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POV: Steven // Sudden

"Süße, es sind doch nur ein paar Scherben. Scherben bringen Glück.", versuchte ich Melina zu beruhigen, welche auf dem Rand von Jessicas Badewanne saß und Ena dabei zu sah, wie sie die Bruchstücke zusammenkehrte.
"Das beruhigt mich kein bisschen, du weißt, wie abergläubisch ich bin."
"Steven, sie hat recht. Das erste Unglück sitzt ja schon im Wohnzimmer.", schnaubte Ena, und kehrte die letzten Scherben zusammen. An der geschlossenen Tür klopfte es und Tim trat ein.
"Party? Ohne mich?", fragte er lachend und sah zu seiner verärgerten Freundin, welche noch immer auf dem weißen Fliesenboden kniete.
"Dann fangen wir am besten gleich mit der Kneipenschlägerei an.", sprach Ena ernst.
"Babe, welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen?", frage Tim und sah mich Hilfe suchend an. Ena schüttelte wortlos mit dem Kopf, da sie nicht auf seine Frage eingehen wollte.
"Die Schwester von Jessies Ex ist mit 'nem Veilchen hier aufgetaucht und will sich gerade einschleimen, so laut Frau Fabeck.", nickte ich in die Richtung von Ena.
"Ähm... okay... Puh...", atmete Tim, dem die passenden Worte fehlten.
"Ich will wissen, was die Schnepfe zu sagen hat.", sagte Ena. Sie stand auf, drückte langsam die Türklinke herunter, Tim hielt sie an der Schulter fest und schloss die Tür wieder.
"Babe, lass die beiden jetzt erstmal miteinander reden.", sagte Tim ruhig, Ena lief auf Hochtouren.
"So ein Veilchen kann ich mir auch ins Gesicht malen, wenn ich Aufmerksamkeit von jemandem will. Ich vertrau' der Alten kein bisschen.", sagte Ena, öffnete die Tür und stellte sich in den Flur.
Neben Melina nahm ich auf dem Rand der Badewanne Platz, sie war an mich gekuschelt und ihr Blick war auf die Kehrschaufel mit den Glasscherben gerichtet. Ein sanfter Kuss von mir traf ihre Schläfe und sie sah mich an, ein aufgesetztes Lächeln zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab.

"Mel, der Spiegel ist daran nicht schuld. Sowas passiert,", begann Tim zu sagen. "genau so passiert es, dass Menschen zur Vernunft kommen.", fügte er etwas lauter an, sodass Ena es im Flur hören konnte. Durch die geöffnete Tür des Badezimmers hörten wir, dass die Tür des Balkons mit etwas Druck geöffnet wurde. "Schatzl?", die Stimme von Jessica war zu vernehmen. "Jetzt nicht, Mäuschen. Mir geht das gerade echt nicht ein.", hörten wir Lukas sagen, kurz darauf stand er ebenfalls in der Tür des Badezimmers. "Zwei Sitzungen in einer Wohnung, das hatten wir auch noch nie.", sagte er und atmete tief durch.

"Siehst ja auch nicht begeistert aus, Alter.", sagte ich.
"Pfff... die hat das Foto von Jessie und mir geschossen und unbedacht an ihren geisteskranken Bruder geschickt.", verdrehte er die Augen.
"Woher willst du das wissen?", fragte ich interessiert.
"Sie hat sich gerade dafür entschuldigt.", Lukas zog seine Augenbrauen hoch.

"Leute?!", rief Jessica ängstlich aus dem Wohnzimmer, wir vier stürmten aus dem Badezimmer heraus, Ena stand bereits im Wohnzimmer, als wir vorn ankamen.
Sabrina lag bewusstlos auf dem Fußboden, auf der freien Fläche vor dem Esstisch und Jessica stand geschockt neben ihr.
"Mäuschen? Was ist passiert?", fragte Lukas vorsichtig.
"Keine Ahnung, mitten im Gespräch ist sie aufgestanden und hier rumgelaufen, sie hat sich immer weiter reingesteigert, ich... Ich glaube, sie hat hyperventiliert.", ihr Blick hing noch immer an ihrer ehemaligen Schwägerin.
"Ich rufe einen Krankenwagen.", sagte Tim und zog sein Handy aus der Tasche seiner Jeanshose.
"Siehst du... Nur Unglück.", flüsterte Melina ängstlich und sah mir in die Augen.
"Süße, rede dir das jetzt nicht ein.", sagte ich ruhig und strich ihr über den Kopf.
"Die sind in zehn Minuten da.", sagte Tim und blickte wieder auf das Bild, das sich uns allen bot.

POV: Jessica

Lukas hatte es geschafft, mich zu beruhigen; mit noch feuchten Augen saß ich auf seinem Schoß, festhielt er mich in seinen Armen und strich mir über den Rücken. Die Anderen packten weiter zusammen, als wäre nichts gewesen. Ich atmete tief durch, erhob mich stumm von seinen Beinen und holte von der Garderobe meine Jacke; Lukas blieb schweigend auf dem Sofa zurück.
Auf dem Balkon zündete ich mir eine Zigarette an und pustete den Rauch in die bereits eingetretene Dämmerung. Tim trat zu mir heraus und stellte sich nichtssagend neben mich. Nachdem ich die Zigarette in dem Aschenbecher ausgedrückt hatte, setzte ich mich auf den Stuhl aus Holz und stützte meinen Kopf auf meine Hände.
"Geht es dir ein bisschen besser?", fragte er. Seine rauchige Stimme war ganz sanft und er ging vor mir in die Hocke. Ich zuckte mit meinen Schultern, senkte meinen Blick und sah ihn an.
"Warum betrügen eifersüchtige Menschen und schlagen dann noch zu?", fragte ich ausdruckslos.
"Was?", fragwürdig sah er mich an.
"Niklas... Sabrina hat mir erzählt, dass er mich mehrfach betrogen hat. Der kloppt mich windelweich, weil er seine Aggressionen nicht im Griff hat und macht mir noch Vorwürfe, dass ich ihm ausgelatscht wäre, was nie der Fall war. Muss ich das verstehen?", ich rümpfte meine Nase und sah in das perplexe Gesicht meines guten Freundes.
"Das ist ein schlechter Scherz, oder?", ich schüttelte mit dem Kopf und sah in den Himmel.
"Jessie... Das ist vorbei und jetzt kannst du wieder sagen, dass es gut so ist. Du bist so eine starke Frau und eine Kämpfernatur, irgendwann wirst du auch daran nicht mehr zurückdenken. Schau mal da rein, der lange Lulatsch dort, der gerade ebenfalls den Kopf hängen lässt, ist deine Zukunft. Ihr beide tut euch so gut, diese Worte hörst du von mir auch nicht das erste Mal. Ich weiß, dass dich Vergangenheit und dazu noch solche Fakten jetzt deutlich mehr belasten, durch den ganzen Stress, aber du musst das nicht alleine durchstehen. Unser Lukas wird dich erst recht nicht hängen lassen.", sagte er ruhig; seine Worte stärkten mich. Tim strich mir über den Oberarm und nickte als Zeichen, dass wir wieder reingehen sollten. 

Verloren - 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt