Zwischenspiel

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James van Holt erwartete seinen Gastgeber in der großen Halle, in der er auch den Grund seines Besuches das erste Mal erblickt hatte. Er hatte es sich in einem der edlen Sessel am Kamin bequem gemacht und hatte sich von einem der vielen Diener ein Glas Portwein bringen lassen, bis der Duc sich seiner schließlich annahm. James wusste aus Erfahrung, je länger der hohe Herr auf sich warten ließ, desto ungehaltener würde seine Stimmung ausfallen.

Der Herzog ließ sich in einem Sessel nieder, ohne sich mit einer förmlichen Begrüßung aufzuhalten und fuhr sich mit einer Hand über die Augenbrauen und massierte sie leicht. Dann nahm er einen großen Schluck des Hochprozentigen aus einem Glas.

„Ich rate dir, lasse dich nie auf ein Gespräch mit einem deiner Pächter ein! Sie jammern dir die Ohren voll und erzählen von Krankheiten und Hungersnot und, und, und..." Er nahm einen weiteren Schluck.

James lächelte spöttisch. Er lehnte sich in seinen Sessel zurück und studierte den Inhalt seines Glases penibel.

„Ein guter Jahrgang, hervorragend!", lenkte er ab. Dann sah er seinen alten Freund durchdringend an.

„Ich weiß. Ein Geschenk... Von wem auch immer." Der Herzog wedelte herablassend mit seiner Hand. „Also... da meine Geduld heute schon reichlich in Anspruch genommen wurde, wirst du sicherlich Verständnis dafür haben, dass..." Er hielt einen Moment inne. „Zum Teufel mit den Förmlichkeiten... Was willst du? Sicherlich nicht am Kamin sitzen und über alte Zeiten plaudern?"

James nahm noch einen Schluck. Ohne den Herzog eines Blicks zu würdigen, begann er zu sprechen.

„Sperrt Ihr Eure Tochter eigentlich ein und verbietet ihr den Umgang mit Eurem besten Freund oder ist sie wieder einmal beichten?"

Gerard musterte ihn mit einem kalten Blick, der nichts weiter beinhaltete, als eisige Geringschätzung.

„Richtig, sie ist ein sehr anständiges Mädchen..."

James erhob sich und ging ein paar Schritte in Richtung des wärmenden Kaminfeuers. Der Schein des Feuers warf flackernde Schatten auf den glänzenden Stoff seines Wamses ganz aus Seide.

„Mon Seigneur, das würdet Ihr Euch nicht einmal selbst glauben, wenn Ihr es hören würdet. Ein so reines Geschöpf ist nicht in der Lage so viel Sündhaftes zu begehen! Sie ist nicht hier auf Eurem Château und das seit dem Fest, nicht wahr?" Es gelang ihm nicht, ein selbstgefälliges Lächeln zu unterdrücken.

James beobachtete, wie sich die Fingerspitzen des Herzogs in die gepolsterten Armlehnen bohrten, während sein Gesicht eine Maske ausdrucksloser Kälte blieb.

„Sag mir, was genau dein Begehr ist und dann verschwinde aus meinem Haus!" Er sprach leise, doch seine Worte waren scharf und seine Stimme zitterte vor Wut.

James nickte einmal. Er wusste, dass es nicht klug war, die Geduld seines Freundes allzu lange auf die Probe zu stellen.

"Ich möchte Euch einen Pakt vorschlagen. Es liegt doch wohl in Eurem Interesse, sie wiederzubekommen. Ich biete Euch nicht nur die Hilfe meiner Schergen als Unterstützung an, sondern würde mich selbst auf die Suche nach Eurem Schatz und Eurer Tochter begeben..."

Der Duc nickte langsam.

„Und was willst du als Gegenleistung? Geld?"

James musste einen tiefen Atemzug nehmen, ehe er weiter sprach. Auch wenn er es beizeiten schaffte, dass der Herzog ihm auf Augenhöhe begegnete, für diese Frage brauchte er etwas mehr als das bloße Wohlwollen seines Schirmherrn.

„Sagen wir es so, ich bin das Junggesellen Leben leid. Und durch eine Verbindung würde sich unsere Freundschaft vertiefen und unserer beider Einfluss und Macht noch mehren?" James legte eine kurze Pause ein, um seinen Worten Wirkung zu verleihen. „Es überwiegen klar die Vorteile auf Eurer Seite!"

Die eingetretene Stille wurde vom Klirren eines zerspringenden Glases durchbrochen. Lange betrachtete Gerard fasziniert das Blut an seiner Handinnenfläche und die Scherben auf dem Boden, bevor er sich zu einer Antwort bereit sah.

James beobachtete interessiert, wie zwei Diener herbeieilten, um die Scherben und das Blut beiseite zu wischen, sowie Erste Hilfe zu leisten. Es war ein riskanter Zug, dessen war er sich bewusst. Doch die Herzogstochter war schon seit so langer Zeit verschwunden. Kein angesehener Adelsmann würde eine Ehe mit einem Mädchen eingehen, das sich so lange dem Schutz ihres Zuhauses entzogen hatte. Deren garantierte Jungfräulichkeit ein ungewisses Faktum darstellte. Die Hoffnungen des Ducs, endlich eine Verbindung mit dem Königshaus einzugehen, waren längst hinüber.

Die Mundwinkel des Herzogs zuckten kurz.

James musste Schlucken. Sein Gönner hatte schon jemanden für weniger Frevel beseitigen lassen. Er würde auf der Hut sein müssen und sich unentbehrlich machen, sobald er das Mädchen in seiner Hand hatte. Einen brauchbaren Erben zeugen.

„Ich werde einen Vertrag aufsetzen. Mach dich auf die Suche nach ihr und bring sie zurück. Vorher werden meine Türen dir nicht länger offen stehen!" Er wedelte mit der Hand, zum Zeichen, dass James sich zu verabschieden hatte.

James beschloss, den herablassenden Befehlston nicht zu übergehen. Immerhin war er kein einfacher Söldner.

„Ihr tut gut daran, mich nicht wie einen Eurer Handlanger zu behandeln. Ich habe Euch als Verbündeter meine Hilfe angeboten, doch das heißt nicht, dass ich mich Euch unterwürfig ergebe! Und Ihr wisst genau, wozu ich fähig bin!", warnte er den Duc.

Dieser erhob sich, um James zum Abschied einen geringschätzigen Blick zu schenken. Es lag mehr darin, als bloße Antipathie.

„Du drohst mir nie wieder! Ich überlasse dir meinen Schatz. Ist dein Leben nicht ein gutes Inserat dagegen?" Die Worte waren wiederum kaum mehr als ein Flüstern, doch sie erreichten ihre Wirkung.

James Lächeln verschwand aus seinem Gesicht und er wandte sich ab, den kalten Blick Gerards im Rücken.

„Meine arme Kleine", murmelte er. „Wie kann ein solch liebreizendes Wesen bloß einem solchen widerlichem Hurenbock gehören?"

Der Ring der Herzogin ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt