Die Kutsche rollte einen breiten Kiesweg entlang. Das Klappern der Hufe auf dem Pflaster ging über in ein rhythmisches Knirschen, während die starken Tiere das edle Gefährt weiter und weiter zogen. Sie passierten eine Pforte, die vor langer Zeit womöglich einmal ein Burgtor gewesen sein mochte und Danielle konnte im Halbdunklen einen trocken gefallenen Graben erkennen. Schließlich gelangten sie in den Hof eines alten Châteaus. Laternen und zwei mächtige Fackeln erhellten den prächtigen Eingang und eine mächtige Tür, zu der eine breite steinerne Treppe empor führte. Dannielle stockte beinahe der Atem, als sie aus der Kutsche heraus trat und von der Größe und Schönheit des Gebäudes überwältigt wurde. Türmchen und Zinnen bildeten und zierten das Dach und schlossen übergangslos zahlreiche steinernen Ornamente und Fenster ab. Dannielle staunte. Es mussten Hunderte von Fenstern sein, die in die Außenwand des Gebäudes eingelassen waren. Doch in fast keinem der Fenster brannte ein Licht.
Der eingemummte Mann, der sie hergeführt hatte, lüftete schließlich seine Kapuze und schickte sich an vorauszugehen. Dannielle konnte einen kurz geschorenen Haarschopf erkennen und eine breite Narbe, die quer über die eine Wange des Mannes verlief.
"Suivez-moi" Folgt mir! Mit einer herrischen Handbewegung kam der Befehl über seine Lippen ehe er setzte seinen Fuß auf die Treppenstufen. Die beiden Wachen, die sich rechts und links des Eingangs postiert hatten, salutierten kurz, als er zwischen ihnen hindurchschritt.
Dannielle und Tenebros folgten ihm durch etliche, spärlich mit Kerzen beleuchtete Gänge. Hier und dort hingen wertvolle Gemälde und kostbare Gobelins an den Wänden, doch Zeit sich diese einzuprägen, hatte sie nicht. Ihre Schritte klangen kühl auf dem roten Marmor und die hohen Wände warfen ein vielschichtiges Echo zurück. Irgendwann hielt der Sergeant an, öffnete eine Tür und ließ die beiden eintreten.
„Euer Zimmer, Mademoiselle...", knurrte er.
Sie trat ein. Der Raum war großzügig. Im Kamin prasselte ein munteres Feuer und spendete wohltuende Wärme. Ein frisch bezogenes Himmelbett nahm beinahe eine gesamte Seite des Zimmers in Anspruch. Staunend durchschritt sie den Raum und blieb an einem der drei Fenster stehen. Ihre Füße versanken beinahe zur Gänze in dem dichten roten Teppich, der beinahe den gesamten Boden bedeckte. Auf jeder der Fensterbänke brannte eine einzelne Kerze. Gedankenverloren ließ sie ihren Blick in die tiefe Schwärze nach draußen schweifen. Es war nichts zu erkennen, außer absoluter Dunkelheit.
"Ich danke euch, Monsieur", sprach sie schließlich an den Boten des Herzogs gewandt. Der nickte ihr zu.
„Ich denke, Monsieur weiß, wo sein Quartier ist", gab er mit einem Blick auf Tenebros von sich. Dann ließ er die beiden allein und schloss die Tür hinter sich.
Sogar ihr Gepäck, das nicht sehr umfangreich war, hatte man bereits aus der Herberge hierher gebracht. Es war seltsam. Natürlich hatte man sie erwartet, aber sie hatte nicht damit gerechnet, Gast im Hause des Herzogs zu sein.
"Was hat das zu bedeuten, Tenebros?", fragte sie leise.
Der Ire räusperte sich. Er näherte sich ihr langsam und, wie Dannielle fand auf eine seltsame Art und Weise andächtig. Unmittelbar vor ihr blieb er stehen. Er hob seine Hand, wie um ihr eine verirrte Locke aus dem Gesicht zu streichen, doch berührte er sie nicht.
Seine Kehle bewegte sich, als würde er hart schlucken. Seine Hand verharrte über ihrer Haut, sodass sie die Wärme spüren konnte, die von ihr ausging. Ein Schauer jagte über ihre Haut , von dem sie nicht wusste, ob sie ihn genoss oder er ihr unangenehm war.
Er öffnete den Mund. Sie ahnte, dass er etwas sagen wollte, doch mit einem Mal wandte er sich abrupt von ihr ab und fiel in eine tiefe Verbeugung vor ihr.
DU LIEST GERADE
Der Ring der Herzogin ✓
Historical FictionEin Buch. Es ging um ein einziges, verstaubtes Buch. Es war weder besonders groß, noch besaß es außerordentlich viele Seiten. Es verfügte auch nicht über bunte handgemalte Bilder, noch hatte der Verfasser umfassendes Wissen der Kalligrafie besessen...