Gerard de Sansciel durchschritt die Flure seines Châteaus, als suche er etwas, geduldig und unablässig, als könnten ihm die Wände und Zimmer des Gemäuers etwas über den Aufenthaltsort seines Verlangens verraten. Schließlich bemerkte er, dass seine Schritte ihn vor ihr Zimmer geführt hatten. Ohne Zögern trat er ein.
Es war ordentlich und aufgeräumt, nichts deutete darauf hin, dass hier vor kurzem noch jemand gewohnt haben könnte. Seine Bediensteten hatten gute Arbeit geleistet.
Hatten sie das wirklich?
Sein Blick fiel auf etwas Glitzerndes, das auf einer der Fensterbänke im Sonnenlicht funkelte. Eilig durchschritt er den Raum und nahm das Schmuckstück in seine Hände.
Es war die Kette, die er Dannielle, seiner Tochter und zuvor Marguerite, seiner Liebe geschenkt hatte...
Beide hatten sie ihn verlassen, beide hatten sie sich nicht an ihn binden lassen.
Seine Hand zitterte, als er seine Finger um die kühlen Edelsteine schloss.
Was waren Frauen doch für widerwärtige abscheuliche Wesen, egal wie man versuchte, sie zu bändigen, egal, wie oft man auch versuchte, ihren Willen zu brechen... Wog man sich in Sicherheit, kehrte ihre Starrköpfigkeit zurück und sie zerrissen alle Fesseln, die man ihnen so mühsam angelegt hatte.
Er schloss die Augen, drückte seine Stirn gegen das kühle Glas des Fensters und atmete hörbar aus.
Nein, er konnte es nicht ertragen, dass Dannielle, dass sein eigen Fleisch und Blut als Hure eines Bastards enden sollte.
Man würde sie finden und zu ihm zurückbringen.
Nichts würde sie mehr verderben können.
Er würde sie für sich nutzen, für sich ganz allein.
***
Das Geräusch knackenden Holzes riss ihn aus seinen tiefen Träumen. Der Geruch der brennenden Äste stach in seine Nase und Wärme breitete sich wohlig auf der Haut seines Gesichts aus. Jared öffnete die Augen einen Spalt breit und beobachtete Daemon dabei, wie er aus ein paar Astgabeln ein Gestell über dem soeben neu entfachen Feuer aufstellte. Daran befestigte er ein bereits vollständig ausgenommenes und gehäutetes Tier. Bei dem Geruch des garenden Fleisches lief ihm das Wasser im Munde zusammen.
Daemon warf ihm einen Blick zu und hob stumm die Augenbrauen, ehe er mit einem Kopfnicken auf die andere Seite des Feuers deutete und einen Finger auf die Lippen legte. Jared setzte sich auf und folgte seinem Blick. Dannielle schlummerte noch immer friedlich. In ihren Armen hielt sie das Buch fest umschlungen.
"Geht es dir besser? Du musst bald an die zehn Stunden geschlafen haben", fragte ihn Daemon leise über das Knistern des Feuers hinweg, ehe er sich daneben niederließ.
Jared nickte. Der hämmernde, vom Schlafentzug herrührende Kopfschmerz zwischen seinen Schläfen, der ihn gestern den ganzen Tag über geplagt hatte, hatte sich in ein zärtliches Klopfen hinter seinen Augen verflüchtigt. Dank des steinernen Daches war diese Nacht nicht nur warm, sondern auch trocken verlaufen. Als er einen Blick nach draußen warf, realisierte er, dass die Welt draußen von einer schüchternen Frühlingssonne erhellt wurde. Die singenden Stimmen der Vögel drangen bis zu ihnen in die Grotte hinein und begrüßten endlich und energisch den Beginn der neuen Jahreszeit.
"Unsere Satteldecken und Zügel sind auch beinahe trocken", berichtete Daemon fröhlich. "Noch ein bisschen klamm, aber besser als klatschnass so wie gestern. Und..." er deutete stolz vor sich über das Feuer. "Ein ordentliches Frühstück, Mylord", feixte er.
Jared ließ sich zu einem kleinen Lächeln hinreißen und rieb sich die Schulter.
"Danke, Daemon."
Er richtete sich auf und hockte sich neben seinen Freund, der geduldig den Spieß wendete. "Hör zu, es ist so, ich muss dir...", Jared biss sich auf die Lippe. Er hatte keine Ahnung, wie er Daemon beibringen sollte, dass der Herzog sie für die Entführung seiner Tochter verfolgen würde.
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Der Ring der Herzogin ✓
Historical FictionEin Buch. Es ging um ein einziges, verstaubtes Buch. Es war weder besonders groß, noch besaß es außerordentlich viele Seiten. Es verfügte auch nicht über bunte handgemalte Bilder, noch hatte der Verfasser umfassendes Wissen der Kalligrafie besessen...