Lucida beobachtete den Adeligen dabei, wie er ein paar dunkle Trauben von ihrem Stiel pflückte und diese kauend in seinem Mund verschwinden ließ. Dann kreuzten sich ihre Blicke und hastig senkte sie ihr Haupt, um ihre Aufmerksamkeit auf den Teller vor ihr zu lenken. Er war noch zur Hälfte gefüllt. Sie hatte seit Tagen kaum Appetit und beim Geruch der fettigen Bratensoße wurde ihr regelrecht schlecht.
„Du isst ja gar nichts!"
Sie schob lustlos ein Stück Brot in der Soße herum.
„Nein, ich habe keinen sonderlichen Appetit."
Sie hörte die Ungeduld aus seinem Seufzen heraus.
„Iss! Ich will nicht die ganze Nacht hier unten verbringen!"
Lucida sah sich in dem kleinen privaten Raum um, in den er sie zum Essen gebeten hatte. Das Gasthaus, in dem die kleine Reisegruppe residierte, war erstklassig. Der Boden war sauber, die Wände weiß getüncht und es roch nach wärmenden Holzfeuern und liebevoll zubereitetem Essen.
Lucida legte eine Hand auf ihren Bauch. Ihr wäre ein einfacher Teller heißer Suppe lieber gewesen, als das opulente Mal, das er hatte auftischen lassen. Die wärmende Flüssigkeit hätte ihre aufgebrachtes Inneres eher besänftigen können. Widerwillig nahm sie noch einen Bissen des aufgeweichten Brotes, ließ den Rest jedoch unverrichteter Dinge wieder in der Soße landen.
Trotzig sah sie zu ihm auf. Er konnte sie nicht zum Essen zwingen.
„Fein, dann lässt du es eben!" Mit einem Wink seiner beringten Hand gab er einem Bediensteten ein Zeichen, das Geschirr abzuräumen und die riesige Platte mit Obst hineinzubringen. Danach entfernten sich alle anderen Diener aus dem Raum.
Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals, als er sich erhob, um sich an ihre Seite zu begeben. Sie zwang sich aufrecht sitzen zu bleiben und nicht zurückzuzucken. Schweigsam erduldete sie, wie er ihr offenes Haar sanft zur Seite schob und seine Finger die zarte Haut ihres Halses berührten. Er strich weiter hinab, verschob den Ausschnitt ihrer weißen Leinenbluse, um noch mehr ihrer goldenen Haut freizulegen. Ihre Hände ballten sich zu Fäusten.
„Ein Jammer, dass du diese Fetzen trägst."
Sie biss die Zähne zusammen.
"Ja, ein Jammer, dass ihr euch überhaupt mit mir abgeben müsst. Jemand eures Standes ist sicherlich zu anderem Umgang bestimmt." Es gelang ihr nicht, die gehässige Verachtung aus ihrer Stimme herauszuhalten und diesem Mann die gebührende Ehrerbietung entgegenzubringen wie es sich geziemte. Doch zu ihrer Überraschung gab er nur ein erheitertes Lachen von sich.
Erneut strich seine Hand über ihr glänzendes Haar, seine Finger glitten hinab zu der Kette um ihren Hals.
„Jemand wie du sollte Perlen tragen, meine Liebe. Keine wertlosen Steine, die jeder Narr finden kann."
Wut kochte in ihr hoch. Es kostete sie alle Mühe, an sich zu halten. Die Halskette, die sie trug, war ein Erbstück ihrer Mutter und eines der wertvollsten Dinge, die sie besaß.
„Jemand wie ihr sollte keiner verlogenen Hexe hinterherlaufen, sondern sich jemanden suchen, der seiner wert ist."
Er zog seine Hand zurück und trat neben sie, um ihr ins Gesicht sehen zu können. Sie erkannte Zweifel in seinem Blick.
„Wer spricht von einer verlogenen Hexe? Als Tochter eines Herzogs besitzt sie genügend Argumente, sie sich eigen zu machen."
Lucida konnte nicht verhindern, dass sich ihre Lippen vor Überraschung öffneten.
"Eine Herzogstocher?", hauchte sie kraftlos. Die Realität schlug hart auf sie ein. Das war das letzte Detail, das Jared ihr verschwiegen hatte. Mit einem Mal verstand sie all die Andeutungen und Geheimnisse, die er ihr vorenthalten hatte. Jared war verloren. Wenn man sie fand, und das würde man, egal ob sie sie zu ihnen führte oder nicht, würde er in den Tod gehen.
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Der Ring der Herzogin ✓
Ficción históricaEin Buch. Es ging um ein einziges, verstaubtes Buch. Es war weder besonders groß, noch besaß es außerordentlich viele Seiten. Es verfügte auch nicht über bunte handgemalte Bilder, noch hatte der Verfasser umfassendes Wissen der Kalligrafie besessen...