Kapitel 55 - Ein neues Kleid

90 17 98
                                    

Ohne jegliche Komplikationen kamen sie an den Stadtwachen vorbei, hinein in das Gedränge auf dem Marktplatz. Ihre Pferde hatten sie in einem Stall samt Herberge unterbringen lassen und Dannielle und Jared hatten Schwierigkeiten gehabt, den Knecht davon zu überzeugen, dass sie das Futter für die Tiere und ihr Zimmer später bezahlen würden.

Dannielle freute sich wie ein kleines Mädchen. Sie liebte Jahrmärkte, die vielen Stände mit den unterschiedlichsten Waren, die große Auswahl an Essen und die vielen Leute. Jeder war hier, Bürger, Adelige, sogar Bauern und Pächter aus den umliegenden Dörfern. Sie wusste gar nicht, wo sie zuerst hinsehen sollte. Hier spielten wandernde Musiker, dort waren Feuerschlucker, eine bunte Mischung an Schauspielern und anderen Gauklern.

Doch plötzlich schwang ihre Stimmung um.

Ein seltsames Gefühl der Enge bemächtigte sich ihrer. Als würde ihr Bauchgefühl ihr sagen, dass etwas an diesem Ort ganz und gar nicht stimmte. Ihre Aufmerksamkeit richtete sich auf die Menge auf der Suche nach einem bekannten Gesicht.

Oder spielten ihr ihre Sinne einen Streich? Überforderten sie die Menschenmassen, nachdem sie sich so lange Zeit einsam im Wald versteckt hatten?

Ohne darauf Einfluss zu nehmen, griff sie nach dem Arm ihres Diebes. Ihre Finger krallten sich in den weißen Stoff seines Hemdes. Erst als sein sorgenvoller Blick sie traf wurde ihr bewusst, dass sie sich an ihn klammerte. Seine Hand berührte sanft ihre Schulter.

Ihre Stimme zitterte leise.

"Jared, ich denke, sie sind hier. Dieser Ort kommt mir so bekannt vor. Wie ein Ort aus einem Traum."

Ihr Dieb zuckte bei ihren Worten zusammen und ließ seinen Blick ebenfalls aufmerksam über den Platz schweifen.

"Ich verstehe." Ohne zu erklären, was genau er verstand, fuhr er fort. "Wir müssen nicht lange bleiben. Wir können etwas zu Essen besorgen und verschwinden", schlug er vor. Doch dann besann er sich, als er Dannielles Gesichtsausdruck deutete. Eine Nacht in einem richtigen Bett, auch wenn es nur eine einzige war. Sich mit warmem Wasser zu waschen und ein warmes Abendessen zu sich zu nehmen. "Sicher werden sie ebenso wie wir von größeren Menschenmassen angezogen, aber zu dieser Jahreszeit gibt es überall im Land Feste und Jahrmärkte. Wir gehen in der Masse unter." Aber mit einem Mal wurde seine Miene ausdruckslos. "Ich kenne diesen Ort tatsächlich."

Dannielle kam es so vor, als würde er erbleichen.

Er zischte Daemon ein „Halt die Augen offen!" ins Ohr, bevor dieser in der Menge verschwinden wollte. „Wir sind in der Nähe von Bordeaux. Das ist nicht weit von..." Er stockte. „...von du weißt, wen ich meine!"

Daemons Augen weiteten sich kurz in plötzlicher Erkenntnis.

"Verdammt, Jared, bist du sicher? Es ist drei Jahre her. Er wird doch wohl kaum..."

"Es ist riskant an den Ort des Geschehens zurückzukehren! Wir dürfen kein Aufsehen erregen! Wirklich keins!"

"Das ist echt das letzte Problem, das wir jetzt brauchen können." Er hatte leise gesprochen, sodass Dannielle Daemons Worte gerade noch hatte verstehen können. Doch Jared unterbrach ihn.

„Keine Ahnung, Daemon, aber ich möchte es wirklich nicht herausfinden! Lass uns nicht trödeln! Sei vorsichtig." Mit einer kleinen, wegscheuchenden Handbewegung bedeutete er Daemon, sich auf den Weg zu machen. Dann nahm er Dannielle an der Hand und zog sie durch die Massen, die allmählich die Wege verstopften, zum Stand einer Schneiderin.

Die verschiedensten Stoffe stapelten sich hier, von einfachem Leinen, über dicke Wollstoffe und Loden bis hin zu schwerem, teurem Samt. Eine Schneiderpuppe aus dunklem, zerkratzen Holz trug ein buntes Chaperon auf ihrem abgeschlagenen Kopf, in dem eine unglaubliche Anzahl an kleinen Stecknadeln steckten.

Der Ring der Herzogin ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt