Am nächsten Morgen stand Dannielle früh auf. Sie zog sich still und leise an und schob sich mit aller Heimlichkeit aus der Tür, um Jared nicht zu wecken. Obwohl sie sich sicher war, dass Daemons Schnarchen alle Geräusche überdeckte, die sie verursachte.
Draußen herrschte bereits ein geschäftiges Treiben, die Straßen und Gassen waren noch verhältnismäßig leer, doch hier und dort öffneten Händler und Gastronomen bereits ihre Stände. Engagiertes Volk mit locker sitzenden Münzen bummelte umher und versuchte, die besten Stücke zu ergattern und der ein oder andere Trunkenbold wurde mithilfe eines groben Besens unsanft von einem Hauseingang gefegt.
Dannielle bahnte sich ihren Weg zum nächsten Bäcker. Dort gab es ein großes Sortiment an Kuchen und Gebäck, sodass sie sich überhaupt nicht entscheiden konnte, ganz davon abgesehen, dass sie keine Ahnung hatte, was für eine Art von Kuchen Jareds Geschmack treffen würde. Vielleicht gefiel ihm etwas mit Honig... Oder sollte sie doch einen Obstkuchen wählen?
Der Bäcker betrachtete sie ungeduldig und musterte die lange Schlange, die sich hinter ihr gebildet hatte, als Dannielle endlich auf eine der vielen Leckereien deutete.
„Une tarte au citron, s'íl vous-plaît", sprach sie mit einem Lächeln auf den Lippen. Der Zuckerguss auf dem Kuchen glänzte verführerisch, als sie ihn entgegennahm, bezahlte und sich auf den Weg zurück in die Herberge machte.
***
Jared lag noch immer mit geschlossenen Augen im Bett unter dem Fenster, schlief jedoch längst nicht mehr. Er war wach, seit Dannielle ihre Kammer verlassen hatte.
Er hatte Daemon hinter ihr her geschickt, um sicherzugehen, dass Maurice ihr nicht folgte, irgendeinen Handlanger einsetzte, oder sich sonst wie ihrer bemächtigte. Sein Freund war seiner Bitte taumelnd nachgekommen. Kurz war Jared sich nicht sicher, ob Daemon mehr Schaden als Nutzen anrichten würde. Doch als er versucht hatte sich selbst aufzusetzen war er sich sicher, dass Daemon selbst in seinem verkaterten Zustand das einzige und nützlichste Werkzeug war, das ihm in diesem Moment zur Verfügung stand.
Ihm war danach, seine geballte Faust hundert weitere Male gegen eine Wand zu schlagen, doch alles, was er tat, war, sich die Decke über den Kopf zu ziehen und zu warten. Er wartete darauf, dass der Schmerz beim Atmen nachließ. Er wartete darauf, dass Dannielle oder Daemon zurückkehren würden. Er wartete darauf, dass seine Furcht verschwinden würde und ihm eine Idee kam, wie er den nächsten Tag überleben konnte. Und er erwartete einen Boten, der ihm den Ort seiner Hinrichtung morgen früh mitteilen würde. Er würde einen lausigen letzten Eindruck machen.
Als Dannielle leise die Kammer betrat, bewegte er sich nicht und tat weiterhin so, als würde er schlafen.
Er hörte ihre zaghaften Schritte. Dann ließ sie sich auf seine Bettkante sinken.
"Ich bin nicht wach!", erklärte er. "Wenn es nicht einen verdammt guten Grund gibt, werde ich nicht aufstehen." Erleichterung machte sich in ihm breit. Atmen und vor allem Sprechen tat weniger weh, als am Abend zuvor.
„Ist Kuchen ein guter Grund?", erklang Dannielles zögernde Stimme. Unsicherheit schwang darin mit.
„Kuchen?" Jared zog sich die Decke vom Kopf und rang sich dazu durch, seine Augen zu öffnen. „Ihr habt Kuchen gekauft?"
„Ja, Kuchen. Ich habe einen Zitronenkuchen gekauft... Mögt Ihr überhaupt Zitronenkuchen? Ich kann auch zum Bäcker gehen und etwas anderes holen."
Vorsichtig setzte er sich auf.
Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, als er das süße Gebäck in ihren Händen entdeckte.
„Sehe ich aus, wie jemand, der keinen Zitronenkuchen mag?" Er nahm ihr ein Stück aus den Händen und biss hinein. Zucker explodierte auf seiner Zunge. Die frische Säure reifer Zitronen folgte der Süße. Das samtige Gefühl feiner Zutaten breitete sich in seinem Mund aus, als er es sich auf der Zunge zergehen ließ. Das Gebäck musste ein Vermögen gekostet haben. Er realisierte, dass sie ihn anstarrte. Hastig senkte sie den Blick.
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Der Ring der Herzogin ✓
Narrativa StoricaEin Buch. Es ging um ein einziges, verstaubtes Buch. Es war weder besonders groß, noch besaß es außerordentlich viele Seiten. Es verfügte auch nicht über bunte handgemalte Bilder, noch hatte der Verfasser umfassendes Wissen der Kalligrafie besessen...