag im kalten Schnee. Es war zwar eingeschlagen in ein helles Leinen, das mit einer Schnur aus Goldgarn und Flachs befestigt war und hatte auf seiner bisherigen Reise einen weiteren Umschlag aus dickem braunen Leder erhalten, der es unauffälliger wirken ließ. Doch dieser hatte sich in einem kleinen Handgemenge gelöst, sodass nun nur noch der Leinenstoff das alte Leder von der kalten Feuchtigkeit trennte. Das filigrane Gold der Schnur schimmerte verheißungsvoll im goldenen Licht der Kerzen, die den Eingang des Wirtshauses erhellten.

Schritte kamen näher und schließlich hielten zwei dunkle Stiefel, die mit einfachen, aber blank polierten Schnallen verziert waren, an, um es aufzuheben. Große, starke Hände nahmen es an sich und schoben den Schnee vom Leinen, so gut es ging, ehe sie es wieder in den ledernen Umschlag zurück gleiten ließen.

„Was auch immer es ist, der Herr, der soeben das Gasthaus betrat, kurz bevor ihr heraus kamt, muss es wohl fallen gelassen haben..."

Tenebros McGalen sah auf. Vor ihm stand ein junger Mann mit dunkel gelocktem Haar, in dem sich ein wenig Schnee verfangen hatte. Seine Augen waren tiefblau und loderten vor Zorn, was ihm beinahe entgangen wäre, da seine Stimme so ruhig und gleichgültig klang, als wäre er soeben zufällig vorbei gekommen.

Von dem bewaffneten Mann, der in Tenebros Rücken nur darauf wartete, seine Befehle entgegenzunehmen, schien er vollkommen unbeeindruckt.

Misstrauisch ließ Tenebros die Hand mit dem Buch sinken. Irgendetwas schien seltsam an dem jungen Mann. Gut, dass er seine Vorkehrungen getroffen hatte und im Gasthaus zwei weitere Männer unter seinem Befehl standen.

„Der Mann, der soeben dieses Gasthaus betreten hat, steht unter meinem Schutz", verkündete er.

Zu seiner Überraschung, lächelte sein Gegenüber kalt.

Ihm fiel eine kleine Verletzung an dessen Unterlippe auf.

„Was ist er euch wert?", fragte er.

„Einen Preis, den ihr sicherlich nicht zahlen könnt", entgegnete Tenebros. Er kniff die Augen zusammen. Sein Verstand arbeitete schnell. Er wog die Möglichkeiten ab.

„Kann ich nicht?", wunderte sich sein Gegenüber überrascht. „In eurem Schreiben geht es doch in höchster Dringlichkeit um die Anwesenheit einer ganz anderen Person..." Der Dunkelhaarige im schwarzen Mantel zog ein Pergament aus seiner Brusttasche hervor, das er Tenebros abfällig vor die Füße warf. Er erkannte seine Handschrift, nach einem kurzen Blick darauf. Schmerzlich schloss er die Augen für einen Augenblick, als ihm bewusst wurde, wen er vor sich haben musste.

„Wo ist der Graf?", fragte er dann.

„Es geht hier nicht um den Grafen!", fuhr der Dieb des Buches ihn an. „Es geht um einen Handel! Die Schwester gegen den miesen Verräter..."

Tenebros seufzte.

„Ich brauche einen Beweis, dass sie hier ist", meinte er „Ansonsten werde ich wohl kaum einen meiner Männer..."

Der Dieb schnitt ihm mit einer Geste das Wort ab.

„Ihr Pferd steht im Stall. Es handelt sich um einen Fuchs mit weißer Blässe, der auf den Namen Marmotte hört. Mehr bekommt ihr nicht", stellte er abfällig klar und forderte den Iren mit einer Geste in Richtung der Stallungen auf, seine Behauptung zu überprüfen. „Die Schwester selbst erholt sich in diesem Moment von der Reise. Ihre Ladyschaft hat ein Zimmer in der Herberge dort drüben", er deutete über seine Schulter, ohne Tenebros aus den Augen zu lassen.

„Ich glaube euch...", antwortete er vorsichtig. „Ich muss annehmen, dass ihr keine Ahnung hattet, mit was für einer wertvollen Fracht ihr gereist sein mögt, Mylord, aber ich bin gewillt, eurem Handel zu entsprechen." Er winkte seinem Mann in seinem Rücken, der sodann in der Gaststube verschwand und einen Augenblick später mit zwei weiteren Söldnern zurückkehrte, die eine andere, dritte Person am Kragen hinter sich herzogen, welche sich lauthals wehrte.

Der Ring der Herzogin ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt