Am Nachmittag des nächsten Tages erreichten sie die Mauern der kleinen Stadt Huesca, die von roten Hügeln, Weiden und Olivenbaumfeldern umsäumt war. Die Sonne schien und es war warm, sodass sie beschlossen ihr Gold zu sparen und im Freien zu übernachten. Unweit eines Sees, der als Reservoir zur Bewässerung der Felder genutzt wurde, schlugen sie ihr Lager unter ein paar niedrigen Bäumen auf, entfachen ein Feuer und ließen sich nieder. Jared verschwand jedoch alsbald mit einem verschwörerischen Lächeln auf den Lippen in Richtung der Stadt. Daemon machte sich daran, Schlingen und Fallen für ihr Abendmahl auszulegen, ehe er sich mit einer improvisierten Angel am Ufer des Sees niederließ. Die Vorräte der Zigeuner waren zwar reichlich, aber die würden nicht ewig ausreichen, um drei hungrige Mäuler zu stopfen und so war vorsorgliche Sorgfalt vonnöten.
Dannielle breitete ihren Mantel auf dem Boden aus und setzte sich mit ihrem Nähzeug darauf. Sie hatte auf der Reise mit den Whanau damit begonnen zwei neue Hemden für ihre Gefährten zunähen. Zwischendurch hatte sie mit dem Gedanken gespielt, dasjenige für Jared einfach zu verkaufen, doch inzwischen war sie froh es nicht getan zu haben. Doch nicht allein die Hemden interessierten sie heute. Es war unglaublich, was für einen Verschleiß die Kleidung erleiden musste, reiste man mit zwei Männern wie Daemon und Jared. Kaum waren sie zwei Tage allein unterwegs, gab es bereits wieder die ersten gerissenen Nähte zu flicken. Als sie damit fertig war, den Ärmel von Jareds schwarzer Wolltunika wieder mit dem Hauptteil zu verbinden, knautschte sie das Stück zusammen und sie lehnte sich zurück, um es unter ihrem Kopf zu platzieren und eine Weile gedankenverloren in den Himmel zu starren.
Keine zwei Augenblicke später gab Daemon einen triumphierenden Laut von sich. Dannielle hob ihren Kopf von ihrem improvisierten Kissen. Ihr Haar schleifte über die Erde und mit einem Mal überkam sie ein unbändiges Verlangen danach sich zu waschen. Das und die Neugierde über Daemons Erfolg ließen sie aufstehen und sich an seine Seite begeben.
"Hast du was gefangen?"
Zur Antwort hielt er ihr stolz seine Angel entgegen.
An seinem Haken, den er eilig aus einem alten Hufnagel gebogen hatte, zappelte eine ansehnlich aussehende Forelle.
Begeistert klatschte Dannielle in die Hände.
"Das Abendessen ist uns schonmal sicher", freute er sich, während er sich daran machte, den Fisch vom Haken zu befreien und durch einen geübten Ruck seines Messers von seinen Todesqualen zu erlösen. Dann legte er diesen beiseite. "Ich wusste, es gibt Fische, selbst hier oben."
"Der See wird aus dem Gebirge gespeist", realisierte Dannielle und blickte hinter sich. In der Ferne erkannte sie noch immer die blau schimmernden Berghänge der Pyrenäen. "Wie wundersam, dass Fische es geschafft haben, sich hier oben anzusiedeln."
Daemon bewaffnete seine Angel mit einem neuen Köder und warf sie aus.
"Das Leben findet seinen Weg", sprach er. "Mal hierhin, mal dorthin und hoffentlich bald in unsere Mägen hinein." Er lehnte sich entspannt zurück und verschränkte seine Arme hinter seinem Kopf. „Ich bin gespannt, was uns der Bengel mitbringt", gähnte er. „Hoffentlich was Anständiges zu Trinken!"
„Vielleicht dazu noch eine Hure?", schmunzelte sie. Ihr Tonfall war neckend. Sie streifte ihr Wollkleid ab, und band ihren Saum des Unterkleides mit ihrem Gürtel hoch, damit er sich nicht mit Wasser vollsog. Dann zog sie ihre Stiefel und dicken Wollstrümpfe aus.
„Warum nicht?", antwortete Daemon. Fragend beobachtete er sie dabei, wie sie sich vor ihm auszog.
„Natürlich warum auch nicht", murmelte sie.
Vorsichtig hielt sie zunächst nur den großen Zeh ins kühle Nass, ehe sie sich bis zu den Knien ins Wasser traute. Ein wohliger Schauer lief ihr über den Rücken. Sie tauchte auch ihre Hände in den See und wusch sich den Dreck und den Schweiß aus dem Gesicht und aus dem Nacken. Angenehm kühl ran das Wasser über ihre Haut und erfrischte sie nach dem langen Ritt auf den staubigen Straßen Nordspaniens.
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Der Ring der Herzogin ✓
Historical FictionEin Buch. Es ging um ein einziges, verstaubtes Buch. Es war weder besonders groß, noch besaß es außerordentlich viele Seiten. Es verfügte auch nicht über bunte handgemalte Bilder, noch hatte der Verfasser umfassendes Wissen der Kalligrafie besessen...