Kapitel 34 - Nur ein Traum

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 Er beobachtete die schlammige Straße, die durch das Dorf führte und in vollkommener Dunkelheit dalag. Licht drang von Innen nach draußen und erhellte den kleinen abgeschotteten Vorhof der Gaststätte ein wenig. Er ließ sich auf eine Bank an der Hauswand sinken und wartete darauf, dass sein Herzschlag sich wieder beruhigte. Aufgewühlt massierte er sich die Schläfen. Die kühle Nachtluft legte sich beruhigend auf seine Haut und floss klärend durch seine Lungen. Es war niemand hier. Und es würde auch niemand den schmalen Weg entlang reiten und ihn ohne Vorwarnung erstechen. Vorerst.

Es vergingen nur ein paar Minuten, ehe die Lady ihn fand.

Eine Weile starrte sie mit ihm in die Düsternis, dann kniete sie sich neben ihn. Sie nahm seine Hände in die ihren und drückte ihm schließlich einen Becher in die Hände, den sie zuvor in der Gaststube bestellt hatte. Als er sie fragend ansah, antwortete sie ihm.

„Das ist bloß Tee, vielleicht hilft er, Euch wieder zu beruhigen." Ein liebevolles Lächeln stahl sich heimlich auf ihre Lippen.

„Ich bin ruhig...", seufzte er genervt, nahm einen Schluck aus dem dampfenden Becher und sagte noch einmal: „Ich bin ruhig."

Einen Moment lang starrte er auf seine Hände, die den Becher fest umschlossen hielten, dann wieder in die Dunkelheit. Er hätte einen Schluck Alkohol diesem Becher voll von wirkungslosem Tee vorgezogen.

„Ich muss Euch um Verzeihung bitten", sagte er schließlich tonlos.

Dannielle runzelte die Stirn und legte ihre Hände erneut um die seinen. Dann schüttelte sie den Kopf.

"Nein, ich muss Euch um Verzeihung bitten", gab sie zu. "Ich hätte nicht versuchen sollen Euch anzulügen."

Jared nickte zustimmend.

"Nein, das hättet Ihr nicht. Ich habe Euch vorgewarnt. Es gelingt nur sehr wenigen Leuten, mich zu täuschen."

Eine Weile schwiegen sie.

„Was ist da draußen?", fragte sie schließlich in die Stille hinein.

Er hielt seinen Blick gesenkt, als er antwortete.

„Kälte, Hunger, Gefahr, Dunkelheit..." Er nahm noch einen Schluck. „Und die Freiheit, die Liebe, das Leben", fügte er leidenschaftslos hinzu.

Ein Lächeln huschte über Dannielles Gesicht.

„Warum habt Ihr das getan?", fragte sie leise.

„Was getan?"

Als würde sie merken, dass sie noch immer seine Hände umschlossen hielt, zuckte sie ruckartig zurück und stand auf.

Er beobachtete, wie sie nervös mit einer ihrer Haarsträhnen spielte und diese immer wieder um ihren Finger wickelte. Dannielle erschien ihm auf einmal verwirrt und unsicher. Wie sie so dastand, erinnerte sie ihn plötzlich an die Dannielle, als er sie zum ersten Mal erblickt hatte. Ein Mädchen, das sich von ihrem Bruder zum Schweigen bringen ließ.

Er fragte sich, ob die letzten Wochen sie tatsächlich derart verändert hatten oder ob sie eigentlich schon immer so gewesen war und es nur allzu gut versteckt haben mochte.

Er war sich sicher, dass die schüchterne Dannielle die ganzen Strapazen kaum überstanden hätte.

„Weshalb seid ihr so wütend auf Daemon geworden?", fragte sie schließlich. "Ihr müsstet doch erleichtert darüber sein, dass er heil nach Hause gekommen ist?"

Jared fuhr sich mit der Hand durch seine Haare und schwieg beharrlich. Den wahren Grund für seine Wut würde er ihr kaum nennen können. Dass er Angst hatte, wollte er sie nicht wissen lassen.

Der Ring der Herzogin ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt